Dokumentation:Irres Geflecht

White Boy Rick - Drogendealer für das FBI

Der Drogendealer für das FBI Richard Wershe Jr., bekannt als 'White Boy Rick', gehörte zu den jüngsten FBI-Informanten der USA. Seit 1988 sitzt er im Gefängnis.

(Foto: Shawn Rech/ZDF)

"White Boy Rick" erzählt, wie ein Jugendlicher für das FBI zum Drogendealer wurde - und hilft, Amerika zu verstehen.

Von Susan Vahabzadeh

Vieles, was auf den ersten Blick absurd erscheint, hat Wurzeln in den Wirklichkeit. Es mag beispielsweise verwunderlich erscheinen, mit welchem Furor viele Amerikaner auf ihrer Bundespolizei herumhacken. Andererseits hat das FBI in seiner Geschichte immer wieder für Schlagzeilen gesorgt, die genauso verwunderlich sind. FBI rekrutiert Kind als Drogenhändler - das klingt nicht gerade vertrauenserwecken.

Würde sich jemand die Geschichte, die Shawn Rech im Dokumentarfilm White Boy Rick - Drogendealer für das FBI erzählt, ausdenken - man würde ihm nicht glauben. Viel zu dick aufgetragen. Aber White Boy Rick, der mit richtigen Namen Richard Wershe heißt, ist eine echte Person und sitzt in Florida im Gefängnis, eine zusätzliche Haftstrafe wegen Autodiebstahls, nachdem er in Detroit länger im Knast saß als irgendwer sonst in den USA, der keines Gewaltverbrechens angeklagt wurde - dreißig Jahre lang.

Die Geschichte beginnt in den achtziger Jahren, als White Boy Rick, Sohn eines Klein-Waffenschiebers, bei einem Verhör seines Vaters zugegen war. In Detroit florierte damals der Drogenhandel, und Rick war den Agenten aufgefallen. Er kannte einige zwielichtige Gestalten in seinem Viertel. Also wurde er rekrutiert, um fürs FBI als Drogenhändler zu posieren und Informationen über die echten Dealer zu beschaffen. Als die Aufträge als Informant aufhörten, hatte er sich längst an das viele Geld gewöhnt, verkehrte in den passenden Kreisen - er machte also auf eigene Rechnung weiter. Es soll schon öfter vorgekommen sein, dass Behörden einen zum Verbrecher machten, um anderen Verbrechern auf die Spur zu kommen. Aber White Boy Rick, so genannt, weil all seine Freunde schwarz waren, er selbst aber weiß, war damals erst 14 Jahre alt.

Rick und seine Kumpels warfen sich in Posen wie Rockstars, und einmal waren sie auf einer Hochzeit in der Villa des Oberbürgermeisters eingeladen. Das führt dann zu den Verwicklungen hin, die wohl dazu führten, dass White Boy Rick nie irgendeine Gnade in Detroit widerfuhr: Damals heiratete die Nichte des Oberbürgermeisters nämlich in eine stadtbekannte Dealerfamilie ein, und die Geschichten, die Ricks Weggefährten über die Verflechtung von Stadt, Polizei, Behörden und dem Drogenhandel zu erzählen haben - die wären selbst dann ein Skandal, wäre White Boy Rick ein Erwachsener gewesen und kein Schulkind, das die Agenten nachts zu Drogen-Übergabeterminen in finsteren Hinterhöfen schickten.

Wurde der Teenie mit der Drogenkarriere während des Prozesses von der Lokalpresse zum Unterweltboss stilisiert, weil die Polizei Journalisten mit falschen Informationen fütterte - oder haben sie die Geschichten selbst erfunden, weil der Skandal damals die Auflage steigerte? War der Polizist und Teilzeit-Schauspieler Gil Hill, der damals in den Fall verwickelt war, korrupt - oder der Star-Ermittler, den seine Anhänger in ihm sehen wollten? Rick Wershes Rekrutierung durch das FBI, dass ihm zigtausende Dollar bezahlt wurden - das lässt sich beweisen, obwohl es bei seiner Verurteilung keine Rolle spielte. Doch das Geflecht sich widersprechender Aussagen, was damals beim FBI und bei der Polizei in Detroit los war, kann auch Dokumentarfilmer Rech nicht vollständig entwirren. Aber man versteht Amerika ein bisschen besser, wenn man ihm dabei zusieht, wie er es versucht. White Boy Ricks Geschichte ist mit so vielen pikanten Details gespickt, dass sie 2018 verfilmt wurde, mit Matthew McConaughey in der Rolle des zweifelhaften Patriarchen der Wershes - aber dem Spielfilm fehlte genau jener Kontext, den Shawn Rech hier liefert. Detroit war ein hartes Pflaster.

White Boy Rick - Drogendealer für das FBI. Samstag, 21.45 Uhr, ZDFinfo.

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