Doku "Wachstumsmarkt Welthunger" auf Arte:Vom Hunger profitieren

Wachstumsmarkt Welthunger

Eine Szene aus "Wachstumsmarkt Welthunger".

(Foto: obs)

Viele Entwicklungsländer können die Ernährung ihrer Bevölkerung nicht sicherstellen. Eine Milliarde Menschen leben weltweit unterhalb des Existenzminimums. Doch die großen Nahrungsmittelkonzerne wittern auch hier ein großes Geschäft. Die Arte-Dokumentation "Wachstumsmarkt Welthunger" beleuchtet das Spannungsverhältnis zwischen Not und Profitgier.

Von Petra Steinberger

Die Menschheit ist vernetzt wie nie, hat bald die letzten Quadratkilometer Erde erforscht und die menschliche DNA entziffert. Trotzdem sind wir immer noch nicht in der Lage, alle sieben Milliarden Menschen zu ernähren - im Gegenteil. Eine Milliarde von ihnen lebt unterhalb des Existenzminimums, weltweit sind 19 Millionen Kinder unterernährt. Wo liegt das Problem? Und wie könnte man es beheben?

Ernährungssicherheit ist eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Und mit dieser befasst sich die französische Dokumentation "Wachstumsmarkt Welternährung" von Yves Billy und Sylvain Roumette. Es ist keine leichte Aufgabe, ein derart gewaltiges Thema in einigem Tiefgang aufzuarbeiten, selbst für eine Dokumentation dieser Länge. Dennoch ist es gelungen. Zum größten Teil jedenfalls.

Sogenannte therapeutische oder auch angereicherte Lebensmittel haben die Filmemacher ins Zentrum ihrer Geschichte gerückt - und diese sind tatsächlich ein immer wichtigeres Mittel, um zumindest kurzfristig Unterernährung in Afrika und Asien zu lindern. Plumpy Nut, ein angereichertes Lebensmittel auf der Basis von Erdnussöl, wird in vielen Ländern Afrikas eingesetzt. Mit wenigstens anfänglichem Erfolg. Eigentlich eine gute Sache.

Nicht ganz. Der kurzfristige Erfolg könnte längerfristig zu gesundheitlichen Problemen führen, fürchtet eine Aktivistin. Denn wenn Lebensmittel auf Fettbasis nicht zum Aufbau von Muskeln führen, sondern vor allem zu Fettdepots, könnten so ernährte Kleinkinder später einmal an Fettleibigkeit erkranken - ein Paradox, das aber in immer mehr Ländern der ärmeren Welt zu beobachten ist.

Snackfood-Invasion befürchtet

Andererseits führt der Erfolg zu Begehrlichkeiten der großen Lebensmittelkonzerne. Nicht, weil sie Wohltäter sind, sondern weil es um Profitmaximierung geht. Und da der Markt in den Industrienationen stabil bleibt und für manche Produkte sogar zurückgeht, müssen sie neue Märkte erschließen. Ernährungswissenschaftler wie Marion Nestlé (nicht verwandt mit dem Konzern gleichen Namens) fürchten gar eine weltweite Invasion von Snackfood (denn Snacks und angereicherte Lebensmittel liegen gar nicht so weit auseinander). Und die großen Konzerne haben Produktion und weltweite Versorgungswege optimiert.

Von diesem Punkt an wird die Dokumentation etwas weitschweifig - es muss eben alles noch erwähnt werden: die Grüne Revolution in Indien, die zwar innerhalb kürzester Zeit die Nahrungsmittelversorgung des Landes sicherte, die aber dazu führte, dass die Kleinbauern immer weniger verdienen und inzwischen in erschreckend hohen Zahlen Selbstmord begehen; die Forderung nach einer besseren Ausbildung der Frauen; Klimaveränderung, die ökologische Bewegung und Kooperativen; der moderne Landraub durch Großkonzerne, Staaten und Investoren; bis hin zu den Versuchen im Silicon Valley und anderswo künstliche Eier oder künstliches Fleisch zu entwickeln in der Hoffnung, damit die Nahrungssicherheit ein für allemal zu garantieren (wobei schließlich angedeutet wird, dass das vielleicht auch nur ein weiterer Versuch des Westens und seiner Nahrungsmittelindustrie ist, die Märkte der Entwicklungsländer zu gewinnen). Sicher spielt das alles eine Rolle im Welternährungsproblem, aber manchmal wirkt es, als ob man die wichtigsten Themen noch schnell einmal abhaken wolle. Weniger wäre in diesem Fall vielleicht mehr gewesen.

Dennoch: Die Komplexität der Nahrungssicherheit wird hier allzu deutlich - und dass auch bei auf den ersten Blick gut gemeinten Projekten immer auch Geschäftsinteressen im Hintergrund lauern, wird hier wieder einmal deutlich.

Wachstumsmarkt Welthunger, arte, 25. März, 20.15 Uhr

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