Süddeutsche Zeitung

Doku-Verirrung:Schrecklich exotisch

Lesezeit: 2 min

Der Kika schickt ängstliche Jugendliche wieder ins "Mutcamp" - nach Afrika. Dort warten "Challenges" auf sie wie in einen Teppich eingerollt zu werden.

Von Isabel Pfaff

Furcht besiegen, rein in ein freieres Leben - das verspricht der Kinderkanal den Teilnehmern der Sendung Mutcamp: Hier sollen sich Jugendliche ihren Ängsten stellen und lernen, mit ihnen umzugehen. An sich ein verdienstvolles und wohl auch erfolgreiches Konzept, denn am Montag ging die Sendung bereits in die dritte Runde. Wieder trafen sechs Jugendliche zwischen 14 und 15 in einer Lodge in Südafrika ein, wo sie in insgesamt 20 Folgen verschiedene "Challenges" bestehen müssen. Mit Hilfe einer Therapeutin und eines Trainers streicheln sie Spinnen, bleiben allein im Dunkeln oder wagen sich in sumpfiges Wasser.

Doch kurz vor dem Start der neuen Staffel wird den Machern des Mutcamps Rassismus vorgeworfen. In einem Beitrag für das Onlineportal Migazin beschuldigen vier Berliner Studierende die Autoren der Sendung, mit ihrem Setting "kolonialrassistische Bilder" aufzuwärmen. Die Zusammensetzung der Gruppe, der Drehort, das Konzept einiger "Challenges" - all das, so die Studierenden, bediene diskriminierende Klischees. Der Kinderkanal will nichts zu den Vorwürfen sagen, er verweist lieber an den MDR, der das Mutcamp produziert hat. Dort kann man die Vorwürfe nicht nachvollziehen, sie "entbehren jeglicher Grundlage", teilt der Sender knapp mit.

Dabei verwundert es tatsächlich ein wenig, warum die Teenager ausgerechnet nach Südafrika (in der Sendung meist mit "Afrika"abgekürzt) gebracht werden müssen, um mit ihrer Furcht fertig zu werden. Ist es wegen der "exotischen Umgebung", der "fremden Kulturen", wie es auf der Webseite heißt? Die meiste Zeit jedenfalls verbringen die Teilnehmer unter sich, sei es in der Lodge oder an den verschiedenen "Challenge"-Orten. Irgendwann möchte die Therapeutin aber auch, dass die Teenager "Land und Leute" kennenlernen. Es sind Momente wie diese, die das Format problematisch machen. Und an TV-Verirrungen wie die ZDF-Produktion Auf der Flucht oder das Kabel 1-Format Die strengsten Eltern der Welt erinnern.

Zum Beispiel, wenn sich zwei der Teilnehmer ein Haus im Township "so richtig von innen" anschauen dürfen und später zu Aussagen wie "Ich weiß nicht, wie man so leben kann" genötigt werden. Oder wenn zwei Mädchen beim "Projekttag" einen Kindergarten in einem ärmeren Wohnviertel streichen sollen, sich erschüttert zeigen über diese "Müllhalde", über die "triste" Gegend, am Ende aber froh sind, "etwas hinterlassen" zu haben. Ein zur Hälfte gestrichenes Häuschen nämlich. Die Farbe habe man den Leuten da gelassen.

Es ist die Einteilung der Welt in weiß und schwarz, in Wir und Die, in fähig und unfähig, die sich durch die Äußerungen der Jugendlichen zieht. Dass sich solche diskriminierenden Vorstellungen hartnäckig halten, ist nicht die Schuld der Teenager. Dass sie aber in einer öffentlich-rechtlichen Sendung unkommentiert vorkommen, sogar regelrecht hervorgekitzelt werden, wirft schon Fragen auf. Ganz besonders in einer Gesellschaft, die sich derzeit ziemlich schwer tut, mit Fremdheit umzugehen. Der MDR hätte sich einiges erspart, hätte er das Mutcamp einfach an einem einsamen See in Mecklenburg spielen lassen. Ein komplexes Umfeld wie Südafrika erfordert mehr Weitblick, als es die Macher an den Tag gelegt haben.

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Quelle:
SZ vom 04.08.2015
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