Doku über US-Serientäter:Der Mörder, der angeblich 14 Jahre schlief

Tales of the Grim Sleeper, HBO

Zehn Morde an Prostituierten und ein versuchter Mord werden Lonnie Franklin zur Last gelegt. Doch sind das alle Taten, die er begangen hat?

(Foto: HBO)

Eine Doku geht den Verbrechen des "Grim Sleeper" nach. Wie viele Frauen tötete Lonnie Franklin? Ermittelte die Polizei schlampig, weil seine Opfer schwarze Prostituierte waren?

Von Bernd Graff

Diese Dokumentation zeigt Bilder aus South Central Los Angeles, einem Stadtteil der kalifornischen Metropole, dessen Bewohner man hoffnungslos nennen müsste, wenn sie denn wüssten, was Hoffnung ist. Eine schwarze Community lebt hier in Industriebrachen, Trailerparks oder obdachlos auf der Straße. Womit die Menschen ihr Geld verdienen, will man nicht wissen. In welchem Zustand sie dabei sind, auch nicht. Crack wird offen geraucht, die Prostituierten tragen keine Unterwäsche.

Seit 1985 sind hier fast 200 Frauen verschwunden oder ermordet worden. Die irritierende HBO-Doku des Briten Nick Broomfield, die es auf die Shortlist für die Oscar-Nominierungen 2015 schaffte, setzt ein mit der Verhaftung von Lonnie Franklin im Juli 2010. Zehn Morde an Prostituierten und ein versuchter Mord werden ihm zur Last gelegt. Alle Opfer wurden vergewaltigt und mit derselben Pistole erschossen, die Leichen in Müllcontainern abgelegt. Könnten auch die anderen Verschwundenen von ihm ermordet worden sein?

Dafür spricht, dass man bei der Durchsuchung von Franklins Haus 180 Fotos von Frauen gefunden hat, die alle als vermisst gelten. Franklin arbeitete zeitweise auf einer Mülldeponie.

Was, wenn es die Mord-Pause nie gegeben hätte?

Zwischen den ersten und den letzten Morden, deretwegen der heute 63-Jährige festgenommen wurde, lag eine "Pause" von 14 Jahren. Deshalb hat man von einem "Grim Sleeper" gesprochen. Ein Wortspiel: "The Grim Reaper" ist der englische Begriff für den Sensenmann. Was, wenn es eine solche "Pause" nie gegeben und der mutmaßliche Täter Franklin einfach immer weiter gemordet hätte?

Die Dokumentation folgt dem neueren Trend zum sogenannten True Crime Narrative, zur nichtfiktionalen Nacherzählung von Verbrechen. Ein preisgekröntes Beispiel sind die Serial-Podcasts von Sarah Koenig, die 2014 im Radioprogramm This American Life die Ermordung einer High-School-Schülerin in Baltimore nacherzählte und mit nahezu allen Prozess-Beteiligten sprach: Zeugen, Anwälten und Verteidigern, sogar mit dem der Tat schließlich überführten Freund.

Das ist hier nicht so, die offiziellen Vertreter der Behörden sagten ab, man verweist auf das laufende Verfahren. Der Prozess, in dem Franklin trotz erdrückender DNA-Beweise auf "unschuldig" plädieren wird, soll nach mehrfacher Verschiebung erst in diesem Dezember beginnen.

Kriminalistisch ist diese Doku eine Katastrophe. Während es Koenig gelang, ihren Fall neu aufzurollen, sind die Befragten des "Grim Sleeper"-Falls als Zeugen nicht zu gebrauchen. Sie erzählen "Tales", Märchen. So erweisen sich die Freunde Franklins, die zu Beginn Krokodilstränen vergießen, weil man ihren Lonnie vorverurteile, nach und nach als selber involviert: Sie kennen die Mordwaffe, wissen von den Fotos, waren sogar dabei, wenn in Lonnies Lieferwagen die Post mit den Crack-Huren abging.

Man munkelt, dass das Los Angeles Police Department gar nicht intensiv ermittelt habe

Doch geht es Broomfield in erster Linie nicht um Beweisführung. Was den Film bewegt, formuliert Margaret Prescod, die 1985 die "Black Coalition Fighting Back Serial Murders" gründete: "Was mich erschüttert, ist, dass niemand in der Nachbarschaft von den Morden gehört hatte. Außerhalb von schwarzen Wohngegenden würde so etwas einfach nicht passieren." Man munkelt, dass das Los Angeles Police Department gar nicht intensiv ermittelt habe, da die Opfer alle drogenabhängige, afroamerikanische Prostituierte waren. Lonnies redselige Freunde etwa wurden nie vernommen.

"Wäre das dritte Opfer eine weiße Studentin gewesen, hätte sich die Polizei in ihren Ermittlungen überschlagen. Aber so . . .", heißt es einmal.

Tales of the Grim Sleeper, RTL Crime, Sonntag, 20.15 Uhr.

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