Süddeutsche Zeitung

Doku "Mensch, Putin!" im ZDF:Ein Glückskind, kein harter Hund

Die TV-Doku "Mensch, Putin!" versucht, Russlands Staatschef psychologisch näherzukommen. Das gelingt nicht immer. Interessante Einsichten liefert der Film dennoch.

Von Sonja Zekri

Natürlich wüsste man gern, was ihn reitet, weil man voraussagen will, was er als nächstes tut: Das Baltikum angreifen? Kiew bombardieren? Doch eine Charmeoffensive Richtung Berlin? Russlands Präsident Wladimir Putin ist dem Westen ein Rätsel.

Also versucht es Michael Renz in seiner Doku Mensch, Putin! mal psychologisch. Befragt überraschend mitteilungsfreudige Geheimdienste, sichtet Putin-Legenden in Russland, befragt Zeitzeugen. Und das Ergebnis? Ist ein bisschen krümelig, aber leicht verdaulich wie der Hüttenkäse, den Putin morgens zu sich nimmt.

Der frühe Präsident Putin war ein paar Mal Ziel von Anschlägen

Krümelig, weil es schon seltsam ist, dass Tschetschenien-Krieg, Georgien-Krieg, Gasstreit mit der Ukraine, Chodorkowski-Prozess und was Putins Präsidentschaft noch so geprägt hat, nur in Spurenelementen vorkommen. Leicht verdaulich, weil der Rest so luftig und schmerzfrei daherkommt. Nicht alles ist korrekt: Die Modernisierung der Armee hat Putin nicht zu Beginn seiner ersten Amtszeit durchgeführt, wie der Film behauptet, sondern viel später, denn Russland war damals katastrophal abgebrannt.

Manches wusste man längst: dass der kleine Wladimir in den Hinterhöfen von St. Petersburg aufgewachsen ist, wo er Härte und Machokult aufsog, einübte und später zur Doktrin erhob. Und nicht alles ist überraschend: Putin, so der Film, habe als sowjetischer Offizier die KGB-Zentrale in Dresden mit Waffengewalt gegen den Ansturm geschützt, nicht mit Worten, wie er es selbst behauptet.

Muss deshalb die deutsch-sowjetische Geschichte umgeschrieben werden? Dass Putin als junger Offizier in Dresden trank, flirtete, fummelte - ist das eine wirklich relevante Entdeckung? Interessanter ist da schon, dass der frühe Präsident Putin ein paar Mal Ziel von - vereitelten - Anschlägen war, so schwach war er zu Beginn.

Aber am besten ist der Film immer dort, wo er sich gerade nicht mit Enthüllergestus auf die Brust trommelt oder umstrittene Zeugen wie den Moskauer Politologen Stanislaw Belkowski zitiert, sondern kühl die Fakten sortiert: In Wahrheit, heißt es einmal, war Putin gar nicht der harte Hund, der sich nach oben boxen musste, sondern ein, jawohl, Glückskind: Die Eltern haben in Leningrad Krieg und Blockade überlebt, er studierte an einer Elite-Hochschule und durfte seinen Traumberuf - Spion - ausüben. Aber was Putin demnächst mit der Ukraine vorhat? Keinen blassen Schimmer.

Mensch, Putin!, ZDF, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 17.02.2015/fued/pak
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