"Falciani und der Bankenskandal" in der ARD:Charmeur mit Tretroller

Hervé Falciani, der Mann hinter den Swiss Leaks

Hervé Falciani, ehemaliger IT-Spezialist der HSBC, ist der Mann hinter den sogenannten "Swiss Leaks".

(Foto: SWR/gebrueder beetz filmprodukti)

Wer ist Hervé Falciani, der Mann, das Schweizer Bankgeheimnis ins Wanken brachte? Dieser Frage geht eine Doku nach. Kritische Nachfragen an den Datenräuber fehlen - doch das verzeiht man dem Film.

Von Bastian Obermayer

Die Geschichte des Hervé Falciani ist ein Krimi, der auf zwei Ebenen spielt. Die offensichtliche Ebene ist sein Leben, die Geschichte seines Bankdatenraubs in der Schweizer HSCB. Eine Tat, die die HSBC, die einstmals zweitgrößte Bank der Welt, in eine existenzielle Krise gestürzt hat.

Wie Falciani die Daten von mehr als hunderttausend HSBC-Kunden stahl, wie er diese unter falscher Identität in Beirut feilbot, wie er mehrmals verhaftet wurde und doch immer wieder frei kam. Und wie er also heute mit einem Tretroller durch Paris flitzt - nicht zu fassen für die Schweizer Strafverfolger, die ihn noch immer im Gefängnis sehen möchten.

Auf der anderen Ebene geht es darum, was die Regierungen dieser Welt mit seinen Daten bisher gemacht haben - in denen Abertausende mutmaßliche Steuerhinterzieher stecken, neben Staatsoberhäuptern, Gangstern und Prominenten übrigens, wie unter anderem die SZ Anfang dieses Jahres in der Serie "Swiss-Leaks" berichtete.

Seit Falciani die Daten dem französischen Staat übergeben hat, sind sie für so ziemlich alle befreundeten Staaten zugänglich. Und eine Menge Staaten haben die Daten auch bestellt oder bereits verwertet. Nur: Die Anzahl der Verfahren, die so ausgelöst wurden, hält sich sehr in Grenzen. Ein paar in Frankreich, ein paar in Deutschland, ein einziges in Großbritannien - und das waren jetzt die Länder, die immerhin den Besitzern der Konten nachgespürt haben. Andere haben nicht einmal das getan.

Ein paar kritische Fragen an den Whistleblower wären auch nicht verkehrt gewesen

Die Dokumentation Falciani und der Bankenskandal behandelt beide Ebenen, mit einigem Aufwand und Gesprächspartnern aus zahlreichen Ländern. Der Unterhaltungswert entsteht durch die geschickte Verknüpfung beider Ebenen.

Falcianis Geschichte kann Regisseur Ben Lewis auch deswegen so plastisch erzählen, weil Falciani mitgemacht hat, sich ausgiebig hat interviewen und filmen lassen. Der IT-Spezialist, der auch ein Charmeur ist, nutzt die Gelegenheit zur Selbstdarstellung. Keine Frage: Hervé Falciani ist ein Whistleblower, dessen Enthüllungen geholfen haben, das Schweizer Schwarzgeldsystem in seiner damaligen Form zu vernichten und das Bankgeheimnis noch weiter ins Wanken zu bringen.

Aber ein paar kritische Fragen wären auch nicht verkehrt gewesen, wenngleich damit womöglich die Nähe zu Falciani, einem sprunghaftem Charakter, aufs Spiel gesetzt worden wäre.

Gegen siebenstellige Beträge bietet er immer noch Daten an

Man hätte zum Beispiel gerne gewusst, ob er immer noch bei seiner Behauptung bleibt, nie Geld gewollt zu haben für seine Beute - die er nach seiner Flucht aus der Schweiz kostenlos den französischen Behörden übergeben musste, um seine Freiheit zu bewahren.

Aus internationalen Behördenkreisen ist nämlich zu hören, das sei gelogen. Sogar die Vergangenheitsform sei falsch: Falciani biete Regierungen gegen siebenstellige Beträge noch immer Daten an - und seine Hilfe bei der Auswertung. Auch danach hätte man fragen können: Ob er noch mehr in seinem Fundus habe als bisher bekannt?

Am Ende verzeiht man dem Film die sanfte Glorifizierung vor allem deshalb, weil die zweite Ebene - die Frage nach dem politischen Willen der Staaten, die Daten konsequent zu nutzen - selten so anschaulich dargestellt wurde.

Falcianis eigene Geschichte, seine Motivation und seine manchmal widersprüchlichen Aussagen sind auf dieser Ebene nicht mehr bedeutsam. Seine Daten aber sind es, sie haben Geschichte geschrieben. Darauf wird man schauen, falls das Bankgeheimnis der Schweiz irgendwann endgültig der Vergangenheit angehört.

Falciani und der Bankenskandal, ARD, 22.45 Uhr.

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