Doku "112 Hochzeiten" auf Arte:Am Anfang war das Glück

112 Hochzeiten

Szenenbild aus der Arte-Doku 112 Hochzeiten

(Foto: © Doug Block / ZDF)

Dokumentarfilmer Doug Block hat in seinem Leben 112 Paare am Tag ihrer Hochzeit gefilmt. Er tat das zum Geldverdienen. Jetzt hat er einige von ihnen wieder besucht - und fragt, wie ihre Geschichte weiterging.

Von Susan Vahabzadeh

Doug Block fängt da an, wo das Kino meistens aufhört. Es gehört zu den Standards romantischer Komödien und Melodramen, dass sie in Hochzeiten münden - und der Abspann liegt dann über einem Schweif von rasselnden Dosen am Auspuff eines mit weißen Schleifchen verzierten Autos, in dem die Frischvermählten in den Sonnenuntergang entschwinden. Das ist so, das ist das Fazit von Blocks Dokumentarfilm 112 Hochzeiten, weil danach auf jeden Fall Ernüchterung folgt - egal, ob die Paare zusammenbleiben, auseinandergehen, Schicksalsschläge erdulden müssen oder sich nur gegenseitig auf die Nerven gehen.

Was Block da gemacht hat, wäre logistisch kaum zu stemmen, hätten sich die Grundlagen nicht nebenher ergeben: Er ist ein relativ renommierter Dokumentarfilm-Regisseur, aber Dokumentarfilm ist Selbstausbeutung, kaum jemand kann davon leben - weswegen er seit zwanzig Jahren Hochzeitsvideos herstellt. 112 Hochzeiten kamen so zusammen. Für diesen Film hat er nun Paare besucht, bei deren Trauung er seinerzeit gefilmt hat, die Interviews verwoben mit den träumerischen Videoaufnahmen von den Hochzeiten. Keines seiner Projekt sei auf so viel Interesse gestoßen wie dieses, sagt Block. Klar: Entweder ist Block auf das Geheimnis ewiger Glückseligkeit gestoßen. Oder man fühlt sich wenigstens ein bisschen besser, weil andere Leute auch nicht wissen, wie man's richtig macht.

Block ist Experte für das Thema

Es ist dann ein bisschen von beidem. Ein Paar ist dabei, das sitzt immer noch gemeinsam auf dem Sofa, erzählt davon, wie unromantisch die Entscheidungen sind, die sie dazu gebracht haben, ein Paar zu bleiben, und fallen einander dabei permanent ins Wort. Andere geben freimütig zu, dass sie vor allem zwischen den Ehekrisen glücklich sind - "was ist ein Berg, wenn man ihn nicht an einem Tal messen kann?". Ein anderes Paar verrät sein Geheimrezept unfreiwillig: Verdrängung. Alles prima, sagt sie. Wollen wir nicht von unserer Tochter erzählen, fragt er. Nein, sagt sie. Sie tun es dann doch: Das Kind ist schwer krank. Andere treten einzeln vor die Kamera, weil es kein Zusammensein mehr gibt.

Block ist quasi Experte für das Thema. Sein bislang bekanntester Film hieß 51 Birch Street, er kam 2005 ins Kino, und der legendäre amerikanische Kritiker Roger Ebert nannte ihn damals einen der zehn wichtigsten Filme des Jahres. Eine schmerzliche Geschichte erzählte er darin, aus seinem eigenen Leben: Er rekonstruierte nach ihrem Tod das Leben seiner Mutter aus ihren Tagebüchern und erfuhr so über seine Eltern, was er nicht geahnt hatte - wie unglücklich die Mutter in ihrer Ehe war, dass der Vater immer eine andere liebte, die er nun heiratet, dass die Verbindung der Eltern eine rein pragmatische war, basierend auf gesellschaftlichem Zwang. Es ist also nicht verwunderlich, dass er ziemlich schnell die Frage stellt, warum Leute überhaupt heiraten. Wegen der Steuer, der Kinder, des Papierkrams?

Die Antworten fallen unterschiedlich aus. Vor allem aber weist Block empirisch nach, wie wenig hilfreich romantische Verklärung ist - ach, mehr noch: geradezu gespenstisch. Einmal geht es um die Idee, man müsse seinen Seelenverwandten heiraten, und wie komisch das ist, zu glauben, es gebe auf der ganzen Welt für jedes Töpfchen nur ein Deckelchen. Es wäre dann Schicksal, diesen Menschen zu finden, sagt eine Frau zu Block: Das Ende des freien Willens.

112 Hochzeiten, Arte, 22.35 Uhr .

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