"The Falcon and the Winter Soldier" bei Disney Plus:Neue Männer braucht das Land

Lesezeit: 2 min

Einer schwarz, einer schwer traumatisiert: Falcon (Anthony Mackie) und der Winter Soldier (Sebastian Stan) ringen mit der Männlichkeit, die von Superhelden erwartet wird. (Foto: Marvel Studios 2020/Chuck Zlotnick)

Falcon und Winter Soldier, die Sidekicks von Captain America, bekommen eine eigene Serie. Gut so, denn auch die Männlichkeit soll bitte diverser werden.

Von Nicolas Freund

Dürfen die das? Einfach eine Serie machen über zwei muskelbepackte Dudes, die aussieht wie der filmgewordene Traum eines Sechsjährigen? Zumindest in der ersten Folge von The Falcon and the Winter Soldier ist weit und breit keine Frau in einer Hauptrolle zu sehen, dafür jede Menge Technikspielzeug, Stunts und Action. Gehen die Marvel Studios mit ihrer zweiten Serie bei Disney Plus wieder dahin zurück, wo sie mit dem Macho Iron Man mal angefangen hatten?

Falcon und der Winter Soldier waren lange die Sidekicks von Captain America. Der eine kann fliegen, der andere hat einen Roboterarm, beide sind Rivalen, man könnte sie aber auch so, wie sie sind, breitbeinig mit Dosenbier bewaffnet, auf einer Couch vor dem Superbowlfinale parken. Echte Männer also? Der Literaturnobelpreisträger J.M. Coetzee beschrieb Captain America schon vor 45 Jahren als "in eine Flagge gewickelten Phallus", und am Ende des letzten Avengers-Films hatte sich der amerikanischste aller Superhelden entschlossen, zurück in die Vergangenheit zu reisen, aus der er gekommen ist. Und in die er gehört, möchte man hinzufügen.

Der mit einem Schild bewaffnete Captain America gehört der Vergangenheit an. Gar nicht nur schade. (Foto: Marvel Studios 2020/Chuck Zlotnick)

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, ist The Falcon and the Winter Soldier aber keine Fortsetzung, sondern eine Abrechnung mit diesem idealisierten, aufgepumpten, im Zweifel rechtskonservativen Männlichkeitsbild. Es wird noch immer viel geschossen, aus Flugzeugen gesprungen, in die Luft gejagt, alles inszeniert in der tadellosen, virtuosen Marvel-Bildsprache. Aber diese harten Männer, die hier Krawall machen, wollen nicht so recht in die Rolle des Actionhelden passen. Der Winter Soldier ist ein gebrochener Mann mit schwerer Kriegsverletzung. Traumatisiert sucht er nach Abbitte für seine Taten, soziale Kontakte hat er keine, die Psychotherapeutin lässt er kaum zu sich durchdringen, ein schwerer Fall von toxischer Männlichkeit, dessen größtes Opfer der Mann selbst ist. Die Filme und Serien aus dem Marvel-Superhelden-Universum sind inzwischen zu einer Art globaler Kulturgeschichtsschreibung geworden, die in den einfachen Abenteuern kostümierter Helden gesellschaftliche Debatte reflektiert.

Fast zum Spielverderber wird die Serie, als Falcon mit seiner Schwester einen Bankkredit beantragen möchte. Ja, mit solchen weltlichen Dingen müssen sich auch gut ausgerüstete Heroen beschäftigen. Der Bankberater vermutet erst, einen Footballspieler vor sich zu haben, aber einen Superhelden findet er auch gut. Die Schwester interessiert ihn gar nicht, und einen Kredit rückt er wegen der unklaren Finanzlage von Superhelden auch nicht raus. Schwarze müssen eben mindestens Footballspieler sein, um ernst genommen zu werden. So sieht institutionalisierter Rassismus und Sexismus aus - wie ein grinsender, selbstgerechter Bankberater.

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Die Serie identifiziert diese Probleme mit derselben Präzision, mit der die Actionszenen gefilmt sind. Captain America ist weg, und es zeichnet sich ab, dass die Männer, die ihm nachfolgen, nicht seine Privilegien genießen und daran scheitern, seinem Idealbild zu entsprechen. The Falcon and the Winter Soldier zeigt männliche Helden, aber es sind die Versehrten, die Marginalisierten, die Außenseiter, die immer im Schatten standen. Sie kämpfen für eine diverse Vorstellung von Männlichkeit, die oft nur als ein homogener Block dargestellt wird. Ob sie es schaffen, ist offen. Eines erfährt man jedoch gleich zu Beginn der Serie: Falcon bügelt seine Hemden selbst.

The Falcon and the Winter Soldier, bei Disney Plus, jede Woche eine neue Folge.

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