Diskussion über Quote in Medienberufen:Brutale Frauen

Gerechtigkeit war gestern, jetzt geht es um das wirtschaftliche Überleben der Verlage und Zeitungen. Fünf Journalisten diskutieren in Berlin über männerdominierte Chefetagen, Frauenquote und die Zukunft des Journalismus. Am Ende stellen sie fest: Jetzt ist auch mal gut mit Reden.

Friederike Zoe Grasshoff, Berlin

Nach 20 Minuten reicht es Jakob Augstein, er kann es nicht mehr hören. "Es lohnt sich nicht, noch zehn Sekunden länger darüber zu sprechen", schnauzt der Journalist, Verleger- und Schriftstellersohn, Spiegel-Erbe, Talkshow-Dauergast und Welterklärer in die Runde und schlägt sich mit der flachen Hand auf die Stirn. "Es ist doch so logisch! Man muss mit der Waffe kommen! Die Frauen sollten viel brutaler werden."

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Ein Produkt muss von Männern und Frauen produziert werden, um von Männern und Frauen gekauft zu werden - die Frauenquote trägt zum wirtschaftlichen Überleben bei.

(Foto: dapd)

Gelächter im Publikum. Dienstagabend, ein voller Saal in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz. Auf dem Programm des Mainzer Medien Disputs und der Gleichstellungsinitiative Pro Quote steht das Thema: "30 Prozent Frauen an den Schalthebeln der Medien-Macht - Führen Chefinnen zu einem besseren Journalismus?"

Spätestens seitdem die Initiative Pro Quote Ende Februar 2012 in einem offenen Brief an Chefredakteure, Intendanten und Herausgeber forderte, mindestens 30 Prozent der Führungspositionen in den kommenden fünf Jahren mit Frauen zu besetzen, ist die Quote ein Dauerthema. In den Medien.

Die Meinungsmacht liegt klar in Männerhand: Derzeit sind nur zwei Prozent aller Chefredakteure der rund 360 deutschen Tages- und Wochenzeitungen Frauen. Auch in der Süddeutschen Zeitung gibt es keine Quote, in der Chefredaktion der SZ sind die Männer unter sich, lediglich zwei von insgesamt 22 Ressortleitern sind weiblich.

Es gibt beileibe keinen Mangel an hochqualifizierten Anwärterinnen auf Chefposten im Journalismus: Rund 50 Prozent aller Journalisten sind heute Frauen. Mit Zahlen halten sich der Freitag-Herausgeber Augstein, seine vier Kollegen auf dem Podium und Moderator Thomas Leif vom SWR gar nicht lange auf. Auch die Allgemeinplätze sind schnell abgehandelt.

Erstens: Immer mehr Frauen strömen gut ausgebildet in den Beruf, besetzen Redakteursstellen - und kommen doch nicht zum Zug, wenn der Posten des Ressortleiters oder gar der Chefsessel neu zu besetzen ist. Zweitens: Die Männerrituale, die der Moderator als "Byzantinismus" in deutschen Redaktionsstuben geißelt, stehen im Gegensatz zum angeblich so rücksichtsvollen Führungsstil der Frau an sich. Und drittens: das ausgewogene Geschlechterverhältnis in Führungspositionen als Garant für eine Berichterstattung, die auch Frauen interessiert.

Um Gerechtigkeitsfragen geht es in der Debatte längst nicht mehr, dass es Ungleichheiten gibt bei der Rekrutierung von Führungskräften ist eine Binsenweisheit unter den Pro-Quote-Argumenten. Augstein, selbst Unterstützer der Initiative Pro Quote, will auch gar nicht als Frauenförderer missverstanden werden: "Mir geht es nur um die Zeitung, nicht um die Frauen." Ein Produkt müsse von Männern und Frauen produziert werden, um von Männern und Frauen gekauft zu werden - wirtschaftliches Überleben vor Gleichberechtigung.

Freier Wille oder Journalistinnenjagd?

Ähnlich abgekämpft kommentiert Spiegel-Redakteurin Elke Schmitter die Quoten-Debatte: "Quote nervt, ist lästig und antidemokratisch. Aber die Realität nervt auch, ist lästig und antidemokratisch." Schnell wird klar: Ein enthusiastisches Eintreten für die Quote oder Mitleid mit den Frauen sind auf dieser Veranstaltung nicht zu erwarten. Die Fakten liegen auf dem Tisch, alles ist gesagt, jetzt muss die Quote her. Da sind sich alle Journalisten auf dem Podium einig. Na ja, fast alle.

Alexander Görlach, Herausgeber und Chefredakteur des Online-Magazins The European, hat an diesem Abend eine Doppelrolle auszufüllen: Er ist Pausenclown und Quotengegner zugleich. Oder sagen wir besser: Quoten-Quotengegner. Denn es muss ja schließlich einen geben, der zumindest versucht, der Front aus Quotenbefürwortern Paroli zu bieten.

Görlachs Hauptargument gegen die Quote ist so alt wie die Debatte selbst: Stellen müssten nach Qualifikation und Leistung vergeben werden, nicht nach Geschlecht. Den Männerüberschuss in seiner Redaktion rechtfertigt der gebürtige Rheinhesse damit, dass er halt mehr Bewerbungen von Männern als von Frauen bekomme. Aber klar: Auch er hätte gern "'ne Lady mehr". "Wir werden nicht mit der Pistole durch Mitte tingeln und arbeitslose Journalistinnen jagen", sagt er. Ein Blick zu Augstein. "Ich kann's jetzt halt auch net ändern. Augstein ist der mit der Pistole, ich der mit dem freien Willen."

Nach anderthalb Stunden Diskussion meldet sich eine Frau im Publikum zu Wort und sagt, dass der Spagat zwischen Kindern und Beruf schwer zu bewältigen sei. Doch das bleibt nur ein Randaspekt. Ebenso wie die Geschlechterungerechtigkeit oder Lohnunterschiede bei gleicher Arbeit. Da gebe es längst einen breiten Konsens, dass das abgestellt werden müsse. Macht aber niemand. Den Rednern geht es inzwischen um mehr: Frauen in Führungspositionen sind besser für Auflage und Einschaltquoten.

Die Diskussion dreht sich jetzt um nicht weniger als den Überlebenskampf der Verlage und Zeitungen, um die Zukunft der Branche in Zeiten von sinkenden Auflagenzahlen, der nur mit Frauen zu gewinnen sei. Na ja, vielleicht nicht nur damit, dass mehr Frauen in Führungsrollen kommen. Die einbrechenden Anzeigenmärkte, die Konkurrenz des Internets könnten vielleicht auch etwas damit zu tun haben. Aber heute sind nun mal Frauen das Thema.

Auf eben diesen Zug springt Dagmar Engel auf, die Chefredakteurin der Multimediaredaktion der "Deutschen Welle". Am Schluss erhebt sie die geballte Faust und sagt, dass das wirtschaftliche Überleben der großen deutschen Tageszeitungen nur durch eine Frauenquote zu erreichen sei. Und verkündet, dass sie in Zukunft auch einen radikaleren Kurs fahren werde, wie Augstein es fordert.

Ihre Mitstreiter auf dem Podium hingegen wirken müde, allen voran Augstein. Auf die Frage des Moderators, was er denn jetzt twittern würde, sagt er: "Dass ich froh bin, dass es jetzt vorbei ist." Auf dem Podium und im Saal: Erleichterung. Gesagt ist ja jetzt alles.

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