Digitaler Kiosk:Lesen ohne Limit

All you can read für weniger als zehn Euro im Monat: Die News-Flatrate Readly hat jetzt neben Magazinen auch Tageszeitungen im Angebot.

Von Benedikt Frank

Soll ein Restaurant auch zu ungünstigen Zeiten ausgelastet sein, kann der Wirt "All you can eat" anbieten. Einmal bezahlen und dafür am Buffet grenzenlos reinschaufeln. Andere Lebensbereiche haben das Prinzip längst übernommen. Mit drastischen Folgen: Die Musik-Flatrates von Spotify und Deezer oder die Film- und Serienpakete von Netflix, Amazon und anderen haben die Gewohnheiten der Nutzer inzwischen radikal verändert. Zeitungsverlage verweigerten sich Pauschalpreisen - bisher. Denn jetzt will Axel Springer seine Zeitungen auf dem digitalen All-you-can-read-Buffet von Readly anbieten.

Readly ist ein digitaler Kiosk, an dem man für knapp zehn Euro im Monat unbegrenzt die teilnehmenden Zeitschriften lesen kann. Auch Magazine aus dem Hause Springer findet man dort, etwa die Ableger der Marke Bild für Sport und Computer. Tageszeitungen gab es bis jetzt aber nicht. Künftig soll man jedoch auch Bild, Bild am Sonntag, B.Z., Welt und Welt am Sonntag lesen können. Damit kommt der schwedische Internetdienst dem Apple-Konzern zuvor. Gerüchten zufolge will der sein eigenes "Netflix für Nachrichten" am kommenden Montag in den USA vorstellen.

Der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV) lehnte das Billig-Buffet für Tageszeitungen bisher als unwirtschaftlich ab. Zwar sei es sehr bequem für die Leser, sich für wenig Geld aus vielen Zeitungen bedienen zu können, die zahlreichen Redaktionen in Deutschland seien so allerdings nicht zu finanzieren, teilte der Verband mit. Nachdem bekannt wurde, dass Apple bei seiner geplanten News-Flatrate angeblich die Hälfte der Erlöse für sich behalten wolle, wurde Unmut unter Verlegern laut. Der BDZV-Präsident und Axel-Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner nannte die Konditionen für Verlage "inakzeptabel". Nun soll es also die Zeitungen seines Hauses mit einer Flatrate bei Readly geben. Dort gibt man sich als Gegner von Internetriesen wie Apple. "Ich sage den Verlagschefs, dass ich sie retten werde", erzählt Readly-CEO Jörgen Gullbrandson: "Denn von Readly erhalten sie 70 Prozent der Einnahmen, von Google, Amazon und Apple aber bleiben ihnen nur Brotkrumen."

Allerdings gehen die Springer-Zeitungen unter größter Zurückhaltung zu Readly. Zunächst geht es um einen auf sechs Monate begrenzten Test, teilt ein Sprecher des Konzerns mit. Es kann also schnell wieder Schluss sein, wenn sich die Sache für den Verlag nicht rechnet. So könnte man sich etwa selbst kannibalisieren, wenn bisherige Abonnenten zur Flatrate wechseln. Readly-Chef Gullbrandson versucht, die Bedenken der Verleger zu zerstreuen: "Üblicherweise überlappen sich die Abonnenten von Printmagazinen und die Nutzer unserer Plattform nur zu zwei bis drei Prozent." Wenig überraschend sieht er im Weg seines Unternehmens die Zukunft der Branche. Als Apple vor rund einem Jahr den ähnlich funktionierenden Onlinedienst Texture kaufte, sagt Gullbrandson, "haben wir die Nachricht im Readly-Vorstand mit Champagner gefeiert". Wenn eine der größten Firmen der Welt in Magazin-Flatrates investiert, muss etwas dran sein. Den gegenwärtigen Magazinmarkt vergleicht er mit dem Musikmarkt vor zehn Jahren, als der CD-Verkauf einbrach, sich Musikflatrates aber noch nicht etabliert hatten. "Ich hoffe, dass wir den Magazinmarkt schneller verändern können", sagt Gullbrandson, "damit weniger Verlage bankrottgehen, bevor sich der digitale Verkauf für sie lohnt." Allerdings zielen Zeitschriften meist auf hochspezialisierte Nischen und sie erscheinen nicht täglich. Kann sich die Flatrate auch für die thematische Wundertüte Tageszeitung rechnen? Von Erlösungsstimmung in Zeiten der Krise ist auf Verlegerseite wenig zu hören. Beim BDZV begrüßt man zwar Experimente einzelner Verlage mit neuen Vertriebswegen, eine Zukunft, in der es eine Flatrate für alle Zeitungen gibt, sieht man beim Verband allerdings nicht.

Zeitungsmacher werden den Springer- Testballon aufmerksam beobachten, aber gut abwägen, ob sie einsteigen. Für den Erfolg dürfte schließlich auch der Inhalt eine Rolle spielen. Im digitalen Kiosk von Readly, zwischen Klatschmagazinen und TV-Zeitschriften, könnten Boulevardmagazine besser aufgehoben sein als lokale und überregionale Tageszeitungen, deren Abonnenten sich stark an ein Medium binden. Den Appetit auf ein Essen im Stammrestaurant wird wohl auch das billige All-you-can-eat-Buffet bei der Konkurrenz nicht stillen können.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: