"Die Vroni aus Kawasaki":Do legst di nieda

"Die Vroni aus Kawasaki": Maria und Otto Huber (gesprochen von Gisela Schneeberger und Michael Ostrowski) werden bald ein Töchterchen bekommen: die Vroni.

Maria und Otto Huber (gesprochen von Gisela Schneeberger und Michael Ostrowski) werden bald ein Töchterchen bekommen: die Vroni.

(Foto: tonari/NHK Enterprises)

Gerhard Polt hat mit anderen humoraffinen Mitstreitern eine japanische Kultseifenoper synchronisiert. In derbstem Bairisch.

Von Christine Dössel

Auch die Japaner schimpfen manchmal drauflos, so höflich sie auch sind und ihre Sprache klingt. Mit dem Wort baka zum Beispiel (バカ) wird der Idiot oder Dummkopf bezeichnet; kuso (クソ), ein "vulgärer Affix zur Verstärkung", dient dem Wettern und Fluchen (siehe "Japandigest"). Wenn den meist sehr freundlichen japanischen Mündern jedoch plötzlich ein "Sakra!", "Zefix!" oder "Scheißdreck!" entfährt und ein vom Stuhl kippelndes Schulkind "Kruzifünferl!" ruft, ist das erst mal irritierend und einigermaßen gewöhnungsbedürftig. Genauso wie die japanische Schwangere, die "Mi zreißt's glei!" stöhnt oder die inflationäre Verwendung der Gattungsbezeichnung "Depp", spezifiziert mitunter in Spezialzuschreibungen wie "Gschwollschädel" oder "Zipflklatscher". Kann schon sein, dass das manch einer im Nippon-Kontext peinlich findet. Man schämt sich ja sonst nicht. Es ist auf eine gscherte Weise aber vor allem: ziemlich lustig. Blöder Klamauk, also ein totaler Schmarrn, ist es jedenfalls nicht. Auch keine Verarschung. Eher ein Stück mit V-Effekt: In Die Vroni aus Kawasaki wird tatsächlich eine Geschichte aus Japan erzählt, nur eben mit teils sehr derben bayerischen O-Tönen.

Es handelt sich um die Comedy-Synchronisation einer Familiensoap mit dem Originaltitel Hanbun, Aoi. Der Humorspezialist Gerhard Polt hat sie mit spaßaffinen Mitstreitern wie Gisela Schneeberger, Christian Tramitz, Michael Ostrowski oder Benedikt Weber so lippensynchron wie möglich in Dialektform übertragen. Zumindest zehn Folgen dieser insgesamt 156-teiligen Kultseifenoper haben sie jetzt mal eingesprochen. Ausgestrahlt werden sie vom 14. Mai an bei Servus TV, dessen Intendant Ferdinand Wegscheider so begeistert von dem Format ist, dass er selber eine Gastrolle spricht. Schon jetzt sind alle zehn Minifolgen (je 15 Minuten) auf ServusTV On zu sehen, der Mediathek des österreichischen Senders.

Die Serie, gedreht 2018, beginnt in den Achtzigern und zieht sich bis in die Nullerjahre, erzählt damit auch vom Aufbruch des alten Japans in die technische Moderne. Als Gerhard Polts Sohn Martin sie bei einem Japan-Aufenthalt im Hotel sah und kein Wort verstand, überlegte er sich bei den Szenen, was die Figuren wohl auf Bairisch sagen würden. So kam ihm die Idee der Dialekt-Synchro. Die eingebayerte Vroni heißt im Original Suzume und lebt gar nicht in Kawasaki, sondern in einem Städtchen in der Präfektur Gifu, dessen dörflichem Charakter man durchaus alpenländische Reize abgewinnen kann. Auch der Fluss dort geht als Isar durch. Und ist der Himmel, dessen Wolken die mangazeichnerisch begabte Vroni so gerne mit Fantasiegestalten ausmalt, nicht eindeutig weiß-blau? "Halbblauer Himmel" heißt der Serientitel Hanbun, Aoi übersetzt.

Die japanische Küche serviert Krautwickel, Germknödel. Und Polt ein kulinarisches Intro

Während das Original die Protagonistin über Jahrzehnte begleitet, erzählen die zehn Episoden der Vroni aus Kawasaki erst mal nur von der Geburt und Kindheit der Titelheldin. Die ist "a wuide Henna", also ein sehr aufgewecktes Kind, das schon im Mutterbauch zu sprechen anfängt (mit der Synchronstimme von Eva-Maria Reichert) und sich einer deftigen Ausdrucksweise bedient: "Ja leck!". Der Apfel fällt da nicht weit vom Stamm. Auch die Eltern, der Huber Otto und seine Maria, formulieren sehr robust (der Österreicher Michael Ostrowski und die immer so schön münchnerisch gschnappige Gisela Schneeberger sind eine Freude), und der Opa (Polt) sowieso. Da sie eine Gastwirtschaft betreiben, ist sehr viel vom Essen die Rede. Wobei es ein Schmankerl für sich ist, wie die japanische Küche hier bayerisch ausinterpretiert wird, von Krautwickel bis hin zu Germknödel und Blunzengröstl. Es beginnt auch jede Episode mit einem satirischen Polt-Intro, in dem er mit bairisch-bräsiger Polt-Penibilität nichts weiter als die Verköstigung auf einer Asienreise schildert - und damit ganze Überheblichkeits-Cluster freilegt.

Neben der Huber-Wirtschaft ist das örtliche Krankenhaus ein Hotspot, wo das Personal eher sächselnd unterwegs ist und am selben Tag wie die Vroni auch der Rudi geboren wird, ihr Lebensfreund. Der ist ein ganz ein Gscheiter, nämlich hochbegabt, und aus besserem Hause. Aus einem noch besseren kommt der dicke Bene. Die Spiele und Konflikte der drei, samt Einblick in ihre Familien, sind das Thema. Mehr ist das nicht, daher gibt's auch erzählerische Flauten; der Plot wird von Polt und den Seinen beibehalten. Aber gerade die Längen, die zusätzlich noch dadurch entstehen, dass das Japanische viel mehr Worte macht, nutzt der Synchronisierungstrupp für eigene Ausgestaltungen. Man spürt die Freude dabei. Die Anarcho-Lust, sich nichts zu scheißen, schon gar nicht um politische Korrektheitsvorsicht. Gut so.

Aber es geht hier ohnehin vieles zusammen, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört. Japan kommt einem plötzlich sehr bayerisch vor und die Welt wie ein Dorf unter einem einzigen weiß- oder halbblauen Himmel. Das hat auch etwas Völkerverbindendes. Allerdings bleibt der Großteil der Menschheit dann doch ausgeschlossen: Wer die Fremdsprache Boarisch nicht beherrscht, der versteht nix - und kann sich schleichen.

Die Vroni aus Kawasaki, auf Servus TV On.

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