Es ist 1986. In der Nachrichtenredaktion eines australischen Fernsehsenders versucht der junge Reporter Dale Jennings (Sam Reid) in aller Eile einen Einspieler für die Nachrichten abzudrehen, während im Studio seine Kollegin Helen Norville (Anna Torv) zusammen mit dem alternden Platzhirsch Geoff Walters (Robert Taylor) die Tagesachrichten moderiert. Helen ist dort, wo Dale hinmöchte, repräsentiert alles, was er gerne sein möchte: Sie ist souverän, talentiert und kompetent, gleichzeitig fliegen ihr die Herzen der Zuschauer zu. Sie scheint - anders als Dale - für die Arbeit vor der Kamera gemacht zu sein.
Abseits der Kameras jedoch ist Helen emotional instabil und wird immer wieder von Angstattacken geplagt, die sie mit einer großzügigen Menge Tabletten selbst therapiert. Als Helen nach einer Auseinandersetzung mit dem cholerischen Chefredakteur Lindsay (William McInnes) gefeuert wird, nimmt sie eine Überdosis. Dale findet sie, und aus einer rein beruflichen Beziehung entwickelt sich mehr.
Die Beziehung zwischen Dale und Helen bleibt - das gibt es nicht oft - über die knapp sechs Stunden spannend, die alle Folgen der Serie Die Newsreader addiert dauern. Das liegt daran, dass es eine unwahrscheinliche Beziehung ist: Die sexuelle Chemie zwischen Hauptdarsteller und Hauptdarstellerin erscheint sehr gering, was vor allem an Dales sexueller Ambiguität liegt: Er scheint Helen aufrichtig zu lieben, gleichzeitig fühlt er sich zu Männern hingezogen und verzweifelt daran an manchen Stellen. Diese Zweifel und Verzweiflung spielt Sam Reid beeindruckend.
Eine großartig besetzte Ensemble-Serie mit gesellschaftlicher Relevanz
Die Newsreader ist eine großartig besetzte Ensemble-Serie: Reid, der 2022 in der Neuauflage von Interview mit einem Vampir reüssierte, und Anna Torv, zuletzt zu sehen als Tess in The Last of Us, spielen außergewöhnlich gut geschriebene, mehrdimensionale Charaktere in einem komplexen Beziehungsgeflecht. Erdacht und geschrieben hat die Serie Michael Lucas, Regie führte Emma Freeman. Mit Die Newsreader gelingt den beiden nicht nur ein gekonnt inszeniertes Drama, sondern auch ein gelungenes Gesellschaftspanorama der Achtzigerjahre.
Helen kämpft nicht nur mit ihren Angstattacken, sondern auch gegen gesellschaftliche Realitäten, die sich in der Arbeitswelt widerspiegeln. Ihre Versuche, das Leid von HIV-Infizierten und Aidskranken oder die Perspektive von Aborigines zum Thema der Sendung zu machen, werden immer wieder blockiert. Außerdem sieht sie sich als junge, erfolgreiche Frau dem Neid von Co-Nachrichtensprecher Geoff und der Übergriffigkeit von Chefredakteur Lindsey ausgesetzt - der in manchen Szenen sogar bedrohlich wirkt, wenn es bei bösen Vorahnungen bleibt. Wenn sie die Realitäten der Arbeitswelt lange vor #Aufschrei und #MeToo thematisieren, beschränken sich die Macher der Serie darauf, die Dinge ungeschönt, unaufgeregt und ohne Wertung zu zeigen. Sie setzten auf mündige Zuschauer, die Homophobie, Rassismus und Frauenfeindlichkeit selbst erkennen und einordnen. So viel Vertrauen tut gut.
Die kleinen und großen Nachrichten des Jahres 1986 - darunter der Challenger-Absturz und die Tschernobyl-Katastrophe - spielen für den Serienverlauf eigentlich nur insofern eine Rolle, als dass sie von den Journalisten als berufliche Chancen begriffen werden. Anders ist das im Falle der Aids-Krise, die das zentrale Thema der fünften Folge ist. Zum einen ist Dale hier indirekt betroffen, zum anderen wird den Zuschauern in dieser Folge die diffuse Angst vor Aids und die Feindseligkeit und Mitleidslosigkeit gegenüber Schwulen vor Augen geführt, die in den Achtzigern herrschten. Draußen in der Welt - und auch im Fernsehstudio.
Von 2. Februar an um 23.50 Uhr auf Arte, alle Folgen in der Mediathek.
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