Süddeutsche Zeitung

"Die Ketzerbraut" auf Sat 1:Die Wanderhure heißt jetzt Ketzerbraut

Aber der Edelmut, den die arme Heldin in Lumpen unter ihrem bebendem Busen trägt, bleibt gleich. Sat 1 versucht, an den Erfolg der "Wanderhuren"-Trilogie anzuknüpfen.

TV-Kritik von Karoline Meta Beisel

Die Wanderhure ist wieder da. Sie heißt jetzt allerdings Die Ketzerbraut. Die Grundkonstruktion der Geschichte ist jedoch dieselbe: Im Mittelalter wird einer schönen, jungen Frau aus gutem Hause übel mitgespielt. Sie wird vergewaltigt und geschlagen, verliert ihre edlen Gewänder - aber nicht ihren Mut. Fortan geht sie ihren für Mittelalterverhältnisse erstaunlich selbstbestimmten Weg eben in Lumpen weiter, nur dass die im Film immer sehr viel hübscher um den bebenden Busen der Heldin drapiert sind als Lumpen im echten Leben.

Die Ketzerbraut und die Wanderhure sind nicht zufällig artverwandt. Zum einen holen deutsche Fernsehsender diese Frauenfigur gern hervor, wenn sie aussehen wollen wie die US-Erfolgsserie Game of Thrones, weitere Vertreterinnen sind etwa Marthe aus dem ARD-Film Das Geheimnis der Hebamme und Die Pilgerin (ZDF).

Die Verwandtschaft geht aber noch weiter: Beide Geschichten basieren (wie auch Die Pilgerin) auf Bestsellern von Iny Lorentz, ein Pseudonym des Autoren-Duos Iny Klocke und Elmar Wohlrath, wenn auch mit leicht abgewandelter Handlung. Und wie bei der erfolgreichen Wanderhure-Film-Trilogie führte Hansjörg Thurn auch bei dieser aufwendigen Produktion Regie.

Was die Ketzerbraut von der Wanderhure unterscheidet, ist ihre Verankerung vor historischem Kontext, der Reformation, die sich in diesem Jahr zum 500. Mal jährt. Die Hauptfigur ist die Kaufmannstochter Veva, die verwirrenderweise auch noch von derselben jungen Schauspielerin verkörpert wird wie im vergangenen Jahr die ARD-Hebamme, von Ruby O. Fee. Veva jedenfalls gerät auf der Reise zu ihrer arrangierten Verlobung in einen Hinterhalt und wird gefangen genommen. Als sie nach langer Tortur in ihre Münchner Heimat zurückkehrt, hilft ihr ein Jugendfreund wieder auf die Beine. Der unterstützt Luthers Thesen und verteilt Flugblätter gegen den Ablasshandel der katholischen Kirche, die Jagd auf einen geheimnisvollen maskierten Ketzer macht.

Auch in anderer Hinsicht ist Vevas Freund Ernst (Christoph Letkowski) ein fortschrittlicher Geselle: Er malt nackte Frauen, auch Veva. "Ich will, dass du mir jeden Pinselstrich sagst, den du tust", sagt Veva, was die Modell-und-Maler-Variante von Dirty Talk sein dürfte. Jedenfalls drückt Ernst danach voller Hingabe seinen feuchten Pinsel aufs trockene Papier.

Die interessanteste Figur in der Geschichte ist aber Walpurga von Gigging, die ebenfalls scheinbar voller Inbrunst Ketzer aufstöbert, eigentlich aber ein Opfer ihrer Umstände ist. Gespielt wird sie von Elena Uhlig als angsteinflößende Wuchtbrumme mit Lockenperücke und einem Kostüm, das an die putzigen Outfits der Gummibärenbande erinnert.

"Soll ich dir nicht doch einen Medicus holen?", fragt Ernst die misshandelte Veva kurz nach ihrer Rückkehr in die Stadt. Aber Veva braucht keinen Arzt, sagt sie. Logisch eigentlich: Immerhin war sie ja mal Hebamme.

Die Ketzerbraut, Sat 1, 20.15 Uhr.

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SZ vom 14.02.2017/cag
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