Mit Geschichten aus düsteren Vorzeiten hat Sat 1 in den vergangenen Jahren sehr undüstere Erfahrungen gemacht, weshalb es nur verständlich ist, dass der Privatsender schon im Presseheft zur Hebamme den "nahtlosen" Anschluss an "die großen historischen Sat-1-Events" beschwört. Und trotzdem ahnt man dort vermutlich, dass sich der ja vor allem irre Erfolg der Wanderhure (fast zehn Millionen Zuschauer, erfolgreichster Sat-1-Film aller Zeiten, zwei Fortsetzungen) nicht so einfach wiederholen lassen wird. Schon weil es kaum möglich sein dürfte, jemals wieder einen so vielversprechenden Filmtitel zu erdenken.
Die Schauspielerin Josefine Preuß soll nun nahtlos anknüpfen an den langen Leidensweg der Alexandra Neldel, die als von Familie und allen guten Geistern verlassene Marie über drei Teile hinweg unter Einsatz ihres leicht bekleideten Körpers im finsteren Mittelalter um ihre Ehre kämpfen musste. Das ist insofern hübsch, weil Josefine Preuß auch die Hauptrolle spielte, als das ZDF vor ein paar Monaten im Weihnachtsprogramm etwas verspätet seinen Teil vom historischen Quotenwunder abhaben wollte und auch einen Roman des Wanderhuren-Autorenduos mit dem Kunstnamen Iny Lorentz verfilmte. Preuß gab Die Pilgerin, auch eine Frau auf verzweifelter Wanderschaft, nur ohne Sex.
Hantieren mit der Geburtszange
Die Geschichte der Hebamme nun spielt sehr viel später als die der Wanderhure - im 18. Jahrhundert. Josefine Preuß ( Türkisch für Anfänger) ist Gesa Langwasser, die mit 19 Jahren nach Marburg kommt, um sich zur Hebamme ausbilden zu lassen. Sie zieht ins Gebärhaus, wo unverheiratete Frauen versorgt werden, weil die sich hervorragend als Studienobjekte für junge Ärzte eignen. Professor Kilian (Axel Milberg) lässt seine Studenten in aller Ruhe mit der Geburtszange hantieren, auch wenn sie am Ende kein lebendiges Kind mehr erwischen. Ja, liebe Nachgeborene, so schrecklich war das damals.
Gemischt wird die Story von den grausamen Anfängen der medizinischen Forschung mit einer Kriminalgeschichte. All die vielen Selbstmörder, die im Institut des schönen Anatomen Clemens (Andreas Pietschmann) in Gläsern auf dem Regal stehen, sind offenbar viel weniger freiwillig gestorben als gedacht. Und natürlich ist es die pfiffige Gesa, die den Richter darauf bringt, die Stadt nach einem Mörder zu durchsuchen.
Aus solchen Zutaten wird kein Kunstfilm, so wie auch die Romanvorlage von Kerstin Cantz ins eher leichte Unterhaltungsfach gehört. Das macht aber nichts, weil Die Hebamme von Produzent Oliver Berben genau als das funktioniert, was sie auch sein soll: als sehr gelungenes Popcornfernsehen. Die Geschichte ist ein bisschen spannend, ein bisschen romantisch, ein bisschen ekelig, prominent besetzt und mit großem Aufwand (Kunstblut, Bauschaum-Leichen) produziert. Und vor allem: immer düster.
Die Hebamme , Sat 1, 20.15 Uhr.