Süddeutsche Zeitung

"Die Guantanamo-Falle" im NDR:Kumpel Murat

Sein Schicksal berührt: Fünf Jahre hat Murat Kurnaz unschuldig in Guantanamo gesessen. Nun greift die NDR-Produktion "Die Guantanamo-Falle" seine Geschichte auf. Reinhold Beckmann stand dem Ex-Gefangenem bei der Aufführung des Films in Hamburg beiseite und zeigte, wie gut es sein kann, mit seinem Thema vertraut zu sein.

Jens Schneider

Reinhold Beckmann sitzt neben Murat Kurnaz. Beide sind an diesem Donnerstagabend ins Hamburger Abaton-Kino gekommen, um für den Norddeutschen Rundfunk (NDR) den Film Die Guantanamo-Falle vorzustellen. Niemand kann übersehen, dass Beckmann, der seit mehr als zehn Jahren im Ersten die Talkshow Beckmann betreibt, Sympathie für Kurnaz hat. Er duzt ihn, in einem Ton wie unter Freunden. Er ist nicht nur an seiner Seite, er ist auf seiner Seite. Sie kennen sich aus dem Fernsehen, Kurnaz war zweimal bei Beckmann.

Fünf Jahre hat Murat Kurnaz unschuldig im Gefangenenlager Guantanamo gesessen. Sein Schicksal berührt. Beckmann zählt zu Moderatoren, die Vertraulichkeit als stilistisches Mittel einsetzen: nicht unkritisch, aber stets verbindlich. Der Regisseur Thomas Wallner erzählt von drei Menschen, die durch Guantanamo so erschüttert wurden, dass sie das Lager nicht mehr los werden. Das sind außer Kurnaz noch Lieutenant Commander Matt Diaz und Diane Beaver. Diaz schmuggelte eine Gefangenenliste aus dem amerikanischen Marinestützpunkt auf Kuba und verspielte so Karriere und Existenz. Juristin Beaver legte ein Dossier für Guantanamo an, das zur Arbeitsgrundlage wurde, denn es legte fest, welche brutalen Verhörmethoden wohl erlaubt sein könnten. Ihre selbstgerechte Rückschau treibt die Dokumentation an.

Nach Ende des Films zeigte Beckman dann, wie gut es sein kann, mit seinem Thema vertraut zu sein. Ihm war aufgefallen, dass Wallners-Darstellung in einer wichtigen Episode ungenau ist: Eine Menschenrechtsanwältin wird in ein schlechtes Licht gerückt. Das verblüffende daran war nun, wie wenig peinlich das dem Regisseur zu sein schien.

Beckmann fragte Kurnaz, wie es ihm nach der Filmvorführung gehe. Was sollte Kurnaz sagen? Also half Beckmann nach. Er erzählte, dass für Kurnaz die eigene Mutter eine Heldin sei. Er kritisierte, dass sich die Bundesregierung nie bei Kurnaz entschuldigt habe. Das Thema Schadenersatz wurde angerissen und die Stimmung in den USA ausgelotet. Spannende Fragen stellte das Publikum im Kinosaal, das zum Beispiel wissen wollte, wie der Regisseur es schaffte, das Vertrauen Diane Beavers zu gewinnen, die Guantanamo freimütig rechtfertigt? Man konnte dabei auch ein bisschen über die Kunst des Befragens durch Schweigen und Distanz lernen. Und als Schluss war, empfahl Beckmann, Schlange zu stehen. Murat Kurnatz werden Exemplare seiner Bücher signieren, draußen, vor der Tür.

NDR, 3. September, 23 Uhr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1135521
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.08.2011/cris/pak
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.