"Die Band" mit Samu Haber:"Die Vorschläge vom Jobcenter haben mich nicht geflasht"

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Vom Sympathieträger bei The Voice zum "Coach" bei Die Band: Samu Haber mit Kandidaten seiner neuen Castingshow. (Foto: obs)

Der Rock 'n' Roll ist tot. In der neuen Pro-Sieben-Castingshow "Die Band" gilt: Effizienz vor Exzess. Samu Haber erklärt, worauf es im Musikbusiness ankommt.

Von Johanna Bruckner

Wer nur aufs Partymachen aus ist, hat eine falsche Vorstellung vom Musikbusiness. Das macht Samu Haber gleich zu Beginn klar: "Heutzutage Rock 'n' Roll ist nicht wie die 80er, Rock 'n' Roll, Whisky, whatever. Musikerjob ist wie ein Job ein bisschen auch." Als Sänger der Band Sunrise Avenue wurde der Finne berühmt. Für seinen Akzent wird er vom deutschen, Castingshow-affinen Publikum geliebt. Ein "r" klingt bei ihm wie drei, bisschen wie "bischchen", dazu streut er englische Vokabeln ein. Artikel? Who cares. Haber ist musikalischer Dienstleister, er gibt den Leuten, was sie hören wollen. "Wir können nicht getrunken die Shows spielen oder singen."

Effizienz vor Exzess - das Prinzip von Die Band wäre damit erklärt. Nachdem Haber bei The Voice of Germany Sympathieträger Nummer eins in der Jury war, hat ihm Pro Sieben nun eine eigene Musikcastingshow anvertraut. Das Konzept: 20 Musiker - jeweils vier Sänger, Bassisten, Drummer, Gitarristen und Keyboarder - werden nach Barcelona gekarrt (klingt vermutlich glamouröser als Köln Mülheim), wo sie eine fünfköpfige Band formen sollen. Eigenständig, ohne Jury, ohne Zuschauer. Jede Woche wählt die Gruppe selbst zwei Mitglieder raus. Das ist die "echte Geschichte vom Suchen und Finden einer Band", kommentiert die Off-Stimme.

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Eine Revolution des Castingfernsehens ist das aber nicht, Pro Sieben installiert eine Scheindemokratie: Die 20 Kandidaten wurden vorab von der Produktionsfirma ausgewählt, viele haben bereits als professionelle Musiker gearbeitet. Soll ja nichts schiefgehen. Die potenziellen Bandmitglieder wissen dann auch, dass sie hier in erster Linie Projektionsfläche und in zweiter Linie Musikerdarsteller sind.

Außen Rocker, innen Weichei

Sängerin Felicitas bezeichnet sich im Einspieler als Perfektionistin, erzählt, dass sie als Kind Pocahontas sein wollte, auf ihre Ernährung achtet, und Leute nicht mag, denen die Umwelt egal ist. Und Matthias, genannt "Engst", trägt zwar Hipster-Rock-Chic - Tunnel in den Ohren, Tattoos auf den Armen, Vollbart -, schränkt dann aber selbst ein: "Ich bin ein Weichei." Später lässt er sich vom Rest der vorgecasteten Truppe dafür feiern, dass er unten ohne im Pool plantscht. Der Rock 'n' Roll ist tot, es lebe die Erwartbarkeit.

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Da freut man sich schon fast über Sätze wie diesen von Sängerin Laura, die nach eigener Aussage ein gutes Abitur hat, momentan aber von Hartz IV lebt: "Die Vorschläge vom Jobcenter haben mich nicht so geflasht, ehrlich gesagt." Samu Haber wird später über Laura sagen: eine "Lady mit Eiern". Nun ja, was dem einen fehlt, hat eben die andere - so soll das ja sein in einer Band.

Wobei Solidarität erst einmal nichts zählt. Stattdessen gilt das harte marktwirtschaftliche Gesetz der Nachfrage: Die drei Sängerinnen und ein Sänger müssen jeweils einen Song vortragen. Im Anschluss sollen sich die restlichen Musiker hinter dem Kandidaten auf der Bühne aufstellen, mit dem sie am ehesten in einer Band spielen möchten. Wie schon damals im Sportunterricht steht am Ende eine allein da. Jennifer, die im Einspieler gesagt hatte: "Ich möchte, dass die Menschen nicht den Glauben an die Liebe verlieren."

Es erbarmt sich dann doch jemand - Tränen zu diesem frühen Zeitpunkt würden ja auch die Dramaturgie kaputt machen, schließlich steht der entscheidende Auftritt noch bevor. Die Kandidaten formieren sich erstmals zu vier Bands und proben fleißig für einen Gig vor 200 Zuhörern (ob die auch aus Köln Mühlheim eingeflogen wurden, wird leider nicht aufgelöst). Weil das allein langweilig wäre, schaut zwischendurch Jamie Cullum vorbei, macht ein paar Improvisationsübungen und Selfies mit den Keyboardern. Und Gitarrist Eugen darf sich selbst dabei filmen, wie er zurück nach Deutschland fliegt, um noch fix sein Abi zu schreiben. Zitat: "That's Rock 'n' Roll." Äh, nein.

Ist aber auch egal, so lange die Musik danach klingt, und das tut sie. Band eins singt eine Rockversion von Lordes "Royals". Band zwei ein Rockversion von Ellie Gouldings "Love Me Like You Do". Band drei eine - Überraschung - Punkrockversion von Sam Smiths "Stay With Me". Und Band vier eine - Achtung, jetzt wird's total crazy - Funk-Rock-Version der Ronson-Mars-Kollaboration "Uptown Funk".

"Fuck die Henne!"

Das alles ist musikalisch durchaus anständig gemacht, aber Gefühl kommt - ganz anders als bei The Voice - keines rüber. Vielleicht liegt es daran, dass bei Die Band die Inszenierung im Vordergrund steht. Da sitzen junge Männer in geschlossenen Räumen mit Sonnenbrille da, um ihre Köpfe tanzen Sprechblasen mit ihren Namen. Und die Gitarristen dürfen zur Belohnung für eine gelungene Performance auf einem Speedboot rocken. Wie sagt Kandidatin Johanna B. so schön: "Fuck die Henne!"

Am Ende der ersten Sendung müssen übrigens Keyboarder Edwin und Gitarristin Johanna E. gehen. Selbstverständlich nach demokratischer Abstimmung per Strichliste. Es fließen ein paar Tränen, wie das eben so ist in einer Castingshow am Entscheidungstag. Aber die Geschassten bleiben in der Rolle. Edwin sagt: "Ich wollte einfach nur danke sagen für die schöne Woche hier." Und als Johanna E. von Samu Haber gefragt wird: "War es geil?", sagt die: "War geil!"

Das sind professionals, das ist das business. Oder wie es Haber formuliert: "Das Bandleben ist schöän, wenn alles ist schöän, aber wir haben auch ein bischchen Bandcrisis gehabt. Es war ein bischchen smutzig, und hart. Für mich: sehr hart. Aber, so ist das Bandleben."

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