Süddeutsche Zeitung

Deutschland sucht den Superstar:Der einzige Star von DSDS ist die Show selbst

Prince Damien siegt bei "Deutschland sucht den Superstar". Die Finalshow zeigt eindrucksvoll, dass es völlig egal ist, wer am Ende gewinnt. Denn es geht um alles - nur nicht um Musik.

TV-Kritik von Felix Reek

Das Licht senkt sich im ISS Dome Düsseldorf. 13 000 Zuschauer. Martialische Chöre. "Die erfolgreichste Musikshow der Welt", sagt der Sprecher aus dem Off. Und als wäre diese Erkenntnis nicht schon traurig genug, stürmen die Top-Ten-Kandidaten von Deutschland sucht den Superstar die Bühne und vergehen sich an "1999" von Prince. "No Limits", ruft der Sprecher, das Motto der aktuellen Staffel. "Grenzenlos unterhaltsam ... Hier ist Oliver Geissen!" Ein Paradoxon an sich.

Drei Stunden später hat Deutschland sucht den Superstar seinen 13. Gewinner gefunden. Er heißt Prince Damien und ist ein hibbeliger junger Mann mit aufgeklebten Nieten auf der Augenbraue. Das ist bereits das Bemerkenswerteste an ihm. Erinnern Sie sich noch an seine Vorgänger? Keine Sorge, der Rest der Welt auch nicht. Die meisten von ihnen beschallen mittlerweile Stadtfeste und Kaufhauseröffnungen. Prince Damien wird ihnen bald nachfolgen.

Die Charaktere sind immer die gleichen

Das klingt grausam, ist aber das Konzept des Formats. Der einzige Star von DSDS war schon immer die Show selbst. Die Teilnehmer sind nur formbare Hüllen, die der Sender mit Inhalt füllt. Der Eindruck, dass jedes Mal die gleichen Stereotypen teilnehmen, ist gewollt. Die Rockröhre, der Ausgeflippte, der Bodenständige. Sie sind neben Dieter Bohlen die Konstanten der Show. Und da ist natürlich sein Ausspruch: "Hammer!" Der erste fällt bereits nach einigen Minuten auf den verbalen Amboss: "Die Kulisse sieht Hammer aus!" Dazu dieses Bohlen-Meckern, das klingt, als zermahle sein Dauergrinsen ein Eichhörnchen zwischen den gebleachten Zähnen.

Von der Austauschbarkeit der Kandidaten kann die Hammer-Kulisse nicht ablenken. Die Niederländerin Laura van der Elzen (die Rockröhre) ist das weibliche Stimmwunder, deren Schicksal es seit Juliette Schoppmann (Staffel eins) ist, im Finale zu verlieren. Bereits mit zwölf Jahren nahm van der Elzen in ihrem Heimatland an der Talentshow "My Name is ..." teil. Seitdem tingelt sie als Countrysängerin durch Europa. Zur Einstimmung zeigt RTL ihren Besuch bei Sylvie Meis. Die Exil-Holländerinnen müssen schließlich zusammenhalten. Also grinsen sie um die Wette, dass dem Zuschauer allein vom Zusehen die Mundwinkel schmerzen.

Alles ist "geil" und "überragend"

Musikalisch ist van der Elzen mehr Gouda als Gruyère. Auf einem Bürotisch stehend singt sie Dolly Partons "9 to 5". Die Background-Tänzer wirbeln in Business-Kostümchen um sie herum und werfen die Hände in die Luft. Das Urteil der Jury zu ihrem Auftritt lässt sich getrost überspringen. Spätestens ab den Live-Shows ist alles "geil", "überragend" und natürlich "Hammer". Es gilt, die Illusion zu erhalten. Sonst würde noch auffallen, dass hier Menschen von einer Musikkarriere träumen, die nur mittelmäßig begabt sind. Laura hüpft trotzdem vor Freude wie ein Flummi auf und ab. Wer könnte es ihr verübeln. Mit H.P. Baxxter sitzt einer in der DSDS-Jury, der es geschafft hat, mit ein paar in ein Megafon gebrüllten Worten Millionen Alben zu verkaufen.

Das Gegenprogramm zu ihrem Cowboyhut-Auftritt ist Rastafari Thomas Katrozan (der Bodenständige). Laut Bohlen der letzte verbliebene "No Limits"-Teilnehmer. Eine schöne Umschreibung dafür, dass Deutschland sucht den Superstar die Republik in den letzten Jahren leergecastet hat. Also wurden schlicht die Alters- und Genregrenzen aufgehoben, um die Show voll zu bekommen. So hat es Katrozan, 35 Jahre, gelernter Tontechniker, Haare bis zu den Knien, ins Finale geschafft. Vor den Witzen Geissens schützt ihn das nicht. "Riech' ich hier eine süßliche Wolke?", sagt der nach seiner Interpretation von 10cc's "Dreadlock Holiday". Bohlen legt noch einen drauf: "Dieser Mann passt in kein Rasta." Sie verstehen? Rasta. Wie Raster. Ha. Ha. Ha.

Immer dann, wenn der Fernsehzuschauer glaubt, es könne nicht schlimmer werden, kommt Florian Silbereisen um die Ecke. Prince Damien (der Ausgeflippte), weder musikalisch noch verwandtschaftlich verbunden mit dem kürzlich verstorbenen Popstar, besucht in einem Einspieler den Moderator beim "Fest der Feste". Ein junger Mann mit Irokesenhaarschnitt, Nietenaugenbraue und Migrationshintergrund in der konservativen Welt der Volksmusik. Das ist subversiver als alles, was das Finale von DSDS zu bieten hat.

Auf der RTL-Bühne im ISS Dome singt Damien hingegen brav James Bays "Let It Go". Die Reaktion des Publikums in der Halle zeigt überdeutlich, wer am Ende gewinnen wird. Rastafari Thomas Katrozan kann das zu diesem Zeitpunkt bereits egal sein. Nach etwas mehr als einer Stunde ist er ausgeschieden. Bei Dreadlocks bis zum Knie sind die "No Limits" der RTL-Zuschauer offenbar überschritten.

"Der erfolgreichste Komponist unserer Zeit"

Von da an zieht sich die Show wie ein "Modern Talking"-Abend in der Dorfdisco. Rückblick, Schnelldurchlauf, bitte rufen Sie an, Werbung. Rückblick, Schnelldurchlauf, bitte rufen Sie an, Werbung. Eine Endlosschleife wie Bill Murray in "Und täglich grüßt das Murmeltier". Musik gibt es auch. Die schlechtesten Kandidaten der diesjährigen Staffel. Ein Mädchen in einem pinken Etwas, das ihre Brüste nur mühsam zurückhalten kann, gröhlt: "Caaaaafffeeeee Latttteeee. Caaaaafffeeeee Latttteeee. Den hab ich mir verdient." YouTube-Star Kazim Akboga jodelt: "Is' mir egal". Ein geschickter Schachzug, um allmählich zu Dieter Bohlens Siegersong überzuleiten. Danach muss alles wie eine musikalische Wohltat klingen.

Der Sprecher tönt wieder aus den Boxen der Halle. Das Lied sei "von einem der erfolgreichsten Komponisten unserer Zeit", verkündet er mit gehörig Pathos in der Stimme. Bohlen ist sich nicht zu schade, "DEM Erfolgreichsten" hineinzubrüllen. Wieder dieses meckernde Eichhörnchen-Lachen. Drei Monate habe es gedauert, "Glücksmoment", so der einfallsreiche Titel des Finalsongs, zu schreiben, sagt er. In der Welt des selbsternannten Poptitans, der Hits am Fließband produziert, die auch genau so klingen, offenbar eine Ewigkeit.

Das Superstar-Dasein währt nur kurz

Laura van der Elzen singt die erste Version. Schlager-Pop mit Wummerbass und Countrygitarre auf Deutsch. Der Applaus ist verhalten. Als Prince Damien schließlich die Bühne betritt, ist schnell klar, dass der Mann aus Tötensen den Song für ihn geschrieben hat. Keine Countrygitarre, mehr Beat. "Glücksmoment" klingt jetzt verdächtig nach Damiens anderem Song an diesem Abend: "Hör auf die Stimme" von EFF. Immerhin: Bisher wurde Bohlen vorgeworfen, alle seine Songs klängen gleich. Jetzt klingen sie zumindest wie jemand anderes.

Um die eigene Genialität noch einmal zu unterstreichen, lobt er Damien nach seinem Auftritt überschwänglich: "Prince hat eigentlich den falschen Namen. Der müsste 'King Of Pop' lauten." Und wer passt zu einem "King Of Pop"? Genau, ein Poptitan. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist klar: Es kann nur einen geben. Als der nach einem weiteren "Werbung, Rückblick, Schnelldurchlauf"-Durchlauf endlich überschwänglich als Sieger durch die Halle hüpft, ahnt er noch nicht, dass sein Traum vom Superstar-Dasein nur kurz währt. Die Macht der Marketing-Maschine DSDS endet in genau diesem Moment. Danach kennt sie nur noch einen Star. Die Show selbst. Ach ja, und Dieter Bohlen natürlich.

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