"Deutschland-Saga" im ZDF:Tief verwurzelt wie der Wald

Deutschland-Saga

Ein in Australien geborener Cambridge-Historiker fährt im VW Käfer durch Deutschland und wundert sich: Christopher Clark.

(Foto: ZDF)

Christopher Clark ist Historiker und Verfasser des Weltkriegs-Bestsellers "Die Schlafwandler". Im ZDF zeigt der gebürtige Australier jetzt noch andere Qualitäten: Als Erzählonkel der "Deutschland-Saga".

Von Claudia Tieschky

Deutschland zu erklären, ist schwierig, besonders, wenn man Deutscher ist. Alle anderen tun es dafür gerade mit Lust. Dem New Yorker ist die Bundeskanzlerin Angela Merkel in seiner aktuellen Ausgabe eine extragroße Geschichte wert, und im vorigen Jahr brachte es Deutschland bei einer global erhobenen Beliebtheits-Umfrage der BBC glatt auf Platz eins der Nationen. Nicht irgendein Welt-, sondern offensichtlich der Zeitgeist spielt mit, wenn das Land, dessen Westteil auf der Wetterkarte früher aussah wie ein in der Mitte eingeknickter Sack, auf einmal so attraktiv ist.

Schon unter Exportgesichtspunkten ist also die Konstellation lohnend, die das ZDF als sechsteilige Landeskunde vorführt. Da reist ein in Australien geborener Historiker der Universität Cambridge in der Bundesrepublik und ihrem deutschen Wald herum, erklärt dies und das und wundert sich überall ein bisschen. Manchmal singt er auch: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.

Dass dieser Mann sich für Deutschland interessiert, war fast anzunehmen: Er hat unter anderem eine Geschichte Preußens und eine Biografie Wilhelms II. geschrieben; im vorigen Jahr kam der heftig diskutierte Bestseller Die Schlafwandler dazu, der die Ereignisse erzählt, die zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führten. Jetzt fährt Christopher Clark in der Deutschland-Saga mit Fliege und rötlich getönter Brille im VW-Cabrio schick durchs Land.

Cabriofahren ist bekanntlich nicht nur eine befindlichkeitssteigernde Fortbewegungsmethode, sondern auch aus naheliegenden Gründen für Filmaufnahmen bestens geeignet. Wobei es hier vermutlich auf das deutsche Modell ankam. So schaukelt er - ein am schwarzrotgoldenen Bändel baumelndes Plastikkänguru am Rückspiegel - von Schauplatz zu Schauplatzl. Ein schnarchlangweiliges Format eigentlich, aber wer hätte gedacht, dass dieser Christopher Clark so eine Rampensau ist?

Erzählonkel oder Märchenwolf? Der wahre Historiker kann natürlich beides

Alberne Sätze wie "Wenn etwas so tief in einem Volk verwurzelt ist wie der Wald in den Deutschen ..." scheinen ihm höchstes Vergnügen zu bereiten, ebenso wie das Einschmuggeln von Zitaten - Brecht und kein anderer spricht, wenn Clark beschreibt, warum die Deutschen heute sympathisch sind. Von Eichendorff geht es direkt zum deutschen Waldsterben, von Karl May zum Ballermann und notfalls spielt er den Märchenwolf selber. Man könnte Clarks Haltung als ironische Begeisterung bezeichnen, wenn es das gäbe. Ihm würde man zutrauen, dass er stabreimte und dazu steppte. So gelingt etwas Außerordentliches - es ist nicht langweilig und es ist nicht banal.

Im Alter von 21 Jahren ist Clark aus Australien nach Europa gekommen. Als Kind kannte er, wie er bei der Vorstellung des Projekts sagte, Bach-Kantaten, Wenders-Filme und die Namen aller Nazi-Verbrecher: "Wie sollte man das zusammenreimen?" Lange her. Etwas aber, das verrät er im Presseheft, gibt dem großen Christopher Clark an den Deutschen immer noch Rätsel auf. Das ist Heino.

Deutschland-Saga, ZDF, sonntags, 19.30 Uhr.

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