Süddeutsche Zeitung

"Deutschland-Kurier":Eine neue Heimat für stramm rechtskonservative Journalisten

Lesezeit: 4 min

Ein Verein, der den Wahlkampf der AfD mit Spenden unterstützt, will offenbar eine deutsche Wochenzeitung auf den Markt bringen. Die Spur führt in die Schweiz, wo die Idee seltsam vertraut wirkt.

Von Charlotte Theile

Wann immer im Bundestagswahlkampf über die Alternative für Deutschland (AfD) gesprochen wird, taucht eine ominöse Vereinigung auf, genannt "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten." Hinter dem pathetischen Namen stehen undurchsichtige Spender, Plakate, die dazu aufrufen, AfD zu wählen - und ein direkter Link in die Schweiz. Alexander Segert, mit seiner Werbeagentur Goal AG seit den 1990er Jahren für Kampagnen und interne Schulungen der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) zuständig, arbeitet auch mit dem Verein zusammen, erledigt für ihn redaktionelle Arbeiten.

Die "Swiss-Connection" ( Spiegel) des AfD-nahen Vereins beschäftigt seit Monaten die deutschen und schweizerischen Medien. Vor wenigen Tagen nun ist der NZZ am Sonntag eine Enthüllung gelungen. Der Verein plane eine eigene Zeitung, eine Art " Bild für AfD-Wähler". Auch Namen und Auflage scheint die NZZ am Sonntag zu kennen: Deutschland-Kurier soll die Wochenzeitung heißen und mit einer Auflage von 200 000 Stück dieses Jahr starten. Kosten: 30 Cent pro Zeitung. Zunächst aber sollen die Abonnenten gratis bedient werden. Der Verein ließ in den letzten Monaten "Extrablätter" drucken und an Haushalte verteilen - an deren Gestaltung war Segerts Agentur direkt beteiligt. Auch sie riefen dazu auf, die AfD zu wählen.

Der Deutschland-Kurier soll nun vor allem in Berlin vertrieben werden, wo der Verein schon 2016 kräftig Wahlkampf für die AfD machte. Auch ein Autor des Deutschland-Kurier steht bereits fest: Peter Bartels, vor einigen Jahrzehnten Chefredakteur der Bild-Zeitung. Er bestätigt das Vorhaben auf Anfrage: er werde eine Kolumne schreiben, mehr erst einmal nicht. Bartels schreibt seit einigen Wochen für einen islamfeindlichen Blog.

Aus Schweizer Sicht klingt der geplante Deutschland-Kurier seltsam vertraut. Eine Boulevard-Zeitung, die kostenlos - oder zumindest zu einem sehr niedrigen Preis - ein geschlossenes rechtspopulistisches Weltbild vertritt? Eine solche Zeitung wünscht sich Christoph Blocher, der als SVP-Stratege seit Jahrzehnten eng mit Segert zusammen arbeitet, seit Langem für sein Land. Immer wieder hat er das Gespenst eines rechtspopulistischen Volks-Blattes ins Gespräch gebracht, besonders wenn er politisch Druck machen wollte.

Soll das Blatt eine "Verschweizerung Deutschlands" im Sinne der SVP vorantreiben?

Schon 1996 schreibt die Neue Zürcher Zeitung, Blocher liebäugele mit einer überregionalen Zeitung "liberal-konservativen Zuschnitts". In den Jahren darauf wurde diese Drohung - denn als solche verstanden sie viele Schweizer - wiederholt. Etwa im Herbst 2007, als Blocher zur Wiederwahl als Regierungsmitglied stand und sein damaliger Parteichef Ueli Maurer warnte: Werde Blocher abgewählt, liege ein ganzer Maßnahmenkatalog in der Schublade, "zentrales Element unserer Oppositionspolitik" wäre die eigene Zeitung. Blocher wurde abgewählt - die rechte Volkszeitung aber kam nicht.

Dafür schwenkte die Zürcher Weltwoche unter Roger Köppel immer stärker nach rechts, schließlich wechselte Köppel als Politiker in die SVP, heute sitzt er im Berner Nationalrat. Einige Jahre später übernahm Blocher ein Drittel der Basler Zeitung, die seither ebenfalls nach rechts abdriftete und, wie die Weltwoche, viele Leser verloren hat. Welchen Einfluss die SVP-nahen Zeitungen haben, ist fraglich. Sicher aber ist: Die beiden Blätter genügen nicht. Im Sommer 2016 ließ Blocher verlauten, dass er in der Schweiz eine überregionale Gratis-Sonntagszeitung etablieren wolle, stellte sogar einen Projektleiter ein, der die Wirtschaftlichkeit untersuchen sollte. Milliardär Blocher ist bereit, zu investieren. Dauerhaft Verluste schreiben will er mit seiner Zeitung nicht. Ob Blocher nun den Deutschland-Kurier unterstützt? Diese Frage ließ der SVP-Stratege bis Redaktionsschluss unbeantwortet. In der Vergangenheit hat er aber stets betont, keinen Kontakt zu deutschen Rechten zu pflegen.

Anfang 2017 machte einer der Anwälte der Basler Zeitung dem Verlag Ringier ein verlockendes Angebot. Der Blick, also gewissermaßen das schweizerische Äquivalent zur Bild-Zeitung, sollte für etwa 200 Millionen Schweizer Franken gekauft werden. Ringier lehnte ab, Blocher sagte, er habe noch nie von dem Angebot gehört und stehe in keiner Verbindung dazu. In der SVP-nahen Weltwoche erschien ein Artikel, der Blocher vorwarf, nicht zwischen seinen Rollen als Politiker und Unternehmer entscheiden zu können. Außerdem heißt es dort: "Den Blick, den hätte er - liebend gern." In diese Reihe passt auch eine kurze Notiz der offenbar gut informierten NZZ am Sonntag. Am 9. April 2017 schreibt das Blatt: "In Basel wird in einer Halle, die Christoph Blocher gehört, eine Druckmaschine installiert. Wozu man sie braucht, ist ein Geheimnis." Schweizer Journalisten witzeln bereits, der einzige, der noch an die Macht des Print-Journalismus glaube, sei der 76-jährige Christoph Blocher.

Wenn nun der AfD-nahe Verein, für den Blochers Chef-Werber arbeitet, eine Gratis-Publikation in Deutschland plant, ist das zumindest interessant. Eine "Verschweizerung Deutschlands", die in SVP-Kreisen einige anstreben, könnte so vorangebracht werden. Mit ihrem EU-skeptischen, konservativen Kurs ist die Schweiz für viele AfD-Politiker attraktiv. David Bendels, früheres CSU-Mitglied und Vorsitzender des Vereins, ist in diesen Wochen immer wieder in Zürich - nach eigener Aussage, um sich mit SVP-Politikern und Journalisten, unter anderem der Weltwoche, zu treffen. Weder vom Verein noch von der Weltwoche gab es hierzu eine Stellungnahme. Segert immerhin hatte gegenüber dem Blick dementiert, dass er Strippenzieher von Rechtspopulisten in ganz Europa sei - diese These war in den vergangenen Wochen durch verschiedene Recherchen unterfüttert worden.

Viele in der Schweiz vermuten hierzulande eine Lücke rechts der bestehenden Zeitungslandschaft

Bemerkenswerterweise ist der Deutschland-Kurier nicht die einzige Publikation mit Verbindung in die Schweiz, die in diesen Tagen bekannt wird. Erst vor einer Woche ließ das liberale Traditionsblatt NZZ verlauten, dass man ein speziell auf Deutschland zugeschnittenes Angebot plane. Der erste Redakteur hat seine Stelle in Berlin bereits Anfang Juli angetreten.

Aus Schweizer Sicht ist die Deutschland-Strategie naheliegend: Im Vergleich ist die deutsche Medienlandschaft politisch eher links, man vermutet eine Lücke rechts der bestehenden Zeitungslandschaft - und sieht im deutschen Medienmarkt vieles in Bewegung. Hier mitzumischen, das ist sowohl für bürgerlich-liberale Stimmen wie die NZZ als auch für stramm rechtskonservative Journalisten interessant.

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Quelle:
SZ vom 05.07.2017
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