"Deutschland 83" auf der Berlinale:Lob für eine deutsche Serie, und keiner lacht sich tot

"Deutschland 83" auf der Berlinale: Coming-of-Age-Geschichte und Liebesdrama mit Zeitkolorit: Jonas Nay und Maria Schrader in "Deutschland 83".

Coming-of-Age-Geschichte und Liebesdrama mit Zeitkolorit: Jonas Nay und Maria Schrader in "Deutschland 83".

(Foto: Berlinale)
  • Als erste deutsche Fernsehserie wird "Deutschland 83" in den USA gezeigt. Die RTL-Produktion handelt von einem jungen NVA-Soldaten, der in die Bundeswehr eingeschleust wird.
  • Die ersten beiden Folgen wurden auf der Berlinale gezeigt und von der "New York Times" sehr gelobt.
  • Ende 2015 soll die Serie im deutschen Fernsehen laufen.

Von David Denk

Das Timing hätte kaum besser sein können. Pünktlich zur Premiere der ersten beiden Folgen von "Deutschland 83" auf der Berlinale gab die Produktionsfirma Ufa Fiction am Montag bekannt, dass das Prestigeprojekt auch in den USA laufen wird. "Es ist die erste deutschsprachige Dramaserie, die im US-Fernsehen gezeigt wird", heißt es in der Pressemitteilung voller Stolz.

Gut, es ist nur der zu AMC Networks gehörende Pay-Kanal Sundance TV, der "Deutschland 83" ausstrahlen wird - in der Originalversion mit amerikanischen Untertiteln. Klare Arthouse-Schiene also. Aber dieser Achtungserfolg tut natürlich trotzdem gut: Offenbar fanden die Sundance-Einkäufer gar nicht mal so übel, was sie da zu sehen bekamen. Das ist Balsam auf die Seele deutscher Fernsehmacher, die mit einigen Jahren Verspätung endlich auch mit eigenen Produktionen vom globalen Boom des seriellen Erzählens profitieren wollen.

Die "New York Times" ist voll des Lobes

"Zum ersten Mal erzähle ich von deutschen Serien, und keiner lacht sich tot", sagte der international tätige Produzent Jan Mojto am Montag auf einem Serien-Panel beim European Film Market. Entsprechend beglückt reagierte denn auch "Deutschland 83"-Produzent Nico Hofmann, der sich von der deutschen Kritik tendenziell missverstanden, ja unterschätzt, fühlt, als die Kritikerin der New York Times, Alessandra Stanley, voll des Lobes war - zuerst im Zwiegespräch beim Empfang, dann auch in ihrer Kritik: "Fesselnd" nannte sie den deutschen wie auch die anderen Beiträge aus Europa und Israel bei den Serientagen und - aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen - "aufregender" als "amerikanische Erfindungen" wie "Scandal" oder "House of Cards" (Bezeichnend, dass die US-Kritikerin das Remake einer BBC-Miniserie für das Original hält).

Und plötzlich waren alle ganz begeistert davon, wie begeistert die New York Times war - dass das Wort des großen Bruders so viel Gewicht hat, einen kleinen Hype auszulösen vermag, zeugt von einem tiefsitzenden deutschen Serien-Minderwertigkeitsgefühl.

"Deutschland 83" erzählt vom jungen NVA-Soldaten Martin Rauch (Jonas Nay), der als Moritz Stamm undercover in die Bundeswehr eingeschleust wird, um Geheiminformationen über die Militärstrategie der Nato zu sammeln. Eine Spionageschichte also, aber auch ein Coming-of-Age- und Liebesdrama mit reichlich Zeitkolorit. Ob auf der Gartenparty in Kleinmachnow oder in der Kaserne in der Eifel - überall läuft "99 Luftballons" von Nena, der Hit der Stunde, der Hit dieser besonders heißen Phase des Kalten Kriegs.

Gelungener Spagat zwischen Konventionalität und Anspruch

Die besondere Qualität von "Deutschland 83" besteht darin, dass es eine RTL-Serie ist, die nicht nur für RTL-Zuschauer funktioniert. Auch Fans von Serien amerikanischer Kabelsender wie HBO und AMC oder vom Streamingdienst Netflix dürften sich gut unterhalten fühlen: "Deutschland 83" gelingt mit Tempo, (Dialog-)Witz und sogar Action der Spagat zwischen Konventionalität und Anspruch.

Das Ehepaar Anna und Jörg Winger, sie US-Schriftstellerin, er deutscher Produzent, hat "Deutschland 83" kreiert. Geschrieben wurde die Serie mit Unterstützung eines deutsch-amerikanischen Autorenteams, inszeniert von zwei verschiedenen Regisseuren (Edward Berger und Samira Radsi). Auch die Herstellungsweise gleicht sich im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit den US-Vorbildern an.

Serien-Fernsehen ist Autoren-Fernsehen

Für "Blochin", die andere auf der Berlinale vorgestellte deutsche Serie vom ZDF, einen Schuld-und-Sühne-Polizeithriller mit Jürgen Vogel als janusköpfigem Mordermittler, versuchte es Autorenfilmer Matthias Glasner zumindest mit einem Writers Room nach amerikanischem Vorbild, schrieb dann aber doch komplett allein. Beide Serien sind ganz selbstverständlich horizontal erzählt, episodenübergreifend also wie "Breaking Bad" oder "Game of Thrones", und tragen die klare Handschrift ihrer kreativen Urheber - in Deutschland, dem Land der Redakteure, beileibe keine Selbstverständlichkeit. Wenn die Redaktionen, vor allem bei den Öffentlich-Rechtlichen, vom Boom der Qualitätsserie nachhaltig profitieren wollen, müssen sie loslassen, vertrauen lernen. Denn Serien-Fernsehen ist kein Redakteurs-Fernsehen - Serien-Fernsehen ist Autoren-Fernsehen.

Bis zur TV-Ausstrahlung von "Deutschland 83" und "Blochin" müssen sich die Zuschauer noch ein paar Monate gedulden: Beide Serien sollen Ende 2015 im Fernsehen laufen und mit Tom Tykwers "Babylon Berlin" (nach den Gereon-Rath-Krimis von Volker Kutscher) eine neue deutsche Serien-Welle begründen. Bei "Babylon Berlin" kooperiert zum ersten Mal ein öffentlich-rechtlicher Sender, die ARD, mit einem Pay-TV-Kanal, Sky Deutschland - eine kleine Revolution. Das Signal ist klar: Deutschland meint es ernst mit der Qualitäts-Offensive im Serienbereich und ist bereit, dafür ungewöhnliche Wege zu gehen. Außergewöhnlichen Ergebnissen steht so nicht mehr viel im Wege - höchstens die Macher sich selbst.

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