Süddeutsche Zeitung

Deutsches Fernsehen:Mannomann

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Einer Studie zufolge sind Frauen in Film und Fernsehen unterrepräsentiert, und zwar nicht nur in der Fiktion: "Männer erklären uns die Welt", sagt eine der Autorinnen. Die Sender geloben Besserung.

Von Verena Mayer

Das Fernsehprogramm der vergangenen Tage. Sonntagabend, ZDF: Eine schöne Frau ist nach dem Tod ihres Mannes unglücklich, findet aber einen neuen Lover, und dann ist die Rosamunde-Pilcher-Verfilmung Zu hoch geflogen auch schon zu Ende. Sonntagabend, ARD, die Talkshow Anne Will: Eine schöne Frau sitzt als Moderatorin zwischen vier Männern und lässt sich von ihnen das Weltgeschehen rund um den G20-Gipfel erklären. Mittwochabend, RTL: Eine schöne Frau sucht in Die Bachelorette nach dem Traummann und geht dafür romantisch essen oder an den Strand. Gibt es vielleicht noch irgendwo eine Sendung mit einer Frau, die eine verantwortungsvolle Position hat und zu ihrem Glück nicht unbedingt einen Mann braucht?

Im Kinderfernsehen kommen Frauen meistens als Feen, Hexen oder Mütter vor

Leider nein. Jedenfalls nicht, wenn es nach einer groß angelegten Studie der Universität Rostock geht, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Die Untersuchung mit dem etwas sperrigen Titel "Audiovisuelle Diversität? - Geschlechterdarstellung in Film und Fernsehen in Deutschland" hat sich mit der Frage beschäftigt, wie oft und auf welche Art Frauen und Männer auf dem Bildschirm oder auf der Leinwand zu sehen sind. 3500 Stunden Fernsehprogramm wurden dafür 2016 ausgewertet, dazu 883 Kinofilme und mehrere tausend Kinderprogramme. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Frauen sind durchweg seltener zu sehen. Über alle Fernsehprogramme hinweg kommen auf eine Frau zwei Männer.

Besonders deutlich wird das in Informationssendungen. Zwar sind dort sehr viele Moderatorinnen und Sprecherinnen am Werk, sobald aber jemand interviewt wird, sieht man Männer. Gäste sind zu 58 Prozent männlich, Experten zu 79 Prozent. Selbst wenn Alltagspersonen auftreten, sind dies zu zwei Dritteln Männer. "Männer erklären uns die Welt und führen durchs Programm", sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Elizabeth Prommer, eine der Autorinnen der Studie.

Nicht besser sieht es in Filmen, Serien oder Unterhaltungssendungen aus. Die Hauptakteure sind meistens Männer, in Quizsendungen sind selbst die Hintergrundstimmen überdurchschnittlich oft männlich. Kommen Frauen dann einmal vor, sind sie immer jung, genauer gesagt höchstens 30 Jahre alt. In der Altersgruppe zwischen dreißig und vierzig stehen einer Frau zwei Männer gegenüber, ab 50 Jahren sind es sogar drei. Und was macht die gezeigten Frauenfiguren laut Studie aus? Vor allem das Zwischenmenschliche, die Art, wie sie Beziehungen gestalten.

Alle Frauen in der Filmbranche hätten das diffuse Gefühl, dass die Rollen im Alter weniger und schlechter werden, sagt die Schauspielerin Maria Furtwängler. "Jetzt gibt es die Fakten." Furtwängler könnte als schöne Tatort-Kommissarin mit zwischenmenschlichen Problemen selbst Studienobjekt sein. Sie hatte aber die Idee für die Untersuchung, an der sich dann mehrere Fernsehsender sowie Filmförderer beteiligt haben. Ein Teil der Studie war der so genannte Bechdel-Test. Der nicht ganz ernst gemeinte, aber durchaus alltagstaugliche Test stellt die Frage, ob in einem Film zwei Frauen vorkommen, diese einen Namen haben, miteinander reden - aber nicht über Männer. In Deutschland würden gerade mal 57 Prozent der Filme und Sendungen den Test bestehen.

Nicht mal im Kinderfernsehen ist es besser, obwohl dort ein Team aus Maus und Elefant seit Jahrzehnten ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis vorlebt. Gerade mal eine von vier Figuren im Kinderprogramm ist weiblich. Die Jungs dominieren, selbst Tierfiguren oder sprechende Blumen sind zu fast 90 Prozent männlich. Die wenigen Frauen, die es im Kinderfernsehen gibt, sind meistens Feen, Hexen oder Mütter.

Interessanterweise macht es beim Frauenmangel kaum einen Unterschied, ob es um Privatsender oder das öffentlich-rechtliche Fernsehen geht. Deren Vertreter saßen am Mittwoch dann in der Berliner Akademie der Künste auf einem Podium zusammen, um über Konsequenzen zu beraten. Bilder bestimmen die Wirklichkeit, deswegen müsse Fernsehen ein Spiegel der Gesellschaft sein, sagte RTL-Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann. Karola Wille, die ARD-Vorsitzende, hat sich auferlegt, mehr Regisseurinnen zu gewinnen, in den nächsten drei Jahren sollen bei der ARD-Produktionstochter Degeto von 100 Filmen mindestens zwanzig von Frauen verantwortet werden, was man in der Filmbranche offenbar schon für einen Fortschritt hält. ZDF-Intendant Thomas Bellut wiederum will für die Nachrichtensendungen "mehr Expertinnen auf die Liste" bekommen. Einig waren sich alle Verantwortlichen, dass hinter den Kulissen, bei den Sendern und in den Produktionsfirmen ebenfalls noch Luft nach oben sei, was die Gleichstellung angeht.

Doch es gibt auch Ausnahmen: Bei den Telenovelas und Daily Soaps, also immerhin dort, wo besonders viel geliebt, gestritten, geheult und Schmerz empfunden wird, entspricht das Geschlechterverhältnis dem realen Leben. Und da sind noch die unzähligen Fernsehkrimis, in denen eine Kommissarin oder Kriminalbeamtin im höheren Dienst ackert. Zumindest hier sind die Frauen deutlich besser gestellt als in der Wirklichkeit.

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Quelle:
SZ vom 13.07.2017
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