Süddeutsche Zeitung

Deutsches Fernsehballett:Sterbender Schwan

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Das Ensemble steht vor dem Aus, gerade hat der Mitteldeutsche Rundfunk die Pläne für die letzten Tanzeinlagen verkündet. Warum sich bei diesen Abschiedspirouetten ein heftiges Déjà-vu einstellt.

Von Hans Hoff

Das Deutsche Fernsehballett steht vor dem Aus. Mal wieder. Ende 2020 sollen zum letzten Mal vor Kameras die Beine geschwungen werden. Ende 2021 soll dann nach einer Abschiedstournee endgültig Schluss sein mit dem Gruppentanz. Dann wird das 1962 im Auftrag des Deutschen Fernsehfunks der DDR gegründete Ensemble aufgelöst. Es rechne sich nicht mehr, teilte Peter Wolf mit, der Geschäftsführer der als GmbH organisierten Tanztruppe.

Damit scheint sich ein bisschen die Geschichte zu wiederholen, denn schon nach der Wiedervereinigung war das Ballett in Not geraten und sandte öffentlich einen Hilferuf aus. Der wurde damals vom MDR erhört. Der nahm sich des Ensembles an und sorgte für Beschäftigung in den vom Sender ausgerichteten Seichtshows. Und zugleich engagierte sich auch die katholische Kirche Deutschland als Gesellschafter. In der Folge erlebte das Fernsehballett eine neue Blütezeit, ließ sich auf Tourneen feiern und wirkte 1996 gar als "Leipziger Showballett" im Dresdner Tatort mit.

Im Jahre 2012 übernahm der Unternehmer Peter Wolf die Anteile des MDR und der Kirche und sicherte für seine Schützlinge Auftritte in der ZDF-Show von Carmen Nebel, deren Manager er auch ist. Wolf konnte aber nicht verhindern, dass die Truppe erneut ins Trudeln geriet.

Im November 2013 hieß es, das Fernsehballett werde seinen Betrieb Ende März 2014 wegen Auftragsmangels einstellen müssen. Prompt fanden sich Prominente, die für ein Überleben des Fernsehballetts plädierten, woraufhin im März 2014 die Rettung verkündet wurde. Doch damit hatten die Ungewissheiten kein Ende.

Weil sich Carmen Nebel und Wolf schwerst uneinig werden, fallen 2016 die regelmäßigen Auftritte in der Nebel-Show weg. Nur der MDR hält dem Fernsehballett noch die Treue, sicherlich auch, weil es in seinem von allerlei Schlagershows geprägten Dritten allerlei Spielfläche für Großtanzeinlagen gibt. Nun reichen aber diese Engagements offenbar nicht mehr aus.

Damit folgt die Ostinstitution Fernsehballett ihren westlichen Pendants, die schon vor der Wende mehrheitlich das Zeitliche gesegnet haben. Lange vorbei sind die Zeiten, als eine ZDF-Show quasi ungültig war, wenn dort nicht ein vor allem in den Siebzigerjahren hyperaktives Fernsehballett unter der Leitung des legendären Herbert F. Schubert auftrat. In Rainer Holbes Starparade war es gar als Starparade-Ballett ein fester Bestandteil der Show.

Manche Auftritte ähnelten in ihrem Drang zu unbedingter Modernität einer Mischung aus Mückenfang, Feueraustreten und rhythmischer Sportgymnastik, wurden aber von den Zuschauern hochgeschätzt. Das hatte sicherlich auch damit zu tun, dass Fernsehballett-Auftritte die Gelegenheit boten, mehr Haut zu zeigen als sonst im prüden ZDF erlaubt war. Und wenn es nur Haut unter Nylon war.

Ein Dutzend TV-Shows stehen nun noch auf der Terminliste des Deutschen Fernsehballetts. Am Freitag sind die Tänzerinnen und Tänzer zum letzten Mal dabei, wenn in Dresden zum Semperopernball gebeten wird. Dann kann man im MDR-Dritten nochmal anschauen, was bald Vergangenheit sein wird.

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Quelle:
SZ vom 04.02.2020
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