Deutscher Radiopreis:Ein Rapper nah am Gschtanzl

Deutscher Radiopreis: Biertisch, Reiberdatschi, Oberpfalz: Kein Wort ist vor den Impro-Raps in den Sendungen von Moderator Roger Rekless sicher.

Biertisch, Reiberdatschi, Oberpfalz: Kein Wort ist vor den Impro-Raps in den Sendungen von Moderator Roger Rekless sicher.

(Foto: Philipp Wulk)

Roger Rekless ist einer der interessantesten Radiomoderatoren Bayerns - seit Jahren. Jetzt hat er den Deutschen Radiopreis gewonnen. Kategorie: Newcomer. Immerhin.

Von Stefan Fischer

Biertisch. Reiberdatschi. Oberpfalz. Kein Wort ist zu abwegig, um nicht von Roger Rekless gerappt zu werden. Das genreübliche Dicke-Hose-Vokabular hört man von dem Münchner hingegen nicht. Schon gar nicht, wenn ihm seine Fans beim Impro-Rap auf der Bühne oder in seinen Radiosendungen bei Puls und Bayern 3 die Themen vorgeben: Statt sich Gangsterreime, Bitches und Hustlers zu wünschen, probieren sie aus, wohin die Kombination aus ihrer bayerischen Lebenswirklichkeit und dem importierten Musikgenre führt. Rekless' Freestyle-Rap hat mitunter durchaus Berührungspunkte mit Gstanzln. Das zeigt nicht zuletzt ein Video, das er im vergangenen Jahr für Puls gedreht hat, in dem er sich in Passau mit der Gstanzlsängerin Renate Maier, Expertin für die bayerisch-österreichischen Liedform, misst.

Wohin der Weg mit Roger Rekless führt, ist eine spannende Frage für den Bayerischen Rundfunk. Seit 2015 moderiert David Mayonga, Künstlername Rekless, für den BR; angefangen hat er bei der digitalen Jugendwelle Puls, doch längst ist er auch auf der Massenwelle Bayern 3 zu hören. Nun hat Rekless den Deutschen Radiopreis gewonnen, der am Mittwoch in Hamburg zum zehnten Mal verliehen wurde. Kategorie: bester Newcomer.

Für jüngere Zuhörer gibt es jetzt Dutzende Moderatoren, Songs jenseits der Charts und eben ihn

Man kann sich fragen, ob ein 38-Jähriger, der den Job nach seinem Quereinstieg mittlerweile auch schon seit vier Jahren macht, noch ein Neuling ist. Unabhängig davon scheinen der Musiker-Moderator und der Sender aber in jedem Fall etwas richtig zu machen. "Mir sagen immer wieder Hörer, dass sie zum ersten Mal Bayern 3 einschalten", erzählt Rekless in einem Münchner Teehaus. Der Sohn eines Kongolesen und einer Deutschen, der im Münchner Speckgürtel, in Markt Schwaben, aufgewachsen ist, wirkt bei aller Lockerheit ernsthaft, auch bescheiden. Dass er bei der Neuausrichtung von Bayern 3 eine Rolle spielt, ist ihm bewusst. Deshalb glaubt er aber noch lange nicht, das Moderieren neu erfunden zu haben.

Dem Sender geht es vor allem darum, die Welle zu verjüngen, anders klingen zu lassen. 1971 als Pop- und Rockradio gegründet, drohte Bayern 3 mit seinen Hörern und der Musik von Bryan Adams sowie Madonna alt zu werden. Inzwischen steuern die Programmverantwortlichen gegen: Seit 2015 werden die Hörer vom Moderationsteam geduzt. Der Anteil an aktueller Musik ist höher - und abends dürfen es ganz überwiegend auch Songs jenseits der Charts sein.

Das ist die Zeit von Roger Rekless. Erst zusammen mit Diane Hielscher, später mit Verena Fiebiger und schließlich alleine hat er bis Ende des vergangenen Jahres werktags in den zwei Stunden vor Mitternacht die Spätschicht moderiert. Nach einer Programmumstellung vertritt er inzwischen von 21 Uhr an fallweise Matthias Matuschik am Mikrofon bei Matuschke - der etwas andere Abend. Seinen ursprünglichen Beruf als Pädagoge beim Kreisjugendring hatte er da bereits zugunsten des Moderierens aufgegeben.

Roger Rekless ist am Mikrofon wie im persönlichen Gespräch: unaufgeregt. In seinen Sendungen erweckt er beim Hörer den Eindruck, er würde in kleiner Runde plaudern. Damit unterscheidet er sich von den meisten Kollegen, die das Moderieren von der Pike auf gelernt haben und sich als Entertainer auf großer Bühne begreifen.

Als er Teil eines Moderationspaares war, sei für ihn und seine Kolleginnen auch nie eine Rollenverteilung in Betracht gekommen, nach dem Motto: "Der Mann ist der Lustige, die Frau die Zickige", sagt Rekless. Die Spätschicht sollte dezidiert "feministisch und antirassistisch" sein.

Smarte Zugänge statt Fachsimpelei

Im März hat er das Buch Ein Neger darf nicht neben mir sitzen veröffentlicht, in dem er seine Kindheit und Jugend als einziger Bub mit dunkler Haut im oberbayerischen Heimatort beschreibt. Durch das Schreiben, die Auseinandersetzung mit seiner eigenen Gefühlswelt damals, sei er als Moderator sensibler geworden. "Es geht so schnell, dass man vor allem als Mann eine sexistische Bemerkung macht."

Die Sendezeit am späten Abend gefällt ihm. "Da muss man nicht so forcieren", sagt Rekless, "die Leute sind entspannter". Sie ließen sich dann auch eher auf Musik ein, die nicht gefällig ist. "Vor allem, wenn sie etwas dazu erklärt bekommen." In diesem Fall: von ihm, selbst ein Musiker, der aber statt Fachsimpelei smarte Zugänge liefert. Für Roger Rekless gehört beim Moderieren dazu, "manchmal eine Schleife mehr zu drehen". Auch das trägt zu dem Gefühl bei, man höre einem Menschen beim Erzählen zu und nicht einem Kommunikationsprofi. Anfangs hätten die Plaudereien manchmal fünf Minuten gedauert. Eine Ewigkeit also, in Radiozeitrechnung. "Das geht jetzt besser", sagt Rekless. Er bringt die Freiheit und das Improvisieren, wie er es vom Musikmachen kennt, inzwischen ganz gut zusammen mit den Zwängen einer Radiosendung. Aber bis heute notiert er sich seine Moderationstexte nicht, nicht einmal Stichworte.

Auch in den sozialen Netzwerken ist die Spätschicht populär geworden. Als er die Sendung allein moderieren sollte, hat Rekless einen Instagram-Livestream aus dem Studio gesendet. Auch um konzentriert zu bleiben, wie er sagt. Während Musiktitel liefen, die im Livestream nicht zu hören sind, hat er sich dabei gefilmt, wie er die Technik im Studio erklärt. Oder es war zu sehen, wie er sich auf die nächste Moderation vorbereitete und sich mit dem Nachrichtensprecher abstimmte. "Das war für viele Leute offenbar total interessant." Und hat der Welle ein Publikum erschlossen, das im Grunde linearen Hörfunk gar nicht mehr nutzt.

Bei Roger Rekless wird Radio, das ohnehin näher an seinen Nutzern ist, als andere Medien es sind, noch nahbarer. Und zwar explizit ohne Anbiederung und Ran-gekumpel. Letztlich macht sich offenbar auch im Radio seine Ausbildung und Arbeit als Pädagoge bezahlt.

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