Was für eine Chance. Da hat man einmal die Crème de la Crème der deutschen Fernsehlandschaft in einem Saal. Thomas Gottschalk und Jan Josef Liefers sind da, Joko und Klaas und Jan Böhmermann ebenso wie Senta Berger und Martin Brambach und Iris Berben und Veronica Ferres und Lars Eidinger, und, und, und. Fast alle sind da, um einer feierlichen Verleihung des Deutschen Fernsehpreises in diversen Kategorien beizuwohnen, und was machen die Organisatoren daraus? Eine todtraurige Veranstaltung, die in ihrer technischen und kreativen Unzulänglichkeit wirkt wie eine Preise-Resterampe. Gegen das, was da am Donnerstag über die Bühne der Düsseldorfer Rheinterrassen ging, dürfte jede Hauptversammlung irgendeines Geflügelzüchterregionalverbandes als Gala von Weltrang durchgehen. Wenn man Ehrung nur so schafft wie in Düsseldorf, sollte man das mit der öffentlichen Bepreisung lieber gleich lassen.
"Das ist eben kein Fernsehen hier", sagt die zur Entlastung von Barbara Schöneberger eingesprungene Moderatorin Annette Frier irgendwann zu einem Preisträger, der nicht so steht, dass die Kamera ihn gut einfangen kann. Im Klartext bedeutet das: Es ist völlig egal, was ihr hier macht, es wird hinterher ohnehin nur ein Jubelbeitrag für Leute heute daraus gebastelt und die ganze Chose im Sinne des Auftraggebers zur Bedeutung hochgejubelt. Allerdings bietet die Realität im Saal keinerlei Anlass zum Jubeln, und von wahrer Bedeutung kann keine Rede sein. Wenn es gerade um die Kategorie Show geht, unterhalten sich die Dokumentaristen über ganz andere Dinge, und wenn es um eine Doku geht, plaudern die Showmenschen vor sich hin. Ständig liegt ein Murmeln über den Tischen, ein Murmeln, gegen das die Menschen auf der Bühne kaum je ankommen. Von Spannung keine Spur.
Zumindest für Senta Berger steht der ganze Saal auf
Diese Atmosphäre ist vor allem den Organisatoren zuzuschreiben, die es nicht einmal schaffen, einen ordentlichen Ton über die Boxen zu senden, die sich nicht einmal die Mühe machen, jeden Nominierten mit einem Einspieler zu preisen, der deutlich macht, was die gelobte Qualität des möglicherweise Auszuzeichnenden ist. Als der Fernsehpreis noch im Fernsehen lief, bevor man ihn wegen mangelnder Quoten aus seinem namensgebenden Medium schmiss, gab es für jeden Nominierten einen Einspielfilm, der allen Kenntnislosen das Gefühl vermittelte, sie hätten etwas verpasst. Da ließ man wenigstens einen Hauch von Relevanz durch den Saal wehen. Jetzt gibt es mit etwas Glück Einspieler für die jeweiligen Gewinner. Alle anderen sind offensichtlich egal. Ständig filmen die Kameras in die Reihen, aber zu erkennen ist auf den Videowänden selten etwas, weil man sich auch die angemessene Ausleuchtung gespart hat.
Dabei gehen die Preise allesamt in Ordnung. Martin Brambach und Sonja Gerhardt werden als beste Schauspieler geehrt, die Vox-Serie Club der roten Bänder bekommt zum zweiten Mal den Fernsehpreis, und Lars Kraumes Filmdrama Familienfest sowie die NSU-Trilogie Mitten in Deutschland gehen als bester Film und bester Mehrteiler durch. Joko und Klaas werden für Die beste Show der Welt ausgezeichnet und Jan Böhmermann für quasi alles, was er tut. Eine Reportage über die Panama Papers darf sich fortan mit dem Titel "Beste Information" brüsten, und die Rocket Beans, die im Netz einen Jugendsender betreiben, gewannen für die "Beste Moderation Unterhaltung". Kitchen Impossible (Vox) wird bepreist, die Comedy-Doku Das Lachen der Anderen (WDR) und Pro Sieben gewinnt einen Preis für Galileo. Das Schicksal der Kinder von Aleppo wird beste Dokumentation und Lars Kraume bester Regisseur.
Dass Senta Berger den Ehrenpreis bekommt, rührt am Schluss jeden im Saal. Alles Anwesenden stehen auf, um die Grande Dame des deutschen Fernsehspiels angemessen zu würdigen. Da weht für einen kurzen Moment so etwas wie Feierlichkeit durch den Allzwecksaal, der bald schon wieder irgendwelchen Karnevalisten als Belustigungsbehausung dienen wird. Stimmungsvoller als beim Deutschen Fernsehpreis dürfte es dann auf jeden Fall werden.