Die Türkei hat der Deutsche Welle am Montag ein Ultimatum von 72 Stunden gestellt, binnen derer der deutsche Auslandssender eine Rundfunklizenz in der Türkei zu beantragen habe. Andernfalls drohe die Sperre der journalistischen Angebote der DW im Internet. Nach Angaben des Vizechefs der türkischen Medienaufsichtsbehörde RTÜK, Ibrahim Uslu, gilt dasselbe für den US-Auslandssender Voice of America und den Nachrichtensender Euronews mit Sitz in Lyon. Die Türkei beruft sich dabei auf ein 2020 in Kraft getretenes Mediengesetz, das auch soziale Medien ab einer gewissen Nutzerzahl dazu zwingt, Niederlassungen in der Türkei zu gründen - Facebook, Youtube und Twitter haben das inzwischen getan. Kritiker des Gesetzes sagen, dass die AKP-Regierung damit das Internet und die sozialen Medien als Kommunikationsmittel der Opposition unter Kontrolle bringen will.
DW-Intendant Peter Limbourg kündigte am Dienstag Widerspruch gegen die geforderte Lizenzierung in der Türkei an. Er teilte mit, die DW werde dagegen den Rechtsweg vor türkischen Gerichten beschreiten. Limbourg wertete die Maßnahme als den "Versuch, internationale Medien in ihrer Berichterstattung einzuschränken", nachdem die lokalen Medien "bereits einer umfassenden Regulierung unterliegen". Es gehe dabei gerade nicht um "formelle Aspekte der Verbreitung von Programmen, sondern um die journalistischen Inhalte selbst". Die türkischen Behörden erhielten die Möglichkeit, aufgrund einzelner kritischer Berichte das gesamte Angebot zu sperren, wenn solche Berichte nicht gelöscht würden. Das ermögliche Zensur. Limbourg wies darauf hin, dass die DW gemäß dem 2019 erlassenen Gesetz ein Verbindungsbüro in der Türkei eingerichtet habe und als Angebot seit Februar 2020 bei dem zuständigen türkischen Ministerium registriert sei.
In Russland ist die DW gesperrt, und in Deutschland hat die Medienaufsicht Fragen
Die durch Haushaltsmittel des Bundes finanzierte DW hat somit ein weiteres Problem, nachdem Anfang Februar das von Russland verhängte Sende- und Arbeitsverbot für die DW zu diplomatischen Verwerfungen führte. Die Entscheidung in Moskau fiel, nachdem die deutsche Medienaufsicht dem staatsnahen russischen Sender RT DE die Ausstrahlung seines Programms im Internet untersagte, da das Angebot keine Sendelizenz in Deutschland besitzt. RT DE dagegen beruft sich auf eine serbische Lizenz, die in Europa gültig sei, und wehrt sich derzeit juristisch gegen die Entscheidung der Medienaufsicht. Auf russischer Seite ist von einem Medienkrieg die Rede.

Deutsch-russischer Medienkrieg:Schuld und Bühne
Im Konflikt um RT Deutschland will Moskau das Sendeverbot der Bundesregierung anlasten. Rekonstruktion eines eskalierten Streits.
Indessen prüft die deutsche Medienaufsicht derzeit auch, ob die Ausstrahlung des Programms der Deutschen Welle im Inland mit dem Medienrecht zu vereinbaren ist. Darüber hatte zuerst der Fachdienst DWDL berichtet. Wie eine Sprecherin der Landesmedienanstalten auf SZ-Anfrage bestätigt, wird sich der Fachausschuss Regulierung bei seiner Sitzung Anfang März mit dem Thema befassen. Die DW ist in Deutschland über Magenta TV und die ARD-Mediathek als Livestream zu empfangen. Es sei nun zu klären, so die deutsche Medienaufsicht, inwieweit die Verbreitung im Inland vom Auftrag der DW im Deutsche-Welle-Gesetz gedeckt sei - demnach hat die DW die Aufgabe, Rundfunk und Telemedien für das Ausland zu verbreiten. Es könne aber aus technischen Gründen "eine Überstrahlung ins Inland" geben - "zu Art und Umfang der Überstrahlung und deren Grenzen sind wir mit der DW im Gespräch".
Die Deutsche Welle kämpft zudem gerade mit der Aufarbeitung eines Skandals im Zusammenhang mit antisemitischen Äußerungen von Mitarbeitern. Die externen Prüfer Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Ahmad Mansour hatten vor Kurzem das Ergebnis ihrer Ermittlungen vorgelegt und festgestellt, dass in der arabischen Redaktion zwar kein struktureller Antisemitismus herrsche, aber ein System, in dem dieser gedeihen konnte.