Deutsche Verlage:"Es lebt ein guter Geist im Büro meines Vaters"

Dumont Mediengruppe

Aufsichtsratschefs Isabella Neven DuMont und Christian DuMont Schütte erwägen offenbar den Abschied vom Zeitungsmarkt.

(Foto: Volker Wiciok)

Isabella Neven DuMont und Christian DuMont Schütte haben das Erbe des großen Verlegers angetreten.

Interview von Caspar Busse und Claudia Tieschky

An den Wänden des Besprechungsraums hängen die Vorfahren - in Öl und als Fotografien. Mehr als 200 Jahre alt ist das Zeitungshaus DuMont Schauberg und noch immer in Familienbesitz. Am 30. Mai starb Alfred Neven DuMont, der das Unternehmen seit Anfang der 1960er-Jahre geprägt hatte. Sein Erbe traten Tochter Isabella Neven DuMont, 47, und Christian DuMont Schütte, 58, ihr Cousin vierten Grades, an. Zur Gruppe gehören unter anderem der Kölner Stadt-Anzeiger und der Express, die Berliner Zeitung, die Mitteldeutsche Zeitung in Halle, die Hamburger Morgenpost, regionale Anzeigenblätter und lokale Radio- und TV-Sender.

SZ: Frau Neven DuMont, welches wichtige publizistische Erbe hat Ihnen Ihr Vater hinterlassen?

Isabella Neven DuMont: Ich bin mit Zeitungen aufgewachsen, bei uns gab es nicht einen Tag ohne Zeitung. Zu Hause hatten wir kein anderes Thema. Meinem Vater war immer die liberale Grundhaltung wichtig, besonders der Einsatz für Minderheiten. So sehe ich auch mein Erbe: Freiraum für Verschiedenheit schaffen.

Herr DuMont Schütte, war das bei Ihnen genauso?

Christian DuMont Schütte: Mein Großvater war zusammen mit dem Großvater von Isabella Herausgeber, genauso wie unsere Urgroßväter. Insofern ist das die Tradition, die wir jetzt weiterleben, im Sinne unserer Vorfahren.

Aber das Erbe eines großen Verlegers wie Alfred Neven DuMont ist doch auch eine enorme Bürde, oder?

Isabella Neven DuMont: Mein Vater war ein leidenschaftlicher Publizist, aber er hat mir nie das Gefühl gegeben, dass er übermächtig ist. Da habe ich als Tochter möglicherweise einen Vorteil, denn der Druck auf mich war nie so groß. Es ist keine Bürde, es ist eine Herausforderung. Ich war zehn Jahre lang Chefredakteurin bei einer Pferdezeitschrift in einem anderen Verlag - das war eine tolle Zeit. Mein Vater hatte damals immer wieder gesagt: "Können wir die Zeitschrift nicht aufkaufen und dann kannst du für mich arbeiten?" Jetzt bin ich seit ein paar Jahren hier.

Christian DuMont Schütte: Von meinem Vater habe ich gelernt, dass wir als Familienunternehmen in Dekaden denken. Wir sind keine Getriebenen, die jeden Trend mitmachen müssen - bei aller unternehmerischen Wachsamkeit für die vor uns liegende Zeit. Das Unternehmen haben wir mit dem Zukunftsprogramm "Perspektive Wachstum" neu organisiert. Die Neuausrichtung ist jetzt mit der Berufung des neuen Vorstands abgeschlossen.

Der große Nachteil von Familienunternehmen ist, dass sich die Clanmitglieder selten einig sind. Wie ist das bei Ihnen?

Christian DuMont Schütte: In der Regel funktionieren Familienunternehmen sehr gut. Bei uns sind die Anteile auf insgesamt 15 Gesellschafter aus dem familiären Umfeld verteilt, ein überschaubarer Kreis.

Wer von Ihnen beiden ist der Chef?

Isabella Neven DuMont: Wir verstehen uns und bilden ein gutes Team. Ich habe nicht das Gefühl, Du wärst mein Chef . . .

Christian DuMont Schütte: Wir sprechen jeden Tag miteinander und agieren auf Augenhöhe, auch wenn ich formal der Aufsichtsratsvorsitzende bin. Aber es geht nicht um Formalitäten, es geht um Vertrauen.

Was ist, wenn Sie uneins sind?

Isabella Neven DuMont: Wir diskutieren dann, es gibt immer eine Lösung.

Frau Neven DuMont, Sie haben das Büro Ihres Vaters bezogen.

Isabella Neven DuMont: Ja, ich bin so halb eingezogen.

Wie kann man halb einziehen?

Isabella Neven DuMont: Auf seinem Stuhl habe ich noch nicht gesessen, aber ich will seine Räume nutzen. Es lebt ein guter Geist im Büro meines Vaters.

Die DuMont-Mediengruppe ist nach dem Einstieg bei der Frankfurt Rundschau in eine schwere Krise geraten. War das der große Fehler Ihres Vaters?

Isabella Neven DuMont: Natürlich würde man das heute anders machen. Die Zeitungen verlieren alle an Auflage und Anzeigenumsatz. Ich kritisiere das aber nicht, die Zeiten waren andere, ich war damals auch noch nicht im Haus.

Herr DuMont Schütte, Sie waren dabei.

Christian DuMont Schütte: Die Entscheidung ist von allen damaligen Vorstandsmitgliedern und dem kompletten Aufsichtsrat getroffen worden. Sie war getrieben von der Motivation, die Frankfurter Rundschau als publizistische Einheit zu erhalten. Immerhin: Die Zeitung gibt es noch, unter dem Dach der FAZ.

Was sind die Lehren aus dem Scheitern mit der Frankfurter Rundschau?

Isabella Neven DuMont: Alles, was wir machen, muss nicht nur publizistisch reizvoll, sondern auch wirtschaftlich vernünftig sein.

Was heißt das für die Berliner Zeitung?

Isabella Neven DuMont: Wir schauen auch hier genau auf die Entwicklung. Eine so relevante Medienmarke wie die Berliner Zeitung wollen wir erhalten. Ich erzähle ja kein Geheimnis, wenn ich sage, dass das wirklich schwer ist. Berlin ist einer der am härtesten umkämpften Medienmärkte, anders als beispielsweise Köln oder Halle. Wir haben in Berlin starke Konkurrenz.

Das klingt nicht sehr zuversichtlich?

Christian DuMont Schütte: Zusätzlich zu den Veränderungen, die sich aus der "Perspektive Wachstum" ergeben, denken wir an Kooperationen mit den anderen Tageszeitungen in Berlin. Wir prüfen, was politisch und kartellrechtlich möglich ist. Es ist an der Zeit für einen solchen Plan. Das Kartellrecht für Zeitungen stammt aus dem letzten Jahrhundert und blendet die heutige digitale Medienrealität aus. Die Betrachtung orientiert sich ausschließlich an der Zahl der Zeitungsleser und an den Werbemärkten der Vergangenheit. Inzwischen sind aber ganz andere Wettbewerber relevant, denken Sie an Google und Facebook.

Die Auflage sinkt, es gibt offenbar deutliche Verluste. Wie schlecht sind die Zahlen bei der Berliner Zeitung?

Christian DuMont Schütte: Der Berliner Zeitungsmarkt ist für alle Beteiligten schwierig, für die Berliner Morgenpost, für den Tagesspiegel, für uns mit der Berliner Zeitung und dem Berliner Kurier und auch für Springer mit der Bild-Zeitung, der BZ und der Welt. Eine Lösung, die es allen leichter machen würde, wäre eine Zusammenarbeit beispielsweise in der Technik, beim Anzeigenverkauf und in der Buchhaltung - also überall, nur nicht im Publizistischen, die Redaktionen müssen unabhängig bleiben. Eine Reform des Kartellrechts steht im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, sie könnte so ein Modell ermöglichen. Darüber sprechen wir.

Wie lange wird es überhaupt noch die gedruckte Zeitung geben?

Isabella Neven DuMont: Wir hatten hier mal jemanden, der hat gesagt: Noch fünf Jahre wird es gedruckte Zeitungen geben, und das ist länger als fünf Jahre her. Wir gehen davon aus, dass es die gedruckte Zeitung noch sehr, sehr lange geben wird.

Wie wird die Zeitung überleben?

Christian DuMont Schütte: Wenn wir weiterhin eine hohe journalistische Qualität anbieten, wird die gedruckte Zeitung noch sehr viel länger überlebensfähig sein, als viele denken - allerdings ergänzt um weitere Produkte und Vertriebskanäle mit einem anderen Preismodell. Die Werbewirksamkeit einer Zeitung und ihre hohe Glaubwürdigkeit werden bei einer hochwertigen Klientel auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Aber auch die DuMont-Mediengruppe muss sparen. Fürchten Sie nicht eine Spirale nach unten, bei der guter Journalismus kaputtgespart wird?

Christian DuMont Schütte: Nein, wir wollen nicht an der journalistischen Qualität sparen. Wir prüfen vielmehr, wo wir dank neuer Technologien und kreativer Modelle sparen können.

Wer wird sich künftig im Vorstand um publizistische Fragen kümmern, nachdem Robert von Heusinger nun ausscheidet?

Isabella Neven DuMont: Wir werden uns künftig als Herausgeber intensiver um publizistische Fragen kümmern und werden dazu einen Beauftragten der Herausgeber berufen, der für Publizistik zuständig ist und parallel zum Vorstand arbeiten wird.

Warum nicht als Vorstandsmitglied?

Christian DuMont Schütte: Wir brauchen jemanden, der sich mit den publizistischen Herausforderungen befasst.

Isabella Neven DuMont: Der Beauftragte soll vor allem dafür sorgen, dass unsere publizistische Qualität erhalten bleibt und neue publizistische Projekte vorangetrieben werden. Die sind durchaus von Region zu Region unterschiedlich, die Mitteldeutsche Zeitung hat sicher einen anderen Blickwinkel als die Berliner Zeitung.

Das ist eine in Deutschland wohl einmalige Position. Ist das eine Art Ober-Chefredakteur?

Isabella Neven DuMont: Nein. Er oder sie soll die Redaktionen unterstützen und das Bindeglied zwischen den Herausgebern und den Zeitungen sein. In allen publizistischen Aspekten berichtet der Beauftragte an uns, und wenn es operativ wird, an den Vorstand.

Alfred Neven DuMont hat mal gesagt: Die goldenen Zeiten der Verleger sind vorbei: Hatte er recht?

Christian DuMont Schütte: Wenn man golden wörtlich nimmt, stimmt das. Umsatzrenditen von deutlich über zehn Prozent gibt es inzwischen nicht mehr. Diese Zeiten sind vorbei und die Konsolidierung im Markt wird fortschreiten. Aber der Journalismus ist nach wie vor sehr wichtig und ungeheuer spannend, denn es bewegt sich viel. Die Möglichkeiten für kreativen und hochwertigen Journalismus über alle Kanäle hinweg waren noch nie so gut wie heute, und wir werden sie nutzen.

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