Deutsche Serien:Kommando zurück

Lesezeit: 3 Min.

RTL überlässt Amazon "Deutschland 83". Der Streamingdienst setzt die Spionage-Serie mit zwei weiteren Staffeln fort. Der Versuch des deutschen Fernsehens, an US-Erfolge anzuknüpfen, ist damit erst einmal gescheitert.

Von Katharina Riehl

In einer internen Präsentation hat die Produktionsfirma Ufa Fiction den Erfolg von Deutschland 83 noch einmal farbenfroh zusammengefasst. Der US-Sender Sundance konnte, so heißt es da, mit der Serie über einen DDR-Spion im Westen seinen Marktanteil zur Sendezeit verdoppeln. Im britischen TV hatte Deutschland 83 den besten Start einer fremdsprachigen Serie überhaupt. Der Achtteiler wurde in mehr als 50 Sendegebiete verkauft, gewann den Grimme-Preis und wurde sogar von Tom Hanks öffentlich gelobt.

Nicht erwähnt wurde in diesem kleinen Memorandum des Erfolges jene Einschaltquote, die Deutschland 83 auf dem deutschen Markt erreicht hat. Der Privatsender RTL hatte die mit Jonas Nay, Ulrich Noethen und Maria Schrader prominent besetzte Serie in Auftrag gegeben und schien nach der Ausstrahlung im November des vergangenen Jahres als einziger Verlierer aus dem Prestigeprojekt hervorzugehen. Von 3,2 Millionen Zuschauern zum Start blieben am Ende nur 1,63 Millionen übrig. Ein Flop für einen Sender, dessen Werbepreise sich nach der Quote richten.

Der Spion, der aus der Zone kam: In Deutschland 83 wurde Martin Rauch (Jonas Nay) angeworben, in Deutschland 86 setzt er seine Karriere als Doppelagent fort. (Foto: Laura Deschner/RTL)

Es ist nur teilweise erstaunlich, was schon länger vermutet wurde und an diesem Freitag offiziell verkündet wird: Die RTL-Serie Deutschland 83 um den Doppelagenten Martin Rauch wird vom Streamingdienst Amazon fortgesetzt. Die Dreharbeiten zu Deutschland 86 sollen im kommenden Jahr starten und teils im südlichen Afrika spielen, an einer "heißen Front inmitten des Kalten Krieges". Eine dritte Staffel, die vom Jahr des Mauerfalls erzählen soll, ist bestellt. Auch RTL wird die neuen Folgen zeigen, allerdings erst zehn Monate nach der Premiere. Der Sender hat lediglich den Erstzugriff fürs Free-TV und so sein Risiko minimiert.

Für die Macher der Serie, für das Ehepaar Anna und Jörg Winger, die Deutschland 83 gemeinsam erfunden haben, ist das ein toller Erfolg, ebenso für die Ufa, die nun endlich auch einen Deal mit einem Streaming-Anbieter vorweisen kann. Mit Dark von der Firma Wiedemann & Berg ging ja im Frühjahr erstmals eine deutsche Serie an den Amazon-Konkurrenten Netflix. Jörg Winger sagt: "Wir machen zum ersten Mal aus Deutschland heraus eine Serie für die ganze Welt. Da wir jetzt wissen, dass Deutschland 86 weltweit in den Medien im Gespräch sein wird, stellt sich schon ein gewisses Hollywoodgefühl ein."

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RTL begnügt sich mit dem Erstzugriff fürs Free-TV und hat damit sein Risiko minimiert

Vor allem aber verrät die Fortsetzung von Deutschland 83 beim amerikanischen Allesverkäufer Amazon einiges über Gegenwart und Zukunft des deutschen Serienfernsehens. Die Spionage-Story bei RTL galt als einer der ersten Versuche, hierzulande an die komplex erzählten Erfolgsserien aus den USA, aus England und Skandinavien anzuknüpfen, und zwar bei einem Sender, der seine Quoten sonst mit simplen und lauten Geschichten über die Autobahnpolizei verdient. Der Versuch darf jetzt, wo Amazon übernimmt, für RTL offiziell als gescheitert gelten, und ein erster Befund wird wohl sein, dass Qualitätsserien und deutsches Fernsehen nicht so recht zusammenpassen. Man erreicht mit ihnen nie so viele Menschen wie mit einfach gewebten Gebrauchsgeschichten.

Die öffentlich-rechtlichen Sender arbeiten derzeit heftig ihrerseits an solchen Versuchen zur hochwertigen Serie, berühmte Regisseure wie Tom Tykwer, Hans-Christian Schmid, Sönke Wortmann und Christian Schwochow wurden dafür engagiert. Womöglich werden also auch ARD und ZDF demnächst zeigen müssen, wie entspannt ihr Umgang mit hochwertigen Quotenflops ausfällt.

Amazon aber will keine Quote, Amazon will Abonnenten für sein Prime-Angebot, das auch kostenlos Socken nach Hause liefert. Dort setzt man auf bekannte Namen und (wie in diesem Fall) bekannte Marken - und lässt den Machern sonst völlig freie Hand. Sebastian Werninger, gemeinsam mit den Wingers Produzent der Serie, sagt: "Grundsätzlich gibt es für keinen Partner mehr Mitspracherechte, und wir können vollkommen unabhängig entwickeln und produzieren. Dieser Deal verändert viel in der deutschen Produktionslandschaft und setzt neue Standards."

Ein deutscher Sender, das wird klar, auch wenn natürlich niemand das so sagen will, wird niemals solche Arbeitsbedingungen für Kreative bieten . Und darf sich daher auch nicht beschweren, wenn die wirklich spannenden Projekte von den Sockenhändlern aus Seattle realisiert werden.

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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