Süddeutsche Zeitung

"Derby Girl" auf ZDF Neo:Vorbild Zinédine Zidane

Lola, einst erfolgreiche Eiskunstläuferin, will berühmt werden und landet bei einer skurrilen Roller-Derby-Truppe. "Derby Girl" ist ein irrer Coming-of-Age-Ritt, angenehm unparfümiert.

Von Kathrin Müller-Lancé

Als "Eislaufmutter" bezeichnet man im küchenpsychologischen Fachjargon ja Mütter, die ihre Kinder erbarmungslos zur Karriere zwingen. Was das mit einem Kind macht, zeigt die französische Serie Derby Girl, die bei ZDF Neo anläuft. Schon in jungen Jahren wird Lola Bouvier (Chloé Jouannet) von ihrer Mutter (Olivia Côte) getrimmt, Eiskunstläuferin zu werden. Die beste überhaupt.

Doch es kommt anders: Als Lola ausgerechnet bei der Weltmeisterschaft nur den zweiten Platz belegt, gibt sie der Siegerin eine Kopfnuss und hackt ihr mit der Kufe des Schlittschuhs einen Finger ab. Lola wird vom französischen Eissportverband ausgeschlossen. Was zunächst nach einer dieser klassischen Eislaufserien aussieht, wie sie zum Beispiel Netflix mit Spinning Out und Zero Chill produziert hat, entpuppt sich als ziemlich irrer Coming-of-Age-Ritt, irgendwo angesiedelt zwischen Wilde Kerle und Sex Education.

Lola jobbt im Sportladen, ihre Schlittschuhe hängen immer noch im Zimmer

"Nach der Weltmeisterschaft wurde Lola mit Tonya Harding verglichen", hört man den Erzähler sagen, "aber nach eigener Aussage war ihr Zidane schon immer lieber". Ausgerechnet zwei Skandalsportler stehen also Pate für die Hauptfigur. Tonya Harding, die Eiskunstläuferin, deren Ehemann 1994 ein Attentat auf ihre stärkste Konkurrentin organisierte. Und Zinédine Zidane, Weltfußballer, der bei der WM 2006 seinen Gegner mit einem Kopfstoß niederstreckte.

Die eigentliche Handlung von Derby Girl setzt zehn Jahre nach Lolas Fehltritt ein, die ehemalige Vizeweltmeisterin jobbt mittlerweile in einem Sportladen. So ganz hat sie den Traum vom Berühmtwerden aber nicht aufgegeben. Die Schlittschuhe hängen noch in ihrem Kinderzimmer. Durch einen Zufall kommt Lola eines Tages in Kontakt mit der örtlichen Roller-Derby-Szene. Diese Vollkontaktsportart verhält sich zum Eiskunstlauf in etwa so wie die TV-Total-Stock-Car-Crash-Challenge zur Formel 1.

Es geht um Intimrasur und Vibratoren, blaue Flecken und zertrümmerte Autofenster

Trotzdem: Lola beschließt, "die größte Roller-Derby-Spielerin aller Zeiten" zu werden und tritt den Cannibal Licornes (auf Deutsch etwa: "kannibalistische Einhörner") bei. Diese skurrile Truppe ist zwar nicht sonderlich stark in der Liga, dafür in Sachen Diversität und Akzeptanz. "Hier bei uns wird niemand verurteilt", macht die Kapitänin in einem Training klar, und das fasst das bunte Team ganz gut zusammen. Da wäre zum Beispiel die schlecht gelaunte Transfrau, die eigentlich gern Sängerin werden würde. Die alleinerziehende schwarze Mutter, die nebenbei einen Pizzawagen betreibt. Und das unter Angststörungen leidende Mauerblümchen, das auf Tinder nach der großen Liebe sucht.

Bei aller Schrulligkeit verhandelt die Serie so schließlich ein klassisches Thema: Es geht um Schwach gegen Stark. Wie David gegen Goliath kämpfen die Cannibal Licornes im Finale der Meisterschaft gegen die eigentlich hoch überlegenen Favoritinnen.

Derby Girl ist eine Teenieserie, die angenehm unparfümiert daherkommt. Es geht um Intimrasur und Vibratoren, um blaue Flecken und zertrümmerte Autofenster. Stellenweise wirkt das vielleicht ein bisschen drüber, es ist aber immerhin nicht langweilig. Und vermittelt ein wesentlich emanzipierteres Frauenbild als das der klassischen Eisprinzessin.

ZDF Neo: Freitag, 30. April, ab 23.30 Uhr, alle Folgen am Stück ZDF-Mediathek: alle Folgen abrufbar von Samstag, 1. Mai 2021, bis Samstag, 21. Juni 2021.

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