Nachruf auf Joachim Preuß:Der Mann, der keine Karriere machen wollte

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Joachim Preuß (1945 - 2021), das Foto entstand 1999.

(Foto: Marc Darchinger/darchinger.com)

Joachim Preuß, viele Jahre stellvertretender Chefredakteur des "Spiegel", ist tot.

Von Wolfgang Krach

Der Spiegel ist in den 74 Jahren seines Bestehens nicht gerade mit humor- oder ironiebegabten Menschen in seiner Chefredaktion gesegnet gewesen. Zu der Minderheit dieser Spezies gehörte Joachim Preuß. Preuß, 1945 in den Wirren des Kriegsendes in Badekow, nordöstlich von Lüneburg, geboren, wuchs in Hamburg-Othmarschen auf und blieb seiner Stadt und seinem Stadtteil treu. Er absolvierte eine Banklehre, studierte Betriebswirtschaft (natürlich in Hamburg), und ging dann zur Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Von dort holte ihn der damalige Wirtschafts-Ressortleiter Werner Funk 1977 zum Spiegel.

Schnell wurde Preuß stellvertretender Wirtschaftschef, dann Leiter des damals neu erfundenen Ressorts K III, das sich mit Sport, Zeitgeist und Modernem Leben beschäftigen sollte. Preuß war zuständig fürs Leben. Er schrieb, mal locker-flockig, mal ironisch-distanziert, jede Menge Titelgeschichten und zusammen mit dem späteren Chefredakteur Hans Werner Kilz 1983 auch das Buch "Flick - Die gekaufte Republik", bis heute das Standardwerk zur bundesdeutschen Parteispendenaffäre.

Er lehnte die eine oder andere Beförderung ab

Preuß, begeisterter Skat-Spieler und HSV-Fan, war alles andere als ein Karrierist. Er lehnte die eine oder andere Beförderung ab - nicht ohne bei einem langen Elbspaziergang alles Für und Wider abgewogen zu haben. Doch als ihn Kilz 1994 als Stellvertreter in die Chefredaktion rief, war er einverstanden. Nach dem Rauswurf von Kilz beim Spiegel und dessen Wechsel zur Süddeutschen Zeitung zeigte sich Preuß dem Nachfolger Stefan Aust gegenüber erst mal hanseatisch kühl. Aust freilich wollte ihn unbedingt als Stellvertreter halten; er wusste, dass Preuß ein guter Blattmacher und in der Redaktion beliebt war. Es dauerte eine Weile, bis Preuß sich anfreunden konnte mit Aust, der von Spiegel TV gekommen war. Doch als Aust 2008 gehen musste, ging Preuß aus Solidarität gleich mit.

Wer es mit Preuß in der Chefredaktion zu tun hatte, begegnete einem freundlichen, kundigen, ja lässigen Kollegen, der viel lachte und sich selbst nicht zu wichtig nahm - kurzum: einem liebenswerten, feinen Menschen. Am Dienstag ist Joachim "Jockel" Preuß im Alter von 76 Jahren nach langer Krankheit in Hamburg gestorben.

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Andreas Wenderoth

Journalismus
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Der freie Autor erhält die Auszeichnung für seinen Beitrag "Dr. Gross, der Übermensch" im Magazin "Reportagen".

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