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"Der Scheich" bei Paramount+:Ein Schein von Scheich

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Regisseur Dani Levy erzählt auf Paramount+ die Geschichte eines Hochstaplers, der einfach nicht Nein sagen kann. Das ist zwar sehr sympathisch, aber auch sehr unglaubwürdig.

Von Philipp Riessenberger

"Zuerst war es das Geld. Und dann habe ich es einfach nicht mehr übers Herz gebracht, ihn zu enttäuschen. Du weißt, ich kann nicht Nein sagen", antwortet Ringo Babbels auf die Frage seiner Lebensgefährtin, warum er sich als Scheich ausgibt und eine Scheinfirma mit 20 Angestellten in der Schweiz betreibt. Ringo (Björn Meyer) ist ein liebenswerter, etwas unbeholfener und analphabetischer Diabetiker aus dem Schwarzwald, der mit seiner Lebensgefährtin Carla (Petra Schmidt-Schaller) zusammenlebt. Er kann - das wiederholt er häufig - einfach nicht Nein sagen. Deswegen hat er vor einiger Zeit eine Tasche von zwei Ganoven angenommen. Deren Inhalt - 100 000 Euro, von denen Ringo nichts ahnt - bringt die Geschehnisse in Dani Levys neuer Serie Der Scheich zum Rollen. Der Schweizer Regisseur hat sich für die erste deutsche Eigenproduktion des Streaming-Anbieters Paramount+ von den "wahren Lügen" des Hochstaplers Volker Eckel inspirieren lassen. Der hatte 2008/09, als falscher Scheich, Schweizer Geschäftsleute um hohe Beträge geprellt.

Ein wildes Spektakel: Es gibt tanzende Bundesrätinnen und singende Bauunternehmer

In Der Scheich müssen die Protagonisten erst einmal "nur" die 100 000 Euro zurückgeben. Das Problem: Ringo hat sie nicht mehr. Als er bei einer Veranstaltung in Zürich, in die er während eines Familienausflugs zufällig hineingerät, auf den Immobilienmakler Urs (Philippe Graber) trifft, stellt er sich diesem als Sohn des Emirs von Katar vor.

Aus dieser Lüge entwickelt sich ein großer Betrug: Ringo erwirbt eine Villa am Zürichsee, stellt Leute für seine Scheinfirma an und wird fast Investor beim ältesten, traditionsreichsten Fußballverein der Stadt, ohne jemals auch nur einen Cent auf den Tisch zu legen. Alle hofieren den Schein-Scheich: Bauinvestoren, Sportfunktionäre, Politiker. Und alle werden daran erinnert, dass es bei Geschäftsabschlüssen in der arabischen Welt üblich sei, Geldgeschenke zu geben. Die Geschichte gipfelt in einer Rede im Schweizer Bundesrat, die damit endet, dass die Bundesräte und Bundesrätinnen zu den Klängen arabischer Musik die Hüften wiegen.

Im Schwarzwald ermittelt die Polizei währenddessen in mehreren Mordfällen, und in Carlas Familie tobt eine Fehde. Der Scheich schwankt zwischen Gesellschaftssatire, Krimi und Klamauk, manchmal sogar Musical. Ein wildes Spektakel, allerdings greifen die verschiedenen Genres und Erzählstränge nicht immer sinnvoll ineinander.

Ein unbedarfter Betrüger ist zwar ganz nett, aber auch etwas unglaubwürdig

Das eigentliche Problem aber ist die Figur des Scheichs. Das anfängliche Geldproblem ist sehr bald gelöst. Von da an handelt Ringo in einem Motivationsvakuum, in dem alles nur geschieht, weil er nicht Nein sagen kann. Er hat keine besondere Freude an seiner Rolle als Scheich und ist auch nicht besonders gierig oder ehrgeizig.

Björn Meyer spielt den Kastenbrille tragenden, übergewichtigen und mehrfach gehandicapten Ringo sehr überzeugend und lässt echte Sympathie für die Figur aufkommen, aber woher die Chuzpe und Kaltschnäuzigkeit kommen, mit denen der Scheich seine Lügen durchzieht, bleibt offen. Eine Hochstaplerfigur, die nicht durch Glätte, großes Geschick und kalte Berechnung glänzt, sondern die Zuschauer durch sympathische Unbedarftheit an sich bindet, hat ja grundsätzlich etwas Erfrischendes. Den Zuschauern allerdings wird an keiner Stelle überzeugend vermittelt, warum so viele Menschen diesem sehr bleichen und nicht Arabisch sprechenden Ringo seine Rolle als Scheich abnehmen. Man schaut ihm dabei zu, wie er gute Miene zu bösem Spiel macht, zu allem Ja sagt und durch seine eigene Geschichte stolpert. Am Ende überwiegt das Gefühl, dass es auch dann wichtig wäre, eine unglaubliche Geschichte glaubhaft zu erzählen, wenn sie auf wahren Begebenheiten beruht.

Der Scheich, acht Folgen auf Paramount+.

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