"Der Meisterfälscher" auf 3sat:Einmal Seele in Öl

Der Meisterfälscher (1/5)

Ehemaligen-Treffen: Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi porträtiert Ex-Late-Night-Talker Harald Schmidt.

(Foto: 3SAT)

Talk mit dem Fälscher: In einer Dokumentation auf 3sat lassen sich Harald Schmidt, Christoph Waltz und Gloria von Thurn und Taxis von Wolfgang Beltracchi malen. Der Film liefert einige nette Frotzeleien.

Von Catrin Lorch

Der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi ist verurteilter Straftäter, aber das hindert ihn nicht daran, Medienkarriere zu machen. Als Freigänger im offenen Vollzug wurde er zum gefragten Talkshow-Gast. 3sat schenkt ihm jetzt noch Sendeminuten dazu. Gleich fünf Folgen lang wird man ihn in der Sendung Meisterfälscher erleben. Beltracchi darf Prominente in sein Atelier bitten, zur Portraitsitzung. Natürlich wird hier nicht gefälscht, der Titel ist ein Flirt mit dem Verbotenen.

Beltracchi war der Maler, der dem Kunstmarkt, nach eigenen Angaben, ein paar hundert Fälschungen untergeschoben hat und damit wohl zig Millionen verdiente. Er trifft nun Menschen wie den Oscar-Preisträger Christoph Waltz oder Bestseller-Autor Daniel Kehlmann zur Portraitsitzung. In der ersten Folge sitzt ihm Harald Schmidt Modell, der im lahmen deutschen Nachtprogramm den Late-Night-Talk etablierte, als respektloses, lustiges, fieses Ritual. Auch Schmidt ist ein Ehemaliger, seit er im März aus dem Programm von Sky flog.

Es geht offen zu, unter den beiden Männern, die sich anfrotzeln, dass das alte Geschäftsmodell nicht mehr so recht ziehe. Beltracchi unterhält als Freigänger - seine Haftstrafe endet in einigen Monaten - ein Atelier in einem Hinterhof in Köln, während sich Schmidt zur Resozialisierung im richtigen Leben eine Ecke in einem dieser Mehrzweckgebäude gesichert hat, die sich, je nach Bedürfnis, in Studios, Werkstätten oder Kreativateliers verwandeln. Als Beltracchi zur Portrait-Übergabe vorbeischaut, checkt er Börsennachrichten.

Beltracchis eigener Mythos

Das Bild und seine Entstehung sollen im Mittelpunkt der Episoden stehen, Anlass sein für Fernsehtalk, durchaus auch tiefergehende Erkenntnisse. So eine Künstlerseele spiegelt ja mehr als nur das Äußere. Und will auch mehr von sich preisgeben, im Fall Beltracchi zumindest. Von seiner neuen Identität als richtiger Künstler. Der kann natürlich den geforderten Stil liefern, jeden Stil. Otto Dix? Deutscher Expressionismus? Das braucht ein paar Stunden am Katalog, beim Reingrooven geht es kenntnisreich zur Sache, die feinen flatternden Hände von Hugo Simon auf dem rotgrundigen Portrait, die könnten zur Vorlage taugen.

Man kommt der Kunst allerdings bei aller Kundigkeit nicht näher, weil Wolfgang Beltracchi ja vor allem den eigenen Mythos am Laufen hält - wozu die Behauptung gehört, dass er niemandem wirklich geschadet habe. Harald Schmidt fragt brav nach. Immerhin gibt ihm so ein Gespräch Gelegenheit, den alten Zyniker ein bisschen raushängen zu lassen, schon weil ihm für die Seelensitzung keiner ein Script geschrieben hat. Alles ein Riesenspaß. Und der graugelockte, spitzbärtige Beltracchi ein technisch versierter Meister, der potenziell ja schon deswegen den hoch gehandelten Größen überlegen ist, weil er sie alle perfekt fälschen konnte. Campendonck plus Ernst plus Pechstein multipliziert um die vielen Meister, deren Fälschung er nicht zugibt. Angeblich hängen die Museen ja voll davon.

100 000 Euro pro Abend

Raffiniert ist er indes vor allem im Fabulieren - getrieben vom Gefühl, da könne ja doch noch Kunstgeschichte draus werden. Meisterlich seine Adaption des Mythos vom früh vollendeten Pablo Picasso. Auch der kleine Wolfgang, Sohn eines Kirchenmalers, hatte seine Technik schon mit 14 perfektioniert. Um, just zu dem Zeitpunkt, seinen ersten Picasso zu malen. Nur besser natürlich.

In hundert Jahren, so rundet sich die Behauptung bei der Übergabe des Bildes, werde kein Mensch mehr Harald Schmidt kennen. Nur das von Beltracchi gemalte Portrait, im Museum, werde vom Ruhm bleiben. Was das kostet? Das kann der Zuschauer sich ausrechnen: Der Entertainer bekommt das Bild anstelle eines Honorars. Früher habe das 100 000 Euro pro Abend betragen, früher, als Beltracchis Leinwände auch noch für Millionen gehandelt worden seien. Direkter kann man das Verkaufsgespräch nicht formulieren.

Botticelli runterrocken

Woran es mangelt, warum bislang niemand seine Eigenschöpfungen ausstellen mag? Schwer zu sagen, es sieht einfach nicht aus. Auch wenn er ankündigt, nach dem Abschied von Harald Schmidt nachmittags noch einen Botticelli runterzurocken, da wird keine Kunstgeschichte draus werden in einem Atelier, in dem die Monumentalformate wie düstere Plakatkunst die Wände verstellen. Wolfgang Beltracchi hat sein Talent darauf verwendet, Erfolgreicherere nachzuahmen - nicht einmal ihm selbst waren die eigenen Visionen viel wert.

Solange er mit "Beltracchi" signiert, darf der Maler jeden Stil nachahmen. Wobei auch für die fernste Zukunft nicht anzunehmen ist, dass jemand den bebrillten Schmidt für einen Verwandten der feinen, fast hysterischen Herren und Damen hält, die das Atelier von Otto Dix auf Leinwand und in Öl verließen.

Der Meisterfälscher, 3sat, Samstag, 22.05 Uhr (Harald Schmidt) und 22.35 Uhr (Gloria von Thurn und Taxis); am 13. Dezember, 22.35 Uhr (Daniel Kehlmann) und 23.05 Uhr (Tochter Franziska) sowie am 20. Dezember, 22 Uhr (Christoph Waltz).

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: