Dementis in der Politik:Der Code des Leugnens

Auch im Fall Strepp muss man ganz genau auf den Wortlaut achten bei dem, was bestätigt wird oder bestritten. Wie in Arbeitszeugnissen gibt es bei Dementis einen Geheimcode. Die unterschiedlichen Härtegrade liegen zwischen dem knallharten Leugnen eines wahren Sachverhalts bis hin zu Haarspaltereien. Und natürlich gibt es die Wahrheit "zu neunzig Prozent".

Hans Leyendecker

Wenn in einem Arbeitszeugnis steht, dass ein Buchhalter "zunehmend über ein gewisses Zahlenverständnis" verfügt habe oder ein Journalist "alles in allem verlässlich" arbeite, wissen die Kundigen sofort Bescheid: Der Buchhalter ist eine Niete und der Journalist ein Risiko für jeden Verlag und jeden Sender.

Einen ähnlichen Geheimcode gibt es auch bei Dementis. Es gibt die echten, die falschen und die anderen, darunter die halbwahren. Mancher Journalist hält Dementis für das Gegenteil, so eine Art von Bestätigung gibt es oft im Geheimdienstmilieu. Andererseits wird manche politische Bestätigung, wie im Fall des ehemaligen CSU-Sprechers Hans Michael Strepp, zunächst in weichen Dementis versteckt, die Hintertüren offenlassen.

Die unterschiedlichen Härtegrade bei den Dementis liegen zwischen dem knallharten Leugnen eines wahren Sachverhalts bis hin zu Haarspaltereien, und sie sind oft, anders als das Publikum manchmal glaubt, kein echter Widerruf. Im August 2010 etwa meldete die Bild-Zeitung, "Hessens scheidender CDU-Ministerpräsident Roland Koch" habe "für eine absolute Führungsposition in der Wirtschaft zugesagt" und solle Vorstandsvorsitzender beim Baukonzern Bilfinger Berger werden. "Unfug", "falsch" ließ Koch verbreiten. Zwei Monate später war er Chef bei Bilfinger Berger, und Kochs alte Umgebung übte sich in Rabulistik. Das Dementi habe gestimmt. Im August habe Koch, anders als gemeldet, bei Bilfinger Berger noch nicht "zugesagt".

In Zeiten, da Täuschung und Lüge allgegenwärtig seien, stelle schon das Aussprechen der Wahrheit einen revolutionären Akt dar, hat George Orwell gemeint. Aber was ist wirklich und wahr? Ins öffentliche Bewusstsein haben sich die Klassiker der Dementis gebrannt: die klaren Lügen.

In der Watergate-Affäre in den Siebzigerjahren haben das Weiße Haus und der damalige Präsident Richard Nixon dementiert und gelogen, bis der Schwindel aufflog. Ein Riesenskandal. In der Kieler Waterkantgate-Affäre gab es das falsche Ehrenwort des unglücklichen CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel. Diese Form des Dementis führte zur Katastrophe. Berühmt ist auch die Erklärung des früheren US-Präsidenten Bill Clinton, er habe "keine sexuelle Beziehung" zur Praktikantin Monica Lewinsky gehabt. Das war gelogen.

Zu den Historien-Stoffen gehört die Geschichte eines Spiegel-Korrespondenten, der im September 1954 zufällig hinter einer Säule Ohrenzeuge in einem Londoner Hotel war, als Bundeskanzler Konrad Adenauer spätabends im Gespräch unter anderem mit dem belgischen Außenminister Paul-Henri Spaak über die Zögerlichkeit des französischen Ministerpräsidenten klagte. Die Geschichte war eine Sensation, aber Adenauer ließ sie zunächst dementieren. Die Darstellung könne schon deshalb nicht stimmen, weil Spaak an dem Gespräch nicht teilgenommen habe. Der belgische Außenminister erklärte dann listig, er habe nicht, wie behauptet, in Adenauers Runde Zigarre geraucht, denn er sei Nichtraucher. Adenauer räumte schließlich ein, die Geschichte habe "zu neunzig Prozent gestimmt".

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