Telenovelas:Alles für ein Happy End

Telenovelas: Intrigen, Betrug, am Ende aber immer eine Heirat: Szene aus der Telenovela "Cristal", die Delia Fiallo geschrieben hat.

Intrigen, Betrug, am Ende aber immer eine Heirat: Szene aus der Telenovela "Cristal", die Delia Fiallo geschrieben hat.

(Foto: Youtube/Screenshot)

Die Telenovela wurde zum weltweiten Massenphänomen. Vor allem dank der gerade verstorbenen Kubanerin Delia Fiallo. Ein Nachruf.

Von Christoph Gurk

Als Delia Fiallo am Dienstag in ihrem Haus in Florida gestorben ist, war sie stolze 96 Jahre alt und umgeben von ihrer Familie. Es war, bei aller Trauer, darum wohl auch ein schöner Schluss, ein Happy End also, wie so oft bei Fiallo.

"Mutter der Telenovela" wurde die gebürtige Kubanerin auch genannt. Mehrere Dutzend der Fernsehschmonzetten hat sie über Jahrzehnte hinweg geschrieben, viele davon extrem populär in Lateinamerika, aber auch anderswo. Zu den bekanntesten zählen Kassandra, Cristal und María del Mar. Allein Kassandra, einer der größten Erfolge von Fiallo, lief in mehr als 100 Ländern, übersetzt selbst ins Japanische.

Die Serie erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die eigentlich in den Schoß einer wohlhabenden Familie geboren, aber durch die Intrigen einer (natürlich) bösen Stiefmutter von einer Zirkussippe ohne deren Wissen adoptiert wird. Jahre später will es der Zufall - oder besser gesagt: Delia Fiallo - dass sie sich ausgerechnet in den Spross jener reichen Familie verliebt, die sie einst heimlich verstoßen hatte. Es folgen Intrigen, Mord, Liebesschwüre, Verrat und Verwirrung. Doch zum Schluss gibt es ein Happy End, so wie es eben immer ein glückliches Ende geben muss bei einer telenovela.

Geht eine besonders beliebte Sendung zu Ende, fürchten die Behörden Stromausfälle

Seit Jahrzehnten halten die Serien Millionen von Menschen vor den Bildschirmen, in Afrika, Asien, Europa und den USA. In Deutschland gilt Gute Zeiten Schlechte Zeiten bis heute als meistgesehene. Vor allem aber in Lateinamerika, wo die telenovela ihren Ursprung hat, sind die Fernseh-Romanzen mehr als Unterhaltung: Die aktuellsten Serien sind Konversationsthema, manchmal sogar Stoff für Titelseiten von Zeitungen und vor allem integraler Bestandteil des alltäglichen Lebens. Geht eine besonders beliebte Sendung zu Ende, kann es schon mal vorkommen, dass Behörden Stromausfälle fürchten angesichts von Millionen gleichzeitig flimmernder Bildschirme.

Von Feuerland bis zu den Wüsten im Norden Mexikos sehen oft ganze Familien Tag für Tag dabei zu, wie eine meist weibliche Hauptfigur die Herausforderungen meistert, die ihr das Leben und die Drehbuchautoren stellen. Es sind Geschichten, die oft vom Aufstieg erzählen, vom langen Weg vom Land in die Stadt oder aus der Armut in die Oberschicht, Dinge also, die viele Zuschauer selbst erlebt haben - oder sie sich zumindest erträumen.

Telenovelas handeln dazu von der verlorenen, aber wiedergefundenen Liebe, aber auch von verschollenen geglaubten Verwandten. Denn auch das gehört in den Einwanderer- und Auswanderergesellschaften Lateinamerikas zum realen Leben. Die telenovela spiegelt also auch hier die Gesellschaft wider, nur eben mit Weichzeichner.

Murió en Miami la escritora de telenovelas Delia Fiallo, autora de 'Cristal'

Delia Fiallo träumte davon, dass ihre Stoffe auch ins Kino kommen.

(Foto: LEILA MACOR/AFP)

Im Unterschied zur nordamerikanischen Seifenoper, die über Jahre, teils Jahrzehnte hinweg die verschiedenen Erzählstränge immer fortspinnt, folgt die Telenovela vor allem einer Hauptfigur auf ihrem Weg zum Glück, manchmal dauert das ein paar Monate, manchmal ein ganzes Jahr, am Ende aber heiratet die Bauerntochter den Sohn des Großgrundbesitzers und die Arme aus dem Slums erfährt von ihrer wahren Identität und einem unfassbar großen Erbe. Auch wenn es mit der Modelkarriere nicht klappt, wartet am Ende die große Liebe - und was, so suggerieren die Shows, könnte es Wichtigeres geben?

Die Geschichten übertrügen Gefühle, die wir alle hätten, sagte Delia Fiallo 2018 in einem Interview mit CNN. "Die telenovela erlaubt den Hausfrauen daheim am Herd zu träumen."

Fiallo, 1924 geboren in Havanna, begann nach einem Literaturstudium in den 50er Jahren, Hörspiele für das Radio zu schreiben, erst nur abgeschlossene Geschichten. Bald aber experimentierte sie auch mit jenem Format, das damals aus den USA auf die Insel schwappte: Hörfunkserien, die sich speziell an Hausfrauen richteten, unterbrochen nur von Werbeblöcken der Sponsoren, die oftmals Seifenhersteller waren, woher auch der Name des Formats kam: Seifenoper.

Fiallo begann, erste Fortsetzungsgeschichten zu schreiben, allerdings mit einem zuvor festgelegten Ende. Zu wichtig, das wusste sie, war den Hörern und vor allem Hörerinnen in Kuba ein Happy End. Fiallo hatte Erfolg und mit dem Siegeszug des Fernsehens landeten ihre Drehbücher Ende der 50er Jahre auch auf dem Bildschirm.

Telenovelas: In ihrem Studio in Miami hängen Poster von Delia Fiallos Werken an der Wand.

In ihrem Studio in Miami hängen Poster von Delia Fiallos Werken an der Wand.

(Foto: LEILA MACOR/AFP)

Bald entstand in Lateinamerika ein Markt für die telenovelas, Sendungen aus Mexiko liefen auch in Chile, kubanische Produktionen wurden dagegen in Ecuador oder auch in Argentinien ausgestrahlt. Und bald waren die Serien auch in den USA ein Erfolg, wo die großen Latino-Communities ebenso begeistert die telenovelas sahen wie ihre Verwandten in der Heimat. So entstand ein gemeinsames kulturelles Geflecht, gesponnen über tausende Kilometer hinweg. Und Fiallos Leben als Drehbuchautorin war eng verknüpft mit dem Aufstieg der telenovela zu einem popkulturellen Massenphänomen.

Schon 1966 war Delia Fiallo nach dem Sieg der kubanischen Revolution in die USA ausgewandert, von hier aus arbeitete sie wie besessen. Manchmal habe sie eine Serie abgeschlossen und schon am nächsten Tag eine andere angefangen, sagte Fiallo einmal bei einer Preisverleihung und dass sie manchmal so sehr in ihrer Welt versank, dass ihr Mann sich sogar einen Pulli kaufen musste, auf dem "Ich brauche Aufmerksamkeit" stand.

Es sei ein großes Privileg gewesen, so viele Menschen in so vielen Ländern erreichen zu dürfen, sagte Fiallo auch einmal und dass sie darum auch immer versucht habe, dieses Werkzeug für mehr zu benutzen als Einschaltquoten und Werbeeinnahmen. Lange war die telenovela als seicht und schnulzig verschrien, immer wieder aber tauchten dank Autoren wie Fiallo unter der dicken rosafarbenen Romantikschicht auch soziale Probleme, Randgruppen und Konflikte auf.

1985 lief Fiallos letzte Telenovela Cristal, sie träumte vergeblich davon, ihre Stoffe ins Kino zu bringen - und ärgerte sich, dass die neuen telenovelas immer mehr auf Gewalt und Action setzten statt auf Gefühle. Wie sehr sie das Genre geprägt hat, zeigte sich nach ihrem Tod: Im Netz beteuerten Schauspieler, Regisseure und Kollegen aus der ganzen Welt ihre Trauer. "Endloser Applaus für dich", schrieb etwa Coraima Torres, die Hauptdarstellerin von Kassandra auf Instagram.

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