Süddeutsche Zeitung

Debatte:Reden wir darüber

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Journalisten und Justizminister Heiko Maas diskutieren in Berlin über Hass im Netz, Fake News, Filterblasen und die Verantwortung sozialer Medien.

Von Hannah Beitzer

Reden kann man mit Facebook, aber es bringt nicht viel. Es ist kurios, dass ausgerechnet diese Erkenntnis von einer Veranstaltung hängen bleibt, die sich zum Ziel gesetzt hat: "Wir wollen miteinander statt übereinander reden." Das ist das kommunikationsoptimistische Motto der Veranstaltung "Wege aus der Filter Bubble" von Gruner + Jahr, Spiegel, Zeit und der Media Group Medweth in Berlin. Um Fake News soll es da gehen, um Hass im Netz und um die Frage, wie man all das in den Griff kriegen kann.

Eine Frage, die Journalisten nicht nur als Berichterstatter interessiert, sondern auch als Betroffene. Ebenso wie Politiker sind sie Opfer von Hass im Netz und sehen sich und ihre Arbeit in der Debatte um Fake News diskreditiert. Etwa von US-Präsident Donald Trump, der kritischen Journalisten gern Fake News vorwirft. "Journalismus muss sich ganz anders als früher zum Thema machen", glaubt etwa die stellvertretende Spiegel-Chefredakteurin Susanne Beyer.

Die Veranstalter haben Patrick Walker eingeladen, bei Facebook zuständig für "Media Partnerships" und Justizminister Heiko Maas, der hofft, noch in dieser Woche sein Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) durch den Bundestag zu bekommen. Es will digitale Plattformen zwingen, strafbare Inhalte innerhalb bestimmter Fristen zu löschen und droht bei Verstößen mit Geldbußen. Vorausgegangen war ihm ein 14-monatiger Dialogversuch zwischen Politik und Unternehmen, über dessen Ausgang der Minister und Facebook nicht glücklich zu sein scheinen.

Patrick Walker sagt im Gespräch mit Zeit-Online-Chefredakteur Jochen Wegner, er hätte eine Lösung unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Initiativen bevorzugt, anstatt reguliert zu werden. Nutzer und NGOs, die Fake News und Hass widersprechen und melden, spielen in seiner Vorstellung eine große Rolle, ebenso das Durchbrechen von Filterblasen: "Die Leute sollen sich nicht nur innerhalb ihrer Gruppen treffen, die Gruppen sollen untereinander in Kontakt treten."

Funktioniert haben diese Ideen bisher nicht. Hass, Gewalt und Lügen sind nach wie vor auf der Plattform Tag für Tag zu sehen. "Haben Sie sich mit dem Problem zu spät beschäftigt?", fragt Wegner. Nein, klärt ihn der Facebook-Vertreter mit einem freundlichen Lächeln auf. Es beschäftigten sich Tausende Menschen schon seit langer Zeit damit. Nur sei nicht alles, was hinter den Kulissen von Facebook passiere, für die Öffentlichkeit sichtbar.

Eine Antwort, die das Publikum nicht zufriedenstellt. Und auch nicht Justizminister Maas. "Ein Großteil der Bevölkerung ist der Meinung, dass das Internet ein rechtsfreier Raum ist. Das geht nicht", sagt er. Unternehmen wie Facebook müssten sich an Gesetze halten. Auch wenn einige von ihnen das gerne anders hätten. "Da kommen dann Argumente wie: Wenn wir uns an Eure Gesetze halten, dann müssen wir uns auch an die von China halten."

Der Minister erhält hier mehr Beifall als jemals für sein Gesetz

Für solche Aussagen erhält er viel Beifall. Beifall, der seinem NetzDG nicht vergönnt war. Kritiker befürchten, dass es der Meinungsfreiheit schade, weil die Plattformen aus Angst vor Geldbußen mehr Inhalte löschen als nötig. "Werden Sie als der Politiker in die Geschichte eingehen, der der Meinungsfreiheit den Garaus gemacht hat?", fragt Stern-Chefredakteur Christian Krug Heiko Maas. "Jeder, der sich erlaubt, im Internet Regeln aufzustellen, wird gleich in eine Ecke gestellt: als Beschneider von Freiheitsrechten", klagt der Befragte. Sein Gesetz hat er nach viel Kritik angepasst, Löschfristen aufgeweicht, die Strafen abgemildert, den Plattformen externe Gremien nach Vorbild des Jugendmedienschutzes zur Seite gestellt.

Die Frage jedoch, wie Falschmeldungen und Hass bekämpft werden können, ohne dass die Meinungsfreiheit beschnitten werden kann, ist für viele Journalisten noch nicht beantwortet. "Wir müssen um diese großen Plattformen eine gesellschaftliche Debatte führen. Die darf nicht mit einem Gesetz enden", sagt Gruner + Jahr-Chefin Julia Jäkel. Miteinander reden, nicht übereinander. Man muss sich ja nicht immer gleich mögen.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2017
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