DDR-Feriendrama:So tief ist der Balaton

Honigfrauen

Diese Familie muss schnell zur Traumhochzeit (v.l.): Maja (Sonja Gerhardt), Catrin (Cornelia Gröschel), Rudi (Franz Dinda) und Karl (Götz Schubert).

(Foto: Stefan Erhard/ZDF)

Albtraum im Bade-Paradies 1986: Der ZDF-Dreiteiler "Honigfrauen" will harmloser Leichtstoff und großes Drama zugleich sein.

Von Claudia Tieschky

Jede Mutter dieser Welt ist ganz und gar einzigartig, aber trotzdem kann man durcheinanderkommen, wenn man den Fernseher anmacht und die Schauspielerin Anja Kling sieht, die rollenmäßig gerade eine besonders mütterliche Phase hat.

Gerade war sie eine fiese DDR-Mutter, die ihre Tochter so lange zum Doping-Sport trieb, bis dem Kind schwarze Männerhaare auf dem Bauch wuchsen (im Spionage-Drama Der gleiche Himmel). Dann sah man sie als Kontrollfreak-Mama, die mit Gipsbein netter wurde (in der Komödie Zweibettzimmer). Und nun überrascht sie schon wieder mit einer neuen Nuance, als leicht verpeilte, aber attraktive Mutter im sozialistischen Erfurt des Jahres 1986. Dort wurschtelt sich diese Kirsten erstaunlich munter durch - wo sie doch ein "dunkles Geheimnis" hat, wie es der Beipackzettel des ZDF zum Film dramatisch behauptet. Das meint den Umstand, dass Kirstens ältere Tochter nicht das leibliche Kind des braven Ehemanns Karl (Götz Schubert) ist, was keiner weiß und deshalb keinen stört. Der wahre Papa lebt im Westen, man spricht sich gelegentlich. Denn zum Glück gibt es das dunkle Geheimnis Telefon.

Das ist der Ausgangspunkt für die mit drei Teilen groß angelegte ZDF-Erzählung Honigfrauen, was süße DDR-Mädchen bezeichnet, die, wie ein Angeber aus Bayern im Film behauptet, gern an einem ordentlichen Mannsbild wie ihm kleben bleiben. Drücken wir es so aus: Es kommt anders. Optisch bietet das wieder einmal Gelegenheit, im Achtzigerjahre-Chic zu schwelgen, der gar nicht mehr so exotisch ist, weil es ihn jetzt überall wieder zu kaufen gibt.

Das Fernsehen lässt die DDR schon länger mit großer Lust aufleben, den damals noch einsamen Anfang machte vor sieben Jahren die preisgekrönte Familienserie Weissensee, die RTL-Produktion Deutschland 83 wurde 2015 so gut ins Ausland verkauft wie sonst nur Weltkriegsware. Honigfrauen dagegen beginnt wie eine himmelblaue Urlaubsgeschichte.

Das Zelt wird zum Liebesnest, in dem die Wanzen nicht aus der Natur kommen

Die Schwestern Catrin und Maja haben Sonne im Sinn. Es muss endlich der schön flache Badesee Balaton in Ungarn sein, und bis zu diesem Punkt unterscheidet sich das Ganze - abgesehen von der Plattenbaukulisse und selbstgenähten Bikinis - wenig vom Teenagertraum West der Achtzigerjahre, dem elternfreien Camping am Gardasee. Übrigens auch wenig von der Harmloswelt, die das ZDF auf dem Sendeplatz am Sonntag seinen Zuschauern als Gegenstück zum ARD-Tatort bisher verlässlich schenkt.

Doch dann wird der Balaton mit den vielen BRD-Touristen zum west-östlichen Tatort für Stasi und Fluchthelfer, das Zelt zum Liebesnest, in dem die Wanzen nicht aus der Natur kommen. Die ganze Sache entwickelt sich zum UV-bestrahlten Albtraum aus Verrat und Angst und vor allem zu einem Erweckungserlebnis für die jüngere Schwester Maja (herrlich entschlossen: Sonja Gerhardt). Die wird, kaum sitzt sie an einem Luxuspool, vom braven Mädchen zum lupenreinen material girl mit aufsässigen Launen und unbändiger Wut auf ihr Eingesperrtsein im sozialistischen Staat.

Sonja Gerhardt hat für diese Figur nicht nur eine comictaugliche Stirnfalte parat, sondern auch schon Erfahrung. In der vielschichtigen Miniserie Ku'damm 56 war sie zwar blond, spielte aber eine sehr ähnliche Rolle: die kleine Schwester, die sich radikal von allen Erwartungen der Fünfzigerjahre emanzipiert. Maja am Balaton angelt sich nun den unwiderstehlichen Hotelier Tamás (Stipe Erceg). Man zweifelt nicht, dass sie ihn für eine noch bessere Partie auch gern wieder abgeben würde. Catrin (Cornelia Gröschel) bekommt den netten Rudi (Franz Dinda) ab, der ein - diesmal aber wirklich - dunkles Geheimnis hat. Und sie lernt ihren echten Vater kennen, der sie vom Zelt nebenan mit Hingabe beobachtet, was zu gewissen Missverständnissen führt. Weshalb Mutter Kirsten ihren Karl unter Vorwänden zur Reise an den Balaton überredet, um Schlimmeres zu verhindern. Irgendwann sind alle zusammen, die nicht zusammengehören.

Honigfrauen ist eine Mischung, die man einfallsreich nennen könnte. Sie hinterlässt das Gefühl, als wäre das ZDF-" Herzkino" mit Weissensee in den Thermomix gesteckt worden. Tatsächlich ist gar nicht leicht zu entscheiden, ob das alles als harmloser Leichtstoff oder großes DDR-Drama gemeint war. Es wirkt, als wollte man einfach das eine und das andere gleichzeitig. Botschaft: So tief ist der Balaton.

Dass eine derart gemischte Angelegenheit funktionieren kann, zeigte besagte Tanzschulsaga Ku'damm 56, die ihre Figuren allerdings viel feiner entwickelte. Die Honighelden sind verglichen damit bei allem Drama meistens einfach viel zu nett, der einzige Bösewicht ist mehr ein Beschleuniger der Handlung als eine interessante Figur; der Einzige, der richtig aufbegehrt, ist bald tot. Und dann muss manchmal jemand auch noch dringend einen dieser Witze machen, die keiner versteht, weil erst 1986 ist: "Computer? Zu Hause? Eher fällt die Mauer!" Gut, Ende der Nörgelei. Die ganze Sache ist so gemacht, damit man kleben bleibt.

Was soll man sagen? Man bleibt kleben.

Honigfrauen, ZDF, drei Teile, sonntags, 20.15 Uhr.

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