Geschichtsmagazin:Hauptsache, es stimmt

Geschichtsmagazin: Schon in der nächsten Ausgabe nach dieser ersten Nummer von Damals waren die Texte mit Fußnoten versehen.

Schon in der nächsten Ausgabe nach dieser ersten Nummer von Damals waren die Texte mit Fußnoten versehen.

(Foto: Verlag)

"Damals" vertraut auch nach 50 Jahren auf lange, fachlich kompetente Texte. Alle Eigentümerwechsel und journalistischen Trends hat es bislang gut überstanden.

Von Clara Lipkowski

Für manch einen hat die Disziplin Geschichte einen etwas angestaubten Ruf, weil er sofort an Forscher denkt, die in Archiven Akten durchforsten und schwere Monografien auf den Markt hieven. Und viele Geisteswissenschaftler wissen diese besonders sperrig geschriebenen Abhandlungen sogar bravourös zu verteidigen. "Es ist anstrengend, sich ernsthaft mit Geschichte zu beschäftigen", sagt auch die Historikerin Marlene Hiller. Trotzdem ist für sie klar: Die Geschichtswissenschaft ist keine Elfenbeinturmdisziplin. Der Beleg dafür ist das Magazin Damals .

In diesem Jahr erscheint es seit nun 50 Jahren in Deutschland und macht komplexe historische Forschung für interessierte Laien zugänglich. Und zwar - etwas kleiner als DIN A 4 - in einem Format, das sich wunderbar für die Lektüre zu Hause auf dem Sofa oder unterwegs im Zug eignet. Angereichert mit vielen Farbbildern, soll es das Lesen zu einem Freizeitgenuss mit Anspruch machen. Von den 50 Jahren war Hiller 16 Jahre Chefredakteurin, 1996 übernahm sie die Führung, inzwischen ist sie in Rente. Sie sagt: "Damals war für mich immer eine Brücke zwischen Wissenschaft und breitem Publikum."

Aber kann so ein Magazin heute noch, in der Printkrise funktionieren? Ein gedrucktes Heft mit bisweilen altertümlichen Themen, die nicht mehr in die Welt von Social Media und rasantem Nachrichtenkonsum per Smartphone zu passen scheinen?

Damals zeigt, dass das geht. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil es sich seit der ersten Ausgabe von 1969 treu geblieben ist. Das erste deutschsprachige Geschichtsmagazin startete für zwei Mark pro Ausgabe, damals im kleineren DIN A 5-Format. Auf dem ersten Cover ging es noch skandalträchtiger zu: "Ein Millionenbetrug erschüttert Frankreich", titelte Damals, es ging um die intrigenreiche Halsbandaffäre um die französische Königin Marie Antoinette.

Das Themenspektrum wurde später weitgespannt. Zeitgeschichtlich brisante Themen wie der Watergate-Skandal und die Solidarność-Revolution in Polen wechselten sich mit historischen Klassikern wie Rom, Germanen, Byzanz und Templer. Schon von der zweiten Ausgabe an zitierten die Autoren ihre Quellen. Es sollte seriös zugehen. 30 Jahre nach Ersterscheinung kaufte die Deutsche Verlagsanstalt das Magazin vom Gründer und Verleger Hans Rempel. Fortan erschien es in DIN A 4 und wurde bunter, doch nicht weniger fachkundig. Darauf legt Hiller immer großen Wert, genau wie ihr Nachfolger, Stefan Bergmann, der die Redaktion in Leinfelden-Echterdingen, etwa 15 Kilometer südlich von Stuttgart, seit nun acht Jahren leitet. Inzwischen hat der Konradin-Verlag übernommen.

Überwiegend Fachleute wie Historiker und Archäologen liefern die Texte. Andere deutlich jüngere Magazine wie Geo Epoche setzen öfter auf Journalisten als Autoren. Damals seltener, es soll so mehr als Fachmagazin wahrgenommen werden. In der Regel erhält die Redaktion deshalb Texte von Uni- und Hochschulforschern, die sie dann überarbeitet und so lange daran feilt, bis sie auch für den Laien gut verständlich sind. Oft ringen Redaktion und Autor wie in einem Ping-Pong-Spiel um Formulierungen, bis endlich alle zufrieden sind. Fünf feste Mitarbeiter arbeiten daran mit. Spezialisten kümmern sich um das Layout und die beliebten historischen Rätsel.

Zu Zeiten von Marlene Hiller begann die Zusammenarbeit mit internationalen Autoren, sie ließ Beiträge etwa aus Frankreich und Russland übersetzen. Sie führte wissenschaftliche Leserreisen ein, bei denen die Leser die Chance hatten, sich in Syrien oder in Pakistan mit Forschern auszutauschen.

Das Titelthema besteht aus einem großen Themenkomplex, eine Hauptgeschichte wird mit bis zu sechs weiteren Artikeln ergänzt. Und diese Texte sind durchaus lang, sehr lang sogar, manche umfassen acht bis zehn Seiten. Wer sich für Geschichte interessiere, suche eben nicht die schnelle Information, sagt Bergmann, sondern ein Leseerlebnis. Und die Länge sei nötig, um fundiert zu erklären, meint er, gerade in Zeiten von "Fake News". "Twitterstorians", also Historiker oder Fachjournalisten, die auf Twitter geschichtliche Zusammenhänge auf 280 Zeichen erklären, seien daher auch wenig interessant für seine Zielgruppe. Es gehe ja eben nicht um Schnelligkeit, sondern um Details und Hintergrund.

Der überwiegende Teil der Leser ist 45 und älter, männlich und hat einen Universätsabschluss

Dass dieses Beharren auf dem Printprodukt funktioniert, zeigen die stabilen Auflagenzahlen. Damals ist zwar mit 24 000 verkauften Exemplaren weit davon entfernt, unter den großen playern auf dem Markt mitzuspielen. P. M. History beispielsweise hat eine Auflage von 39 000 Exemplaren. Die zweimonatlich erscheinenden Magazine Zeit Geschichte und Geo Epoche liegen bei 55 000 beziehungsweise 100 000.

Aber immerhin, Damals konnte zuletzt seine Auflage im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent steigern. Zwar habe es mal Zeiten gegeben, da lag die Auflage bei 30 000, erzählt Bergmann, "doch das ist lange her". Seither hat sich die Auflage eingependelt, und das findet Bergmann bemerkenswert in Zeiten der Printkrise. Damals ist zwar klein, aber es wird nicht kleiner.

Das liegt auch an der treuen Leserschaft. 70 Prozent der Leser sind Abonnenten, die das Heft nach Hause geschickt bekommen, das hat eine Befragung ergeben. Der Rest holt sich das Magazin für 6,90 Euro am Kiosk oder in Museen, mit denen das Magazin kooperiert. Der überwiegende Teil der Leser ist 45 Jahre und älter, männlich (78 Prozent) und gebildet (67 Prozent haben einen Hochschulabschluss). Auch viele Rentner sind darunter, sagt Bergmann, manch einer bekommt das Blatt seit 20, 30 Jahren.

Für diese Zielgruppe funktioniert das Nischenheft offensichtlich gut. Da verwundert es nicht, dass die Digitalisierung noch nicht angepackt wurde. Zwar gibt es das Heft als pdf-Download, den man sich auf der Internetseite runterladen kann. Doch die Abrufzahlen dümpeln im niedrigen dreistelligen Bereich. Eine App oder einen aufwendigen Social-Media-Auftritt pflegt die Redaktion nicht. Bei Twitter ist Damals nicht, bei Facebook bekommt ein neuer Beitrag mal zwölf, mal 40 Likes.

Wie also wird das Heft weiterbestehen, wenn seine Leser bereits jetzt zu großen Teilen in Rente sind? In fünf bis zehn Jahren werde sich noch nicht viel ändern, glaubt Hiller. Doch spätestens dann müsse auch Damals mit der Zeit gehen. Man denkt schon über andere Formate nach, Podcasts etwa, oder interaktive Bilder in der Digitalausgabe. "Aber wir konzentrieren uns auf das, was jetzt gut funktioniert", erklärt Bergmann, "und nicht darauf, was uns jetzt nichts bringt." Noch zeigen also die Print-Leser, wo es lang geht. Und solange bleibt bei Damals auch erst einmal alles wie es ist.

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