Beth Harmon, die Hauptfigur der Netflix-Serie Das Damengambit, ist lange ein Schachgenie ohne eigenes Schachbrett. Sie ist ein Waisenkind, es sind die Fünfzigerjahre, Beth besitzt ohnehin fast nichts, und wenn sie spielen will, muss sie in den Keller gehen, wo der grimmige Hausmeister über einem Brett brütet, ihr aber nach und nach die wichtigsten Strategien beibringt. Oder sie stellt sich eines vor, das abends an der Decke über ihrem Bett erscheint. Erst als Teenager kauft sie sich ein eigenes - vom Preisgeld, das sie bei ihrem ersten großen Schachwettbewerb gewinnt.
Solchermaßen darben müssen Schachfreunde in deutschen Haushalten künftig noch seltener, auch wenn sie keine Genies sind. Seit dem Start der Serie Ende Oktober 2020 verzeichnen Spieleverlage laut dem Nachrichtenportal Handelskontor enorme Zuwächse im Verkauf von Schachbrettern, beim hessischen Unternehmen Goliath Toys belaufen sie sich auf bis zu 1000 Prozent. Bei den Suchmaschinen gingen die Anfragen hoch - noch nie sollen so viele Menschen auf Google nach Schachbrettern gesucht haben, wie im Dezember 2020. Auf der Plattform Ebay seien die Verkaufszahlen von Schachbrettern um 215 Prozent gestiegen.
Ohne den Einfluss der sehr erfolgreichen Serie auf Kauf- und Spielverhalten der Menschen schmälern zu wollen - immerhin landete sie in 63 Ländern auf dem ersten Platz der beliebtesten Netflix-Formate: Das Damengambit dürfte Hilfe gehabt haben, und zwar, klar, von Corona. Draußen ist es kalt und, das Beste: Man braucht nur die eine weitere Person zum Spielen, die man noch treffen darf. Schach ist in Pandemiezeiten einfach zum Erfolg prädestiniert. Zu hoffen ist nur, dass die Frustration darüber, dass man selbst vielleicht nicht demnächst in Designerkleidern an Turnieren in Paris, New York und Moskau teilnehmen wird, wie es die Schauspielerin Anya Taylor-Joy in der verschwenderisch ausgestatteten Miniserie tut, nicht allzu groß ist - bis auf Weiteres fallen die sowieso alle aus.