Süddeutsche Zeitung

"Das Damengambit" auf Netflix:Quadratisch, logisch, gut

In "Das Damengambit" geht es Anya Taylor-Joy als Schachgenie ums Gewinnen und um andere Suchtmittel. Selbst wer mit Schach nichts anfangen kann, wird diese Serie mögen.

Von Theresa Hein

Splitscreens, sehr Siebzigerjahre, oder? Das ist wahr, aber in welches Umfeld passen geteilte Bildschirme wohl besser als in eines, das dominiert wird von quadratischen, kleinen Feldern - wie ein Schachturnier? Na, also.

Die Entscheidung zum Splitscreen ist nur einer der vielen ästhetischen Kniffe von Regisseur Scott Frank für seine malerische Verfilmung des Achtzigerjahre-Romans Das Damengambit. Im Zentrum steht Elizabeth Harmon, gespielt von Anya Taylor-Joy, ihres Zeichens fiktives Schachgenie im Amerika der Sechziger- und Siebzigerjahre.

Die Serie setzt ein, als Beth acht Jahre alt ist. Nach dem Tod ihrer Mutter wird sie ins Waisenhaus gebracht. Eine der ersten Lektionen, die Beth dort lernt, könnte aus einem John-Irving-Roman stammen: Es gibt tatsächlich Menschen, die es gut mit ihr meinen. Und: Es gibt Pillen, die beim Einschlafen helfen, aber halluzinogene Nebenwirkungen haben (und die außerdem abhängig machen). Und einen Hausmeister (Bill Camp), der Beth das Schachspielen beibringt und sonst nichts, außer vielleicht der Tatsache, dass sie außergewöhnlich ist.

Helfen Freunde besser oder doch der Alkohol?

Beth wächst vom lokalen Phänomen heran zu einer der besten Schachspielerinnen des Landes, wird adoptiert und betritt die "echte Welt" - oder zunächst einmal die Scheinwelt der amerikanischen Vorstädte. Ihre Adoptivmutter, tragisch und eindrucksvoll gespielt von Marielle Heller, oszilliert zwischen Faszination für das junge Genie, ernsthafter Sorge um die sozialen Kompetenzen ihrer Adoptivtochter und der Verlockung, finanziellen Gewinn aus deren Begabung zu schlagen. Ach so, und natürlich hat sie ein Alkoholproblem - die reinste Raymond-Carver-Schablone.

Taylor-Joy stattet ihre Beth oft wortlos mit dem gewissen feinen Unterschied aus: Willenskraft statt Sturheit, selbstbewusste Haltung statt Egozentrik, Eleganz statt Arroganz. Es gibt nur eine Heldin in dieser Serie, das scheinen sowohl vor als auch hinter der Kamera alle verstanden zu haben, aber das bedeutet nicht, dass andere Charaktere - wie der hoffnungslos in Beth verschossene Harry Beltik (Harry Melling) oder der narzisstische US-Champion Benny Watts (Thomas Brodie-Sangster) - weniger gut wären. Und parallel zur Verbesserung ihrer Fähigkeiten lernt Beth: Alleine geht gar nichts. Das ist nicht weiter schlimm, nur kann sie sich immer nicht ganz entscheiden, ob sie sich um Hilfe an Freunde oder doch an den Alkohol wenden soll.

Darin liegt dann auch die Stärke dieser Serie, dass es weiter kein großes Drama braucht. Das Damengambit erzählt zwar die Geschichte einer Emanzipation. Aber das feministische Narrativ läuft nebenbei ab (der Trailer hatte noch ermüdend das Gegenteil angedeutet). Es geht in dieser Serie vor allem ums Heranwachsen, um Hochmut und den tiefen Fall, natürlich. Und ums Gewinnen.

Das Damengambit, sieben Folgen, auf Netflix*

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