"Curvy Supermodel" bei RTL 2:Pudding ist okay, wabbelige Götterspeise nicht

Lesezeit: 2 min

Kandidatin Aurelie (rechts) macht nicht nur im Liegestuhl eine gute Figur, sie hat auch ein interessantes Lebensmotto. (Foto: RTL 2)

Bikini-Walks und hammerharte Hintergrundgeschichten - die neue RTL-2-Show "Curvy Supermodel" folgt den Gesetzen des Fleischmarktes. Gott sei Dank ist da noch Harald Glööckler.

TV-Kritik von Johanna Bruckner

Aus Zuschauersicht ist die neue RTL-2-Castingshow Curvy Supermodel ein Selbsterfahrungstrip. Thema: "Wie sehr mich das Fernsehen abgestumpft hat."

Ein Juror, der sich selbst "Schuror" nennt und dessen Gesicht die Vielfalt der geometrischen Formen widerspiegelt (Augenbrauen - sehr eckig, Mund - sehr rund) - und der eine obszöne Menge Lipgloss trägt? Gähn, das ist doch der Glööckler. Next.

Eine Kulisse, die nicht nur aussieht wie ein Spaßbad mit Sand und Sauna, sondern genau so ein Spaßbad ist? Okay, minus Spaß, Bad und Sauna. Es gibt Sand. Und einen Knallernamen ("Roberto Beach")! Jedenfalls ist der Gewächshausstrand eine Top-Location für eine Model-Castingshow, schließlich hat man nach elf Staffeln Germany's Next Topmodel verinnerlicht, dass die Gesetze des Fernsehfleischmarktes regelmäßige Bikini-Walks vorschreiben. Die sind umso mehr Pflicht, wenn es um Dicke geht - findet bei RTL 2 zumindest ein dünner Mann mit ziemlich fieser Personality: "Wir können ja hier nicht die Katze im Sack kaufen."

Stolze Mütter, weinende Väter, ratlose kleine Brüder in Kapuzenhandtüchern? Immer gern genommen. Familie garantiert Emotionen und von denen lebt die Fernsehcastingindustrie mindestens so sehr wie von Talent (höhö). Notfalls tut es auch ein abwesender Boyfriend, der qua Bösartigkeit in der Sendung präsent ist. So wie bei Curvy-Supermodel-Anwärterin Michi, die in Folge eins nur in Tunika auf den Catwalk will, weil ihr der eigene Freund sämtliches Selbstbewusstsein ausgeredet hat. Bei solchen Hintergrunddramen jauchzt das Produzentenherz.

Harald Glööckler - Robin Hood der kräftigen Damen

Die Macher der Modelcasting-Variante haben in Sachen Marktbewerber- und Zielgruppenrecherche ganze Arbeit geleistet. Es gibt ein international bekanntes Model in der Jury (für alle, die nicht assoziativ ergänzen können: Angelina Kirsch, Deutschlands erfolgreichstes Curvy Model). Es gibt Challenges (unter anderem: Selbstauslöser drücken). Es gibt harte Wahrheiten (Körperfett ist Pudding, Pudding ist okay, wabbelige Götterspeise nicht). Und es gibt Bedarf: "Fast die Hälfte der deutschen Frauen trägt Größe 42 oder größer", referiert die Off-Stimme. Ergo: "Auf diese Show hat Deutschland gewartet."

Die Curvy-Supermodel-Jury, von links nach rechts: dünner Mann mit fieser Personality (Modelagent Ted Linow), Deutschlands bekanntestes Curvy Model (Angelina Kirsch), Frau, die man von irgendwoher kennt (Motsi Mabuse), Robin Hood der kräftigen Frauen (Harald Glööckler). (Foto: RTL II / Magdalena Possert)

Vor allem einer hat anscheinend auf sie gewartet: Harald Glööckler, exzentrischer Designer von Homeshopping-Couture, der sich als "Robin Hood der kräftigeren Damen" einführt. Glööckler hat nicht nur die Marketingstrategie verinnerlicht (es geht nicht um Schönheit, sondern um eine Revolution). Er tätschelt auch an genau der richtigen Stelle zitternde Kandidatinnenhände. Und wirkt dabei authentisch! Oder sagen wir besser: wie ein überdrehter Zirkusdompteur, der seinen Tierchen keine Kunststücke, sondern Selbstbewusstsein beim Bikini-Walk einbläuen will.

Glööcklers Herzblut zahlt zwar nicht auf das Harrharrharr-Konto der Überlegenheitsgucker ein, ist aber gut für die emotionale Balance der Show. Schließlich hat sich RTL 2 auch den dünnen Mann eingekauft, der beim Posing fiese Ansagen macht: "Da musst du das Kreuz biegen, bis es knackt, und die Kiste hoch zum Mund, damit es heiß aussieht. Wozu hast du's dir angefuttert?"

No Biz like Show Biz - oder wie es Kandidatin Aurelie formuliert: "Mein Lebensmotto ist: Wie du mir, so ich dir - nur schlimmer."

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Finale von "Promi Big Brother" bei Sat.1
:Beim Zusehen stürzen sich Gehirnzellen freiwillig in den Tod

Ben Tewaag gewinnt "Promi Big Brother" 2016. Den Stempel "missratener Sohn von Uschi Glas" ist er damit los. Für alle anderen ist das Finale ein Lehrstück in Sachen Enttäuschung.

Von Johanna Bruckner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: