Cosmo-Verleger Marquard im Gespräch::"Mancher Hype amüsiert mich"

Eigentlich könnte der Schweizer Verleger Jürg Marquard in den Ruhestand gehen. Stattdessen denkt er an neue Titel, Akquisitionen und Allianzen mit anderen Medienhäusern.

Helmut van Rinsum

Jürg Marquard gibt selten Interviews. Zu seinem 65. Geburtstag gewährte er einigen Schweizer Titeln ein wenig Einblick in sein glamouröses Leben, ansonsten macht er sich rar. Das hat mit seinem ausgefüllten Leben zu tun: Marquard ist begeisterter Rennfahrer und ist viel mit seiner luxuriösen Motoryacht "Azzurra II" unterwegs; der mehrfache Millionär pflegt einen aufwendigen Lebensstil. Gleichzeitig sieht er sich noch als Verleger und schaltet sich regelmäßig aktiv ins Geschäft ein: Keine wichtige Entscheidung fällt ohne seine Zustimmung. W&V traf Jürg Marquard in seinem Büro in München.

W&V

"Ich habe nicht das Gefühl, dass die Verlagsbranche gerettet werden muss" - Verleger Jürg Marquard.

W&V: Herr Marquard, ich habe gesehen, Sie haben ein iPad.

Jürg Marquard: Ja, tatsächlich (lacht). Ich bin ein Intensiv-User. Seit das iPad auf dem Markt ist, arbeite ich ausschließlich damit.

W&V: Lesen Sie damit auch Zeitschriften und Zeitungen?

Marquard: Ich habe Apps für bestimmte Schweizer Zeitungen, weil ich viel unterwegs bin. Aber ich nutze Zeitungen und Zeitschriften in erster Linie als Printprodukte. Das macht mehr Spaß.

W&V: Rettet das iPad die Verlagsbranche, wie es Springer-Chef Mathias Döpfner jüngst formulierte?

Marquard: Ich habe nicht das Gefühl, dass die Verlagsbranche gerettet werden muss. Aber es verändert die Verlagslandschaft, und das finde ich positiv. Ganz besonders positiv finde ich aber auch, dass wir mit unserem Verlag die Ersten sind, die seit knapp drei Wochen mit einer sehr erfolgreichen, interaktiven iPad-App von Joy und seit einer Woche mit einer interaktiven, best ausgestatteten iPad-App von Cosmopolitan auf dem Markt sind. Und beide Apps haben es als bezahlte Apps geschafft, sich in dieser kurzen Zeit auf den vordersten Plätzen zu positionieren. Die Chancen stehen also gut, dass dies in Bälde ein veritables Geschäftsmodell werden könnte.

W&V: Sie konzentrieren sich derzeit also auf den Online-Bereich.

Marquard: Nein. Wir tun beides. Wir pflegen unsere erfolgreichen Printmarken und wir übertragen diese in die Online-Welt. Dies ist sehr spannend und macht großen Spaß.

W&V: Ist denn Ihr Online-Geschäft schon profitabel?

Marquard: Bei den Lifestyle-Titeln werden wir dieses Jahr an die Grenze der Profitabilität herankommen - in 2011 müssten Gewinne anfallen. Bei Computec Media ist es anders. Wir betreiben dort eine Vielzahl unterschiedlichster Online-Aktivitäten: unsere Branded-Websites, Social Communities und Datenbanken sowie E-Commerce-Aktivitäten. Die Aktivitäten sind in Summe profitabel und weitere Investitionen sind in Vorbereitung.

W&V: Die Zeitschrift Cosmopolitan feiert in diesen Tagen ihr 30. Jubiläum. Sie haben den Titel Anfang der 80er-Jahre übernommen. Greifen Sie heute noch in das operative Geschäft ein?

Marquard: Ich schaue mir zum Beispiel jedes Cover an, ich tausche mich über die Zeilen aus, mache Vorschläge oder lehne ab. Das ist schon meine Domäne. Ich bin Vollblut-Verleger. Wenn ich mich nicht einbringen könnte, wäre ich ja nur noch Besitzer oder Investor. Ich habe 1965 meine erste Zeitschrift gegründet und ich bin von meinem Beruf immer noch jeden Tag aufs Neue begeistert.

Das osteuropäische Geschäft ist durch die Krise zweifach betroffen

W&V: Was zeichnet Ihr Haus aus?

Marquard: Ich denke, es sind drei Faktoren: zum einen die Konzentration auf das, was wir können. Dann die exzellente Führungsmannschaft und drittens eine offene Un-ternehmenskultur mit motivierten Mitarbeitern. Zum ersten Punkt: Wir konzentrieren uns auf unsere Kernkompetenz und auf unsere profilierten Zeitschriftenmarken, die in ihrem Segment jeweils in führender Position sind. Wir sind kein Me-too-Verlag. Zweitens: Die Konstanz in unserer Führungsmannschaft führt zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Die Geschäftsführer Waltraut von Mengden und Albrecht Hengstenberg sind beispielsweise schon seit 17 beziehungsweise 20 Jahren dabei. Und drittens lege ich großen Wert auf eine offene und ehrliche Unternehmenskultur. Meine motivierten Mitarbeiter können sich in einer intrigenfreien Umgebung entfalten.

W&V: Die wirtschaftlich schwierigen Zeiten zwangen viele Verlage zu Kooperationen. Auch Sie haben beispielsweise Ihre Vertriebsaktivitäten beim DPV gebündelt. Denken Sie manchmal über eine Zusammenarbeit mit anderen Verlagen im Bereich der Vermarktung nach?

Marquard: Die Zusammenarbeit mit DPV an unserem Standort in München ist sinnvoll und effizient. Im Übrigen denke ich, dass Kooperationen in allen Bereichen möglich sein sollten, die im Backend und eher technisch angesiedelt sind. Anders ist dies in den Bereichen, die die Identität und den Charakter des Unternehmens beziehungsweise der Publikationen prägen. Dies gilt für die Anzeigenvermarktung und ganz besonders natürlich für die Redaktionen.

W&V: Osteuropa galt deutschen Verlegern viele Jahre als Eldorado. Inzwischen hat die Krise dort tiefe Spuren hinterlassen. Sie waren dort einer der Ersten: Ist auch bei Ihnen die Euphorie inzwischen verflogen?

Marquard: Die Krise hat nicht nur in Osteuropa tiefe Spuren hinterlassen. Wir haben jedoch schon sehr frühzeitig und ziemlich drastisch auf die Finanz- und Wirtschaftskrise reagiert. Wir haben sehr schnell die "Hütte winterdicht" gemacht, weil wir nicht wussten, welche Stürme da noch auf uns zukommen. Dies hieß natürlich auch, und das war ein schmerzlicher Prozess, dass wir uns von Publikationen im Westen wie im Osten getrennt haben, die unseren Renditeerwartungen nicht entsprachen. Das Ergebnis dieser Restrukturierung ist, dass wir von 2008 auf 2009 in unserem Umsatzvolumen etwas geschrumpft sind, dafür das EBITDA um rund 60 Prozent gesteigert haben. Und das im Krisenjahr! Und ich erwarte, die Rendite 2010 nochmals steigern zu können.

W&V: Verleger können im Osten also noch gute Geschäfte machen.

Marquard: Ich bin in Polen und Ungarn unmittelbar mit eigenen Gesellschaften operativ und in 13 weiteren Ländern mit Lizenzpartnern tätig. Das osteuropäische Geschäft ist durch die Krise zweifach betroffen - durch den drastischen Rückgang der Werbeerlöse und durch die Währungsverluste gegenüber dem Euro. Ich erwarte aber, dass sich beispielsweise Polen bald erholt und zu einem der wichtigen Wachstumsmotoren in Europa wird. Das ist ein Land mit 40 Millionen Menschen, das immer noch Nachholbedarf hat. Ungarn sehe ich etwas kritischer, das Land ist extrem volatil, die wirtschaftspolitischen Direktiven der neuen Regierung sind schwer zu deuten. Wir verlieren dort derzeit kein Geld, aber es sprudelt nicht.

Harper’s Bazaar ist eine Option

W&V: Trotzdem haben Sie dort kürzlich Instyle gelauncht.

Marquard: Das haben wir intern heiß und kontrovers diskutiert. Ich war eigentlich eher dagegen, habe mich dann aber vom lokalen Management überzeugen lassen. Als wir nach langen Verhandlungen mit Time Inc. einen unterschriftsreifen Vertrag hatten, kam die Krise. Wir sind trotzdem gestartet, aber eben noch nicht über dem Berg. Sagen wir so: Es war ein sehr mutiger Entscheid.

W&V: Weil wir gerade von Neugründungen sprechen: Regelmäßig taucht das Gerücht auf, Sie würden Harper's Bazaar in Deutschland gründen.

Marquard: Harper's Bazaar ist eine Option, die wir auf dem Tisch haben. Der Titel würde auch vom Portfolio her Sinn machen, aber wir dürfen den Markt noch nicht zu optimistisch einschätzen. Die Volatilität ist nach wie vor groß, und das lässt mich etwas verhaltener sein. Trotzdem: Wir diskutieren mit Hearst, wann und wo.

W&V: Es geht also nicht nur um Deutschland.

Marquard: Einen Launch in Polen könnte ich mir ebenso gut vorstellen.

W&V: Sie haben kürzlich Claudio Cisullo zum stellvertretenden Verwaltungsratspräsidenten der Marquard Media AG berufen, einen IT-Experte und einen Mann mit viel Know-how im Bereich von M&A-Transaktionen. Lässt sich daraus schließen, dass Sie die Digitalisierung forcieren und weitere Zukäufe planen?

Marquard: Ja sicher. Ich würde gerne die gestiegene Ertragskraft des Unternehmens nutzen, um sinnvolle Akquisitionen zu tätigen. Bei der Computec Media geht das ja über den Bereich der Zeitschriften hinaus, da kann ich mir Engagements in verwandten Bereichen, beispielsweise der Spieleentwicklung und transaktionsgetriebene Geschäftsmodelle vorstellen. Trotzdem: Ich würde jetzt auch nicht ausschließen, dass ich nach einer gewissen Akquisitions- und Ausbauphase einzelne Unternehmensteile in strategische Allianzen oder Joint Ventures einbringe. Dort, wo eine Allianz Sinn macht, werde ich es mir ansehen. Ich möchte aber zuerst noch etwas stärker werden.

W&V: Sie haben vor Kurzem Ihren 65. Geburtstag gefeiert. Da machen sich andere Gedanken, wie sie kürzer treten können.

Marquard: Ich bin in der komfortablen Situation, dass mir der Beruf viel Spaß macht und mich nicht auffrisst. Ich hetze nicht von Termin zu Termin, bin für meine Geschäftsführer Motivator, Sparringspartner und natürlich auch Kontrolleur. Die CEO-Position habe ich schon vor über zehn Jahren an Albrecht Hengstenberg abgetreten, so gesehen habe ich kein Bedürfnis, einer schrecklich auf mir lastenden Arbeitswelt zu entfliehen. Im Gegenteil, mir würde vieles fehlen. Und die Rente, die ich in der Schweiz bekomme, ist für meinen Lebensstil auch nicht ganz ausreichend (lacht).

Meine Kinder wachsen sehr selbstständig auf.

W&V: Das Medien-Business ist ein sehr aufgeregtes. Wird man mit dem Laufe der Jahre ein wenig ruhiger, ein wenig entspannter?

Marquard: Das ist in meinem Falle sicher so. Mancher Aktionismus und mancher Hype amüsiert mich eher. Wenn man die langfristige Perspektive hat, sieht man alles ein wenig gelassener.

W&V: Wird eines Ihrer Kinder eines Tages eine verantwortungsvolle Position im Unternehmen übernehmen?

Marquard: Meine Kinder wachsen sehr international und sehr selbstständig auf. Da keines meiner Kinder bisher den Finger gehoben hat, stellt sich die Frage noch nicht.

In diesen Tagen feiert die deutsche Marquard-Media-Tochter MVG den 30. Geburtstag der deutschen Cosmopolitan - für das Haus ein erfreulicher Event. Die Auflage ist seit Jahren stabil; derzeit liegt sie bei 354 410 verkauften Exemplaren. Auch die 1995 gestartete Joy hat eine beachtliche Entwicklung hingelegt; sie verkaufte zuletzt rund 420.000 Exemplare. Im internationalen Portfolio ist außerdem der Playboy herauszuheben, den Marquard in Polen und Ungarn herausgibt.

Weniger erfolgreich war der Versuch mit einem anderen Männertitel: Der Belebungsversuch des von Springer eingestellten Maxim dauerte nur kurz, von Anfang 2008 bis Frühjahr 2009. Wenig Glück hatte das Haus auch mit dem Joy-Ableger Joy Celebrity: Das als People- und Style-Magazin positionierte Blatt verabschiedene sich Ende 2008 als monatliches Magazin vom Kiosk. Nicht ausreichend war auch die Zielgruppe für Play Vanilla, ein Frauen-Games-Magazin der Marquard-Tochter Computec: Nach weniger als einem Jahr wurde der Titel wieder gestoppt.

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