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Coronavirus in Venezuela:Wer spricht da?

Diosdado Cabello, venezolanischer Talkmaster und Politiker, ist Corona-positiv. Sein erster Fernsehauftritt nach der Pause nährt Spekulationen. Denn es gibt kein Bild von Cabello - und klingt nicht auch seine Stimme anders?

Von Christoph Gurk

Er kam zurück zur besten Sendezeit: Es war Montagabend, kurz vor 19 Uhr, als Diosdado Cabello wieder im venezolanischen Staatsfernsehen erschien. Der 57-Jährige ist nach Staatspräsident Nicolás Maduro so etwas wie die Nummer zwei im Staat, er leitet das regimetreue Parallelparlament Asamblea Nacional Constituyente, Millionen Venezolanern ist er aber vor allem wegen seiner eigenen Fernsehsendung bekannt, Con el mazo dando, auf Deutsch in etwa: Immer feste drauf. In ihr zieht Cabello als Moderator jeden Mittwoch wahlweise über die Opposition her oder aber er lobt die sozialistisch-chavistische Regierung. Man sollte also meinen, Cabello kenne sich zumindest rudimentär mit Kameras aus. Nun aber das: In einer TV-Schalte mit Maduro gab es nur Ton, kein Bild. Technische Probleme, die Kamera lasse sich nicht verbinden. Spätestens hier kamen schon erste Zweifel auf.

Denn so omnipräsent Diosdado Cabello bisher war, so still ist es doch zuletzt um ihn geworden. Anfang Juli wurde seine Sendung plötzlich ausgesetzt, gesundheitliche Probleme, hieß es. Kurz darauf erklärte Cabello über Twitter, er sei positiv auf das Coronavirus getestet worden. In kriegerischen Kurznachrichten hielt er sporadisch seine Follower über seinen Genesungsstand auf dem Laufenden. Er werde die Schlacht gewinnen, schrieb er: "Brüder, Schwestern, wir werden siegen!" Abgesehen davon war Cabello von der Bildfläche verschwunden, und je mehr Wochen ins Land gingen, desto größer wurden die Spekulationen: Könnte Cabello den Kampf doch verloren haben?

Venezuela ist bislang vergleichsweise glimpflich durch die Corona-Krise gekommen. Knapp 21 000 Infektionen mit dem Erreger wurden bislang in dem Land registriert, 180 Menschen starben. Das allerdings sind nur die offiziellen Zahlen, an denen es große Zweifel gibt.

Diosdado Cabello ist bisher der höchstrangige Corona-Patient im Land

Denn das Gesundheitswesen war auch vor der Pandemie schon in einem desaströsen Zustand - trotz all des medizinischen Geräts, das Venezuela in der Corona-Krise von seinem politischen Partner China bekommen hat, trotz der noch einmal 1200 Mediziner vom sozialistischen Bruderland Kuba. Einst einer der wohlhabendsten Staaten der Region dank seines Ölreichtums, haben Misswirtschaft, Korruption und auch die Sanktionen der USA Venezuela in eine tiefe Krise gestürzt. Fünf Millionen sind vor Armut und Not schon geflüchtet. Zur wirtschaftlichen Krise kommt noch eine politische: 2019 hatte sich der Oppositionspolitiker Juan Guaidó eigenständig zum Interimspräsidenten ernannt, mehr als 50 Staaten weltweit erkannten ihn als legitimen Führer an, darunter die USA und auch Deutschland. Guaidó schaffte es aber nicht, die sozialistische Regierung in Caracas zum Rücktritt zu bewegen oder sie sogar zu stürzen.

In der weltweiten Corona-Pandemie könnte das Regime nun noch weiter geschwächt werden, hoffen einige Regierungskritiker, sei es durch einen Verfall des Ölpreises oder sogar durch das Virus selbst. Tatsächlich haben sich überproportional viele Politiker mit dem Erreger angesteckt, Diosdado Cabello aber ist mit Abstand der höchstrangige Patient, darum löste erst sein Wegbleiben so viele Spekulationen aus - und danach sein fragwürdiger Auftritt im Fernsehen.

Denn abgesehen davon, dass es kein Bild von Cabello gab, klang auch seine Stimme ganz anders, als es die Fernsehzuschauer gewohnt waren. Er sprach anders, abgehackt, mit anderer Intonation. Sofort gingen Spekulationen los im Netz, einige Nutzer machten eine Wortschatzanalyse, manche zogen auch alte Bilder mit hinzu, die der Politiker zu Beginn seiner Erkrankung gepostet hatte und auf denen nun Teile chinesischer Beatmungsgeräte zu erkennen sein sollten.

Die Spekulationen wuchsen so schnell, dass selbst Präsident Maduro kurz darauf reagieren musste. "Dummköpfe" nannte er alle, die da spekulierten. Es sei alles ganz anders und viel einfacher: In der Pandemie ändere sich eben alles. "Und dazu gehört auch die Stimme von Diosdado Cabello", sagte Maduro.

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