Arte-Dokumentarfilm:Die Angst vor der Impfung

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Wer sind die wahren Profiteure der Pandemie? Ein Impfgegner vor einem Impfzentrum in den USA. (Foto: N/A)

Eine Arte-Dokumentation durchleuchtet ein Netzwerk gut verdienender Wunderheiler.

Von Philipp Bovermann

Spritzen, überall Spritzen. Zerbrochen, durchgestrichen auf Schildern und Plakaten. Demos gegen die angebliche Gefahr aus der Nadel. Warum haben so viele Menschen Angst vor Impfungen, als handle es sich um einen schweren Eingriff in ihre Körper mit unkontrollierbaren Risiken? Warum, fragt Imran Ahmed, Chef der Organisation "Center for Countering Digital Hate", sabotiert die Bewegung der Impfgegner die einzige Hoffnung auf ein Ende von Corona?

Die Antwort gibt er im Arte-Dokumentarfilm "Impfgegner - Wer profitiert von der Angst?" selbst: Geld.

Der Film ist aktuell in der Mediathek des Senders zu sehen, am Dienstag wird er erstmals im TV ausgestrahlt. Er liefert eine wichtige Ergänzung zu den kulturhistorischen Spekulationen über die Herkunft der Impfangst. Der Föderalismus wurde bereits als Ursache ausgemacht, die anthroposophische Tradition, das anti-aufklärerische Erbe der Epoche der Romantik, sogar Berge als möglicher Faktor niedriger Impfquoten wurden identifiziert. Solche Erklärungen suggerieren implizit, dass die Angst vor Impfungen zwar irrational, aber letztlich natürlichen Ursprungs sei - ein Produkt höherer Gewalt, wenn man so will. Die Arte-Dokumentation zeigt nun keine Landschaften. Sondern Gesichter.

Der Ideengeber der Impfgegner lebt in einer Luxusvilla

Zum Beispiel das von Andrew Wakefield, einem der Väter der modernen Impfgegner-Bewegung. Der verbreitete Irrglaube, Impfungen lösten Autismus aus, lässt sich auf ihn zurückführen. Wakefield, ein britischer Arzt, veröffentlichte 1998 eine Studie, die einen Zusammenhang zwischen Dreifach-Impfungen gegen Mumps, Masern und Röteln und Fällen von Autismus bei Kindern behauptete. Drei Impfungen auf einmal, das sei "einfach zu viel für das Immunsystem", mit dieser Annahme tingelte Wakefield durch die Fernsehstudios. Er sah gut aus, er sprach ruhig und ernsthaft - die Impfquoten gingen zurück. Tausende Kinder kamen mit Infektionskrankheiten ins Krankenhaus. Vier Kinder starben. Dann stellte sich heraus: Wakefield hatte Geld von einem Anwalt bekommen, der die Hersteller von Impfstoffen verklagen wollte. Die Daten für seine Studie hatte er manipuliert.

Wakefield verlor seine Approbation. Aber anstatt den Schwindel zuzugeben, ging er in die USA, nach Texas, und gründete dort ein Institut, das alternative Heilmethoden für Autismus erforschte. Texas wurde zu einem Mittelpunkt der amerikanischen Impfgegner-Bewegung. Private Förderer, die sein Versprechen, Autismus sei heilbar, glauben wollten, überhäuften den Quacksalber mit Spenden in Millionenhöhe. Er baute sich eine Luxusvilla und zog darin mit dem australischen Topmodel Elle Macpherson ein.

Oder Mark Grenon. Der US-Amerikaner mit weißem Cowboyhut hielt Seminare ab, bei denen er Menschen erklärte, wie sie "MMS" herstellen. Mütter gaben die Substanz ihren Kindern zu trinken, um sie vom Autismus zu heilen. "MMS" ist giftige Chlorbleiche. Bis zu 16 000 Dollar soll Grenon pro Seminar eingenommen haben. Als die Corona-Pandemie einsetzte, behauptete er plötzlich, sein Gebräu könne Covid heilen. Der damalige US-Präsident Trump, den Grenon kannte, sagte im vergangenen Jahr, das klinge doch sehr vielversprechend.

Wer die Wahrheit will, muss bezahlen

Das Team von Imran Ahmed schätzt, dass auf Wakefield und die anderen führenden Köpfe der internationalen Impfgegner-Bewegung bis zu 70 Prozent der Materialen zurückgingen, die millionenfach auf Facebook geteilt werden. Hinter diesen zwölf Menschen stünden Firmen, die mit unwissenschaftlichen Behandlungsmethoden mindestens 36 Millionen Dollar jährlich umsetzten: Wer die Wahrheit suche, wer gesund sein wolle, müsse bezahlen - und könne dann selbst zum Anbieter exklusiver medizinischer Pseudowahrheiten werden. Eine Art globales Schneeballsystem.

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Im vergangenen Jahr trat Wakefield, der verstoßene Arzt, auf dem Trafalgar Square in London auf, auch das zeigt die Doku: sein verführerisches Charisma. "Ich bin bei euch", sagt der Wunderheiler, "alles Gute, meine Freunde." Tausende Verängstigte jubeln.

Impfgegner - wer profitiert von der Angst? , Dienstag, Arte, 20.15 Uhr, und in der Mediathek .

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