Süddeutsche Zeitung

Computerspiel:Propaganda, selbstgemacht

Lesezeit: 2 min

"Fake It To Make It" ist ein Baukasten für Fake News: Amanda Warner aus Ohio hat ein entlarvendes Spiel programmiert, bei dem es darauf ankommt, mit Radau im Netz möglichst viel Geld zu verdienen.

Von Yannic Hannebohn

Die "Mainstream-Medien" beschimpfen, eine Verschwörung der "Umwelt-Lobby" vermuten, dem Präsidenten eine Affäre nachsagen? Wer geschickt solche Propaganda in Umlauf bringt, gewinnt im Computerspiel "Fake It To Make It". Dessen Ziel ist es, möglichst viele Nutzer auf die eigene Website zu locken und dann Geld mit Werbung einzunehmen. Der effektivste Weg zum Ziel ist, es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen. Das sind die Regeln des Spiels, das die aktuelle Fake-News-Debatte aufgreift - mit dem Anspruch, über die Desinformation aufzuklären.

Der Spieleinstieg ist so einfach, wie es einem reale Website-Anbieter gerne versprechen: Mit ein paar Klicks lässt sich eine Website samt Logo erstellen. Angezeigt werden dem Spieler die aktuellen Zahlen, gemessen in Views, Likes und Shares, und wie viel Gewinn durch Anzeigen er bereits gemacht hat. Um den nach oben zu drücken, muss die Website mit möglichst reißerischen Artikeln bestückt werden. Das Spiel bietet dafür eine großzügige Sammlung, Titel wie "Den Präsidenten JETZT absetzen!" oder "Friedliches Demo-Camp von Polizei brutal niedergefackelt" oder "Foto beweist: Reicher Unternehmer tut sich mit Regierung zusammen, um Meinungsfreiheit abzuschaffen". Hat man einen Artikel ausgewählt, postet man ihn in die richtige Gruppe auf einem fiktiven sozialen Netzwerk, das an Facebook erinnert.

Programmiert wurde "Fake It To Make It" von Amanda Warner aus Ohio, die sonst mit NGOs an Gesundheitsthemen arbeitet. Die Idee kam der Web-Designerin, als sie zum ersten Mal von den mazedonischen Teenagern hörte, die mit Fake-Nachrichtenseiten während der US-Wahlen Tausende Dollar eingenommen hatten. "Das hat mich gepackt", sagt sie, "diese Leute waren nicht unbedingt daran interessiert, wie die Wahl ausgeht oder ob sie Leute mit ihren Artikeln beeinflussen. Sie haben einfach nur eine Möglichkeit gesehen, an Geld zu kommen." Warner will genau das deutlich machen: Dass hinter Fake News nicht immer politische Motive stehen, und wie das Geschäft funktioniert.

Wer soll heute mal schuld sein: Politiker, Medien oder Reiche?

Fake News - der Begriff wird inflationär und oft falsch gebraucht. Amanda Warner erklärt, warum sie für das Gratis-Spiel viel Zeit investiert hat: "Wichtig ist, dass die Menschen verstehen, dass während der gründlichen journalistischen Prozesse zwar immer noch Fehler passieren, sich das aber immer noch von dem unterscheidet, was so im Web herumgeschleudert wird" - mit dem Ziel, geteilt zu werden.

"Fake It To Make It" zeigt, wie einfach es ist, Inhalte zu generieren, die auf Interesse stoßen. Im eindringlichsten Teil wird der Spieler anhand von Bausteinen angeleitet, die perfekte Fake News zu bauen. Warner hat sich genau angesehen, wie falsche Nachrichten konstruiert sind. Die im Spiel vorgefertigten Teile sind in vier Kategorien unterteilt: generelles Drama, Seriosität, und je eine Kategorie pro politisches Lager. Der Spieler kann auch auswählen, ob er in seinem Artikel Politiker, Medien oder Reiche beschuldigt, ob er Werte wie Patriotismus oder die Vergangenheit hochleben lässt. Will er dramatische Artikel, bietet das Spiel Verschwörungen an, also etwa den Vorwurf, eine sogenannte Elite verschweige absichtlich irgendeine Tatsache. Propaganda muss nicht sehr komplex sein, um zu funktionieren. Für glaubwürdige Artikel lassen sich Quellen erfinden oder Zitate verbiegen. Zwar können auch positive Nachrichten erzeugt werden, besonders gut laufen aber negative Gefühle: Angst, Wut, Ekel, Traurigkeit und Neid.

Das bringe die Menschen zum Teilen eines Inhalts, weil es einen selbst betrifft, sagt Warner und bestätigt so, was auch tatsächliche Fake-News-Macher wissen: Man muss aufs Herz zielen - oder knapp darunter.

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Quelle:
SZ vom 05.04.2017
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