Das AfD-nahe Compact-Magazin arbeitet gerade wieder auf Hochtouren. Das Monatsheft zeigt auf seinem Titel aktuell Sahra Wagenknecht und Friedrich Merz, in einer Fotomontage eng aneinandergeschmiegt. Die anprangernde Titelzeile lautet: „Euer Ernst? BSW will mit der CDU“. Eigentlich hatte die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das Blatt, in dem auch allerlei Verschwörungstheorien verbreitet werden, kürzlich verbieten wollen. Doch in einem Eilverfahren gab das Bundesverwaltungsgericht nun am 18. August einem Antrag von Compact recht. Als Fachmann für solche Fälle von Vereinsverboten lehrt Björn Schiffbauer Öffentliches Recht an der Universität Rostock.
SZ: Herr Schiffbauer, was genau ist schiefgelaufen beim Versuch der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), dem rechtsextremen Magazin Compact den Garaus zu machen?
Björn Schiffbauer: Wenn ich mir die Eilentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durchlese, dann scheint das Problem zu sein: Die Innenministerin hat keine hinreichenden Beweise vorgelegt. Sie hat viele Worte gemacht, aber zu wenig Substanz geliefert. Das Gericht bemängelt, dass es einfach nicht sicher einschätzen kann, ob die Macher des Compact-Magazins wirklich die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährden, wie Nancy Faeser vollmundig behauptet. Dafür fehle ihm das nötige Material. Und das Gericht sagt: Solange das so sei, dürfe Compact erst mal weiter erscheinen – obwohl es nachweislich menschenverachtende Inhalte verbreitet. Es bleibt also unentschieden.
Das heißt: Noch könnte es klappen mit Faesers Compact-Verbot?
Ja, sicher. Aber vorerst ist das natürlich politisch eine krachende Niederlage für die Innenministerin. Sie muss sich hier attestieren lassen, dass sie nicht sorgfältig genug gearbeitet hat. In einer Pressemitteilung hatte Faeser verkündet: „Heute habe ich das rechtsextreme Magazin Compact verboten.“ Und hier fängt nach meiner Einschätzung die Ungenauigkeit schon an. Denn juristisch kann sie gar kein Magazin verbieten. Sondern nur die dahinterstehende GmbH, die im juristischen Sprachgebrauch unter den weiten Oberbegriff des Vereins fällt. So viel Ehrlichkeit muss sein.
Überrascht es Sie, dass Compact jetzt diesen Etappensieg errungen hat?
In der Vergangenheit ist das Innenministerium mit seinen Vereinsverboten jedenfalls nie wirklich gescheitert. Die Justiz hat sich da kaum entgegengestellt.
Hat diese überraschende Wendung vielleicht damit zu tun, dass es bei solchen Vereinsverboten in der Vergangenheit meist um Gewalttäter-Gruppen ging – und nun aber um ein Medienunternehmen, das sich auf die Pressefreiheit berufen kann?
Dazu habe ich eine aufschlussreiche Passage in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gefunden. Gerichte sind normalerweise höflich zurückhaltend im Ton. Aber in der Randnummer 31 spricht das Gericht die Innenministerin einmal direkt an. Und das Gericht teilt der Ministerin mit, dass ihre „Annahme“ zum Stellenwert der Pressefreiheit und dem, was daraus für ein Vereinsverbot folge, so nicht richtig sei.
Meinung Rechtsextremismus:Das „Compact“-Verbot ist nachvollziehbar, steckt aber voller juristischer Risiken
Was heißt das?
Das heißt übersetzt, dass das Team von Nancy Faeser offenbar in einer handfesten, rechtlichen Frage aus Sicht des Gerichts seine Hausaufgaben nicht ordentlich gemacht hat. Man könnte sagen: Das Ministerium hat das Gewicht der Pressefreiheit falsch eingeschätzt.
Weil die Pressefreiheit nach dem Artikel 5 des Grundgesetzes auch für deutschtümelnde Schwurbler gilt?
Nicht grenzenlos, natürlich. Wenn die Pressefreiheit missbraucht wird, um aggressiv-kämpferisch die liberale Ordnung aus den Angeln zu heben und das die Macher eines Magazins wie Compact prägt, dann kann es in der Abwägung schon erforderlich sein, ein solches Verbot auszusprechen. Ich würde Nancy Faeser deshalb nicht prinzipiell vorwerfen, dass sie sich hier verhoben hat. Aber in einem so sensiblen Bereich muss man dann eben doch besonders gründlich abwägen. Das ist die Botschaft des Bundesverwaltungsgerichts. Nicht mehr, nicht weniger.
„Das Bundesverwaltungsgericht will sich selbst ein Bild machen können von diesen Zusammenhängen. Das finde ich richtig.“
Manche Juristen haben auch kritisiert, dass Nancy Faeser überhaupt den Weg eines Vereinsverbots gewählt hat – schließlich zensiere sie damit durch die Hintertür ein Presseorgan. Zensur ist aber nicht erlaubt nach dem Grundgesetz.
Die Kritik kenne ich. Sie scheint mir aber etwas haarspalterisch zu sein. Das Gericht teilt diese Kritik übrigens auch nicht. Wie jede andere Person auch muss man einen Verein an seinen Taten messen. Und wenn diese Taten darin bestehen, Hetzschriften zu publizieren, dann kann das prinzipiell genauso ein Grund für ein Vereinsverbot sein wie wegen anderer Taten. Dabei geht es nicht um Zensur von Presse, sondern um eine womöglich dahinterstehende verfassungsfeindliche Organisation. Wichtig ist dann eben nur: Bei der Abwägung muss man das Gewicht der Pressefreiheit besonders berücksichtigen. So wie es das Bundesverwaltungsgericht jetzt auch angemahnt hat.
Wie geht es nun weiter?
Nancy Faesers Innenministerium muss dem Gericht jetzt noch einmal sehr viel mehr Stoff und Kontext liefern, um seine Vorwürfe gegen die hinter dem Compact-Magazin stehende Vereinigung belastbar zu untermauern. Es reicht nicht, einzelne Artikel und Zitate aus vertraulichen E-Mails vorzutragen, die womöglich aus dem Zusammenhang gerissen sind. Das Bundesverwaltungsgericht will sich selbst ein Bild machen können von diesen Zusammenhängen. Das finde ich richtig.
Rechtsextremes Magazin:Als wäre nichts gewesen
„Compact“ heißt jetzt „Näncy“, doch geändert hat sich nichts. Das Design ist gleich, sogar Martin Sellner hat wieder eine Kolumne. Was hat das Verbot des Innenministeriums gebracht?
Und wenn das Innenministerium nicht mehr viel Material in der Hinterhand haben sollte?
Davon hängt jetzt ab, ob Compact auch später, nach einer endgültigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, weiter am Kiosk und im Internet agitieren kann – oder ob das Verbot von Faeser doch noch durchgeht.