Süddeutsche Zeitung

Reaktionen auf #actout:"Wir alle haben Nachrichten bekommen, die uns zu Tränen rühren"

185 Schauspielende outen sich. Sie fordern eine Debatte über Sichtbarkeit für Lesben, Schwule, Bisexuelle und trans Personen - und bekommen dafür international Aufmerksamkeit.

Von Elisa Britzelmeier

"Unsere Gesellschaft ist längst bereit", und: "Unsere Branche soll für ein Miteinander stehen und in ihrer Vielfältigkeit die Gesellschaft abbilden": So lauten zwei Sätze aus dem Manifest, mit dem 185 Schauspielende unter dem Schlagwort #actout für mehr Diversität und mehr Sichtbarkeit plädieren. Im SZ-Magazin haben sie sich als schwul, lesbisch, bisexuell oder trans geoutet. Mit ihrer Forderung nach Anerkennung in Theater, Film und Fernsehen stoßen sie auf überwiegend positive Reaktionen aus der Branche - und bekommen internationale Aufmerksamkeit.

Jules Elting gehört zur #actout-Gruppe und berichtet am Sonntagabend, dass sie über Instagram geradezu überflutet werden mit Nachrichten. Da seien die verschiedenen Institutionen der Branche wie Theater und Festivals, die sich solidarisch zeigen, andere Schauspielende, die ihre Unterstützung erklären, und Privatpersonen, die von ihren persönlichen Schicksalen erzählen. "Wir alle haben Nachrichten bekommen, die uns zu Tränen rühren", sagt Elting am Telefon und erzählt vom intensiven Austausch mit der Mutter eines Transgenderkindes.

Manche aus der Branche hätten sich gemeldet, die von der Aktion vorab nichts wussten und gerne mitgemacht hätten, andere, die von sich sagten, sie seien noch nicht so weit, sich zu outen. "Inzwischen sprechen wir deswegen von 185+ Schauspielenden", sagt Elting.

Der Bundesverband Schauspiel (BFFS) hatte sich hinter das Anliegen gestellt und die Veröffentlichung als wichtigen Schritt gewertet. "Wir unterstützen das und solidarisieren uns mit den 185, die sich geoutet haben", sagte Vorstandsmitglied und Schauspieler Antoine Monot Jr. der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Ich finde es ganz wichtig, dass man 2021 frei leben kann." Ohne ein Coming-out könne man bisher zum Beispiel nicht auf einer Premierenfeier mit seinem Partner Hand in Hand über den roten Teppich laufen. "Man muss permanent sein Privatleben verstecken. Und das ist natürlich furchtbar."

Das Thalia Theater schrieb auf Instagram von einer "wichtigen Debatte", das Filmfestival Max Ophüls zeigte sich solidarisch, die Münchner Kammerspiele und das Berliner Ensemble verbreiteten die Geschichte des SZ-Magazins weiter. Der Account der Berlinale twitterte auf Englisch, man unterstütze die diversere, inklusivere Vorstellung von Kino.

Auch international stößt die Aktion auf Resonanz. Medien in verschiedenen Ländern berichteten, etwa die US-amerikanische Fachzeitschrift Hollywood Reporter, der italienische Corriere della Sera, das griechische Magazin Lifo und die kroatische Tageszeitung Jutarnji list. Die US-amerikanische Transgender-Schauspielerin Jamie Clayton nannte die Aktion "episch". Die Gruppe hat ihr Manifest inzwischen auf verschiedenen Sprachen veröffentlicht, darunter Polnisch, Georgisch, Ungarisch und Russisch. Unterzeichnet haben etwa Maren Kroymann, Ulrike Folkerts, Karin Hanczewski, Ulrich Matthes, Jaecki Schwarz oder Godehard Giese.

"Gleich gebe ich noch einem chinesischen Medium ein Interview", sagt Jules Elting am Telefon. Auch Zuschauende hätten sich gemeldet, um ihre Solidarität zu bekunden - und ihr Interesse daran, diverse Besetzungen und Geschichten zu sehen. Besonders über Twitter und Facebook gebe es aber auch negative Reaktionen, sagt Elting. Manche aus der Gruppe würden persönlich angefeindet. Andere sprachen dem Thema die Relevanz ab. Eine Casterin schrieb auf Instagram, es sei "traurig, dass es 2021 tatsächlich noch erwähnenswert" sei.

Im SZ-Magazin hatten mehrere Beteiligte erzählt, dass offene Homosexualität in der Branche immer noch als Tabu gilt. Als wäre die Sichtbarkeit der sexuellen Identität und Geschlechtsidentität "unvereinbar mit unserer Fähigkeit, Rollen überzeugend und glaubhaft für das Publikum zu verkörpern", wie es im Manifest heißt. Antoine Monot Jr. vom Bundesverband Schauspiel sprach gegenüber der dpa davon, dass die Angst, dass bestimmt Rollen wegbrechen, in der Branche geschürt werde. "Nicht von allen, aber es gibt einige." Von diesem Gedanken müsse man sich entfernen. Das Publikum akzeptiere doch die Fiktion auch in anderen Konstellationen.

Aufgabe des Berufsverbands sei es, das Feld so zu bearbeiten, dass man sich angstfrei outen könne und man keine Repressalien oder Ähnliches fürchten müsse, weil man etwa nicht heterosexuell sei. Der Bundesverband Schauspiel hat mehr als 3600 Mitglieder. Die Veröffentlichung sieht Monot auch als wichtiges Signal für die nachfolgende Generation. "Dieser Schritt zeigt vielen anderen, was möglich ist."

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