Comeback der Sitcom:Schluss mit Schluss mit lustig

Die jahrelang erfolgreiche Sitcom hatte als Fernsehfach ausgedient und wurde schon als "totes Genre" gehandelt. Nun ist sie zurück: mit Erfolgsformaten wie "New Girl", "How I Met Your Mother" oder "Stromberg". Die Gründe dafür reichen bis in die Psyche des Publikums hinein.

Katharina Riehl

Man muss diese Geschichte mit einem Ende beginnen. Am 6. Mai 2004 zeigte der amerikanische Fernsehsender NBC das große Finale der Serie Friends - die letzte Episode jener Sitcom, die dem Network seit 1994 gigantische Marktanteile bescherte. An diesem 6. Mai bekamen Monica und Chandler endlich ein Baby (genau genommen sogar zwei), und Ross und Rachel gestanden sich ihre Liebe. Danach schloss sich die Tür zu dem Apartment mit den lila gestrichenen Wänden zum letzten Mal. 51,1 Millionen Menschen sahen zu.

Comeback der Sitcom: Jess (Zooey Deschanel) weint um eine verflossene Liebe - ihre WG-Jungs wissen damit nichts anzufangen. Die Serie "New Girl" startet Mittwoch, 21.15 Uhr bei Pro Sieben. Und weil die konventionelle Sitcom derzeit ohnehin sehr gefragt zu sein scheint, läuft die Serie nun auch hierzulande zur besten Sendezeit.

Jess (Zooey Deschanel) weint um eine verflossene Liebe - ihre WG-Jungs wissen damit nichts anzufangen. Die Serie "New Girl" startet Mittwoch, 21.15 Uhr bei Pro Sieben. Und weil die konventionelle Sitcom derzeit ohnehin sehr gefragt zu sein scheint, läuft die Serie nun auch hierzulande zur besten Sendezeit.

(Foto: 20th Century Fox)

Tags darauf veröffentlichte die Washington Post einen Text, der sich nicht nur über die wochenlange Vorbereitung und den ganztägigen Festakt lustig machte, mit dem NBC den Abschied begleitet hatte. In "A big hug goodbye to Friends and maybe the sitcom" ging es um die Frage, ob mit dem Aus von Friends, mit dem vierterfolgreichsten Serienfinale nach M.A.S.H, Cheers und Seinfeld, die Zeit der Sitcom als Erzählform beendet sei.

Sie war beendet. Im zurückliegenden Jahrzehnt spielte die Sitcom beim Publikum und damit bei den Sendern keine Rolle mehr. Der britische Channel 4 widmete dem Thema 2006 eine ausführliche Analyse und fragte: "Who Killed the Sitcom?" Der englische Fernsehwissenschafter Brett Mills veröffentlichte 2009 das Buch The Sitcom und stellte fest: Es gelte ja als Allgemeinwissen, dass es sich bei der Sitcom um ein "totes Genre" handle. Dass die TV-Saison 2011/12 nun sowohl in den USA als auch in Deutschland die Saison der Sitcom zu werden scheint, wurde in den amerikanischen Feuilletons bereits als eine Art Auferstehung verstanden.

Das Fach lässt sich folgendermaßen abgrenzen: Eine Sitcom-Folge (kurz für Situation Comedy) dauert rund 30 Minuten, handelt immer von denselben Figuren, und in jeder Episode wird eine Geschichte auserzählt. Traditionell werden Sitcoms (Friends etwa) vor Live-Publikum aufgezeichnet, deshalb das Gelächter aus dem Off. Die für I love Lucy (1951), eine der sehr frühen Shows, entwickelte Kameratechnik des "dreiköpfigen Monsters" (eine Kamera filmt die Personen aus der Ferne, zwei weitere je einen Protagonisten) gilt bis heute als klassisch für Sitcoms.

Flucht in den Spaß?

Unter den erfolgreichsten Serienstarts der Saison sind fünf Sitcoms. 2 Broke Girls bei CBS erzählt von zwei jungen Frauen ohne Geld. New Girl (Fox) ist die Geschichte von Jess, die nach der Trennung von ihrem Freund in eine Männer-WG zieht. Die Show startet diesen Mittwoch bei Pro Sieben. Doch nicht nur die neuen Serien sind erfolgreich, auch solche, die schon lange laufen. The Big Bang Theory, How I Met Your Mother oder Two and a Half Men haben in den USA und in Deutschland deutlich zugelegt. Die New York Times erklärte unlängst: "In einer düsteren wirtschaftlichen Lage feiert die Sitcom ihr Comeback."

Die finstere Weltlage als Grund für eine Flucht in den Spaß? Kann sein, aber wurden denn die Jahre davor vom Durchschnittsbürger Amerikas als so viel weniger bedrohlich empfunden?

Um zu verstehen, warum amerikanische wie deutsche TV-Kanäle ein für tot erklärtes Programm, die Amerikaner sagen: Show, nun wiederentdecken, muss man sich erinnern: Von wem wurde die Sitcom abgelöst? Vom Reality TV - sowie von hochwertig gemachten Drama-Serien. Beides lief und läuft auch noch gut. Reality TV reizt die Sendermanager deshalb, weil es billig produziert werden kann und erstaunliche gute Quoten erzielt.

In den USA sind - und auch deshalb wird dem Comeback der Sitcom nun so viel Aufmerksamkeit zuteil - zahlreiche Serien entstanden, die inhaltlich und technisch selbst perfektionierte Sitcoms wie Friends oder Eine schrecklich nette Familie weit hinter sich ließen. Serien wie Mad Men, The Wire, aber auch Sex and the City oder Desperate Housewives sind so aufwendig produziert wie Hollywoodfilme. Sie erzählen ihre lebensechten Figuren und tiefen Geschichten entlang großartiger Spannungsbögen. Und sie verkauften sich in hoher Stückzahl auf dem DVD-Markt, der angesichts sinkender Werbeeinnahmen eine wichtige Einnahmequelle geworden ist.

Eine Sitcom dagegen ist leichte Kost. Michael Gutmann ist Drehbuchautor (Nach fünf im Urwald, Krabat) und unterrichtet an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Er sagt: "Auffällig ist in den USA die Produktion großer Drama-Serien mit langen Erzählbögen. Während bei der klassischen Sitcom am Ende der Folge immer wieder der Normalzustand hergestellt ist, werden die Drama-Serien horizontal, also nach vorne erzählt. Figuren ändern ihre Lebensumstände, andere sterben. Bei HBO und AMC ist man sehr gut darin, Serien so wie Fortsetzungsromane zu erzählen."

Deutsche Sitcom als Ausnahme

Fernsehmacher in Amerika hatten sich seit Ende der 90er Jahre von der klassischen Sitcom distanziert. Auch Comedyshows wie Scrubs oder das britische The Office sehen anders aus als Sitcoms früher. Kein Lachen aus dem Off, stattdessen Figuren, die direkt mit den Zuschauern sprechen. Gutmann sagt, die US-Sitcom habe sich immer weiter aufgefächert, in "Career Coms", "On-Location-Sitcoms", "Docu Coms" mit pseudo-realistischer Ästhetik oder Romantic Comedys. Konkurrenz und auch die üppige Pay-TV-Struktur in den USA haben dazu geführt. Ein Abo-Sender wie HBO sei nicht auf die schnelle Quote, sondern auf den langfristigen Erfolg angewiesen." So entstehe Raum für Experimente. Dem zahlenden Kunden muss ja auch ständig etwas Neues geboten werden.

Das neue "Qualitätsfernsehen", also die so viel gelobten Serien (so schreibt es Wissenschaftler Brett Mills), legitimiere sich dadurch, sich möglichst stark von allem vorher Dagewesenen zu unterscheiden. Inhaltlich aber würden in Drama-Serien keine anderen Themen verhandelt als in Sitcoms. Da es quasi unmöglich sei, neue Geschichten zu erzählen, so argumentieren die Strukturalisten der Fernsehtheorie, müsse im Sinne einen kulturellen Legitimation die Ästhetik verändert werden. Dass nun mehrere schon sehr konventionelle Sitcoms so erfolgreich sind, könnte dafür sprechen, dass die Urform lange genug verschwunden war, um wieder interessant zu sein.

In Deutschland laufen bei Pro Sieben derzeit dienstags und mittwochs Sitcoms zur besten Sendezeit, der Privatsender hat sie nacheinander von anderen Sendeplätzen in die Prime Time geholt. Amerikanische Sitcoms wurden in Deutschland bisher immer angenommen, deutsche Sitcoms gibt und gab es - als Ausnahme.

Ralf Husmann ist einer der wenigen deutschen Serienautoren, der mit einer Sitcom wirklich Erfolg hat. Stromberg, angelehnt an The Office - es geht um einen neurotischen, selbstherrlichen Chef - hat Fernsehpreise gewonnen. Fragt man Husmann nach dem Verhältnis der Deutschen zur Sitcom, sagt er: "Ich glaube, dass die Sitcom in Deutschland nie wirklich Bedeutung hatte. Erfolg ja, Bedeutung nein." Im angelsächsischen Kulturraum lassen sich, so Husmann, gesellschaftliche Entwicklungen in Sitcoms ablesen. "Amis und Engländer bewältigen viel durch Humor. (. . .) Die Deutschen bewältigen durch Krimis." Darum habe sich die Sitcom als Genre bei uns nie richtig durchgesetzt. Vor allem die kommerziellen TV-Veranstalter glauben aber an die Sitcom: Nicht nur Pro Sieben baut sein Angebot aus - RTL wird demnächst Die Sekretärinnen produzieren.

Produziert ist, was gefragt ist, und das verläuft gerne wellenartig: In jenem Washington-Post-Artikel zum Abschied von Friends war schon einmal von einem Comeback der Sitcom die Rede: In den 80ern, hieß es darin, habe die Bill Cosby Show das Genre mit großer Klasse wieder zurückgebracht.

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