Zensur von Clubhouse in China:Sperre kurz nach Start

Zensur von Clubhouse in China: Die Gesprächs-App Clubhouse lief auch in China nur auf iPhones - und war ausschließlich im amerikanischen App-Store herunterzuladen.

Die Gesprächs-App Clubhouse lief auch in China nur auf iPhones - und war ausschließlich im amerikanischen App-Store herunterzuladen.

(Foto: Ng Han Guan/AP)

In China war die Social-Media-App Clubhouse ein Ort der freien Debatte. Ein paar Tage zumindest - nun ist es damit schon wieder vorbei.

Von Kai Strittmatter

Viele Nutzer in China ahnten von Anfang an das schnelle Ende. Es gab Clubhouse-Chats, die hießen: "Wie lange wird Clubhouse in China überleben?" Er wisse nicht, wie lange die App und das von ihr geschaffene Klima der zivilisierten freien Debatte ohne Grenzen und Schranken sich halten könne, schrieb ein Clubhouse-Nutzer auf dem Messagingdienst Weibo. "Aber ich werde diesen epischen Moment im Netz bestimmt nie vergessen".

Jetzt, ein paar Tage später nur, ist Clubhouse tot in China. Am Montag schlugen die Zensoren zu. Aber das Erstaunliche ist wohl dies: Es hat gelebt, für ein paar Tage lang. Und was für Tage das waren. Tage voller Freiheit und Staunen und bewegender Momente. Tage, wie sie das chinesische Netz seit Jahren nicht mehr erlebt hatte.

Im chinesischen Netz dürfe es nur "positive Energie" geben

China macht dicht unter Parteichef Xi Jinping, es koppelt sich ab von der Welt, geistig und ideologisch. Die Kommunistische Partei beschwört wieder die "Vereinheitlichung des Denkens" aller Bürger. Die Abtrennung des Internets vom Rest der Welt, seine Verwandlung in ein von der Partei kontrolliertes Intranet, ist ein zentrales Instrument in dem Prozess. Im chinesischen Netz dürfe es nur "positive Energie" geben, erklärten die Netzzensoren vor einer Woche erst wieder.

Manchmal aber tut sich ein Fenster auf, dann, wenn man es am wenigsten erwartet. Unerwartete Krisen können ein Grund dafür sein, oder aber neue Technologien und Gadgets, die die Partei noch nicht auf dem Schirm hat. Dann erhascht man einen Blick hinter die von der Propaganda aufgefahrenen Kulissen. Einen Blick darauf, was möglich wäre. Clubhouse war so ein Fenster.

Clubhouse ist eine Audio-App, die einem erlaubt, an Gesprächen teilzunehmen. Bis heute braucht man eine Einladung, um Zugang zu erhalten, außerdem läuft sie nur auf iPhones - und war ausschließlich im amerikanischen App-Store herunterzuladen.

Wie viele Chinesen all diese Hürden umgingen, ist unklar, wahrscheinlich waren es die wohlhabenderen, die mit Auslandserfahrung. Klar ist aber auch, dass die App letzte Woche zu einem der heißesten Gesprächsthemen in Chinas Social-Media-Kanälen wurde, vor allem nachdem Tesla-Chef Elon Musk für sie geworben hatte. Eine Clubhouse-Debatte auf Weibo wurde 50 Millionen Mal gelesen. Und Schwarzhändler verkauften im chinesischen Netz Clubhouse-Einladungen für umgerechnet mehr als 60 Euro das Stück.

Eine ganz neue Erfahrung: zivilisierter Austausch

Am Samstag dann hob Clubhouse in China richtig ab. Und es erwischte die Zensoren der Partei kalt - Tausende nahmen teil an Diskussionen über Themen, die in China sonst tabu sind: Sie sprachen über die Lager in Xinjiang, die Proteste in Hongkong, das Tiananmen-Massaker 1989, die Unabhängigkeit Taiwans, den Tod des Arztes und Corona-Whistleblowers Li Wenliang vor einem Jahr.

Mehr noch: Nutzer vom Festland fanden sich wieder in Chaträumen mit Teilnehmern aus Taiwan, aus Hongkong oder mit Angehörigen der Uigurischen Minderheit. Und anders als in Debatten in den stark zensierten sozialen Medien Chinas, in denen oft zornige Nationalisten, Trolle und Lohnschreiber der Partei den Ton angeben, machten viele der Gesprächsteilnehmer in Clubhouse eine ganz neue Erfahrung: Sie erlebten einen zivilisierten Austausch. "Die Leute hörten einander zu", schrieb der Nutzer @OrwellianNonsense hernach auf Weibo über eine Debatte zwischen Festlandchinesen und Taiwanern: "Die meisten waren rational und tolerant. Ich fand das sehr bewegend".

Ein Nutzer namens @c'c beschrieb, wie Han-Chinesen und Uiguren eine ganze Nacht lang bis zum Morgengrauen über die Umerziehungslager für Muslime in Chinas Westprovinz Xinjiang sprachen: "An einem Punkt begannen im Ausland lebende Leute aus Xinjiang zu weinen, weil sie keine Ahnung hatten, wo ihre Familien abgeblieben waren. Dann weinten auch Han-Chinesen, weil sie von all dem noch nie gehört hatten und ein Gefühl der Schuld sie überkam." Am Ende habe sich der Raum angefühlt "wie eine Kirche", in der die Teilnehmer einander Mut zusprachen: "Wir wussten, die Lauscher waren schon unter uns, und dieses kleine Fenster konnte jeden Moment zugeschlagen werden."

Das wurde es dann auch. Nach nur wenigen Tagen, in denen ein paar Chinesen eine Bresche in die Mauer der Zensur geschlagen, in denen aber auch Taiwaner, Hongkonger und Uiguren ihre Gegenüber auf dem Festland als menschliche Wesen mit vielfältigen Gefühlen und Meinungen wahrgenommen hatten und nicht wie sonst oft bloß als verbohrte, von der Partei ferngesteuerte Roboter. Tage, in denen der Hunger nach Austausch offenbar wurde. Tage, in denen die Möglichkeit eines anderen Chinas kurz aufblitzte.

Was ihm bleibe von diesen Tagen, schrieb der Hongkonger Kommunikationswissenschaftler Lokman Tsui auf Twitter, sei die Erfahrung, "wie die Leute das Beste ineinander hervorbrachten". Eben das sei es, was die KP zu zensieren und auszulöschen trachte: "unsere Fähigkeit, Konflikte durch Dialog und Austausch zu lösen". Auf Weibo beschrieb der Nutzer @imojbk den "historischen" letzten Moment: "Ich war gerade in dem Chatroom 'Wird diese Welt eine bessere werden?', dann wurde Clubhouse blockiert."

China hat wieder dichtgemacht.

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