"Club der roten Bänder" auf Vox:Das Fernsehen braucht diese Serie

"Club der roten Bänder", Vox; Matthias Brenner, l., und Tim Oliver Schultz

Patient Benito (Matthias Brenner, l.), der Leos (Tim Oliver Schultz) seelischer Mentor ist, erklärt ihm, dass zur Gründung eines Clubs immer sechs Mitglieder gehören.

(Foto: VOX/Martin Rottenkolber)

Glatzköpfige Protagonisten, die stolz ihre Beinstümpfe in die Kamera halten? So etwas gilt als nicht darstellbar. Vox beweist das Gegenteil.

Von Hans Hoff

Wenn am diesem Montag die Serie Club der roten Bänder startet, geht es für Vox um sehr viel. Der Sender hat zum ersten Mal und mit jeder Menge Engagement eine eigene Dramaserie auf die Schiene gesetzt und hofft nun auf eine dem Einsatz entsprechende Resonanz.

Senderchef Bernd Reichart, der vor seiner Zeit bei Vox in Spanien tätig war, hat dort erlebt, wie das Original der Serie nicht nur Quotenerfolge feierte, sondern auch gesellschaftlich etwas veränderte. So seien nach der Ausstrahlung die Besucherzahlen auf Kinderstationen um ein Viertel nach oben gegangen, berichtet Albert Espinosa, der als Autor in der Serie seine ganz persönlichen Erfahrungen verarbeitet hat.

Im Prinzip gibt es für den Club der roten Bänder nur zwei Möglichkeiten. Entweder geht die sechsteilige Serie durch die Decke oder sang- und klanglos unter. Ein Mittelmaß scheint schwer vorstellbar, weil die Story von sechs jungen Menschen zwischen zwölf und 17 Jahren in einem Krankenhaus auf jeden Fall polarisiert.

Eine Krankenhausserie, in der Ärzte nur eine Nebenrolle spielen

Zu Beginn kommt Jonas in die Klinik. Er hat Krebs, ihm soll am nächsten Morgen ein Bein amputiert werden. Jonas fühlt sich unverstanden, von der Familie, von der Welt, vom Leben. Das ändert sich, als er zu Leo aufs Zimmer kommt. Leo hat schon hinter sich, was Jonas noch bevorsteht. Gemeinsam gehen sie das Problem an, die Gewissheit, dass sie beide dieses Krankenhaus wohl sehr lange nicht mehr verlassen werden. Sie suchen Verbündete auf den Nachbarstationen. Sie gründen eine Bande, den Club der roten Bänder.

Die roten Bänder bekommt man im Krankenhaus, wenn man eine Operation hinter sich hat. Ein rotes Band darf sich auch Vox ans Ärmchen binden lassen, denn der Kommerzkanal nimmt an sich selbst einen schweren Eingriff vor. Er wagt mehr, als er müsste.

Das Risiko ist deshalb so groß, weil es direkt Vergleichbares im deutschen Fernsehen nicht gibt. Eine Krankenhausserie, in der Ärzte nur eine Nebenrolle spielen, ist neu. Im Grunde lebt das Projekt sogar von der Abwesenheit der Weißkittel. Im Mittelpunkt stehen die Patienten. Das ist die Idee dieser Serie. Bei der US-Version hat man das nicht verstanden und kurzerhand ein paar Ärzte ins Buch geschrieben. Der Flop war programmiert. Bei Vox hat man genau darauf geachtet, sich an dem zu orientieren, was das spanische Original auszeichnet.

Trotzdem bleibt ein Risiko: Welche Zielgruppe mag sich für so eine Serie interessieren?

Viel mehr als eine Soap

Offiziell soll die Produktion keine Jugendserie sein, weil Jugendserien im Hauptprogramm quasi chancenlos sind. Vom Look her ist die Serie aber natürlich wie gemacht für ein sehr junges Publikum. Aber auch wenn sie mit zarten Farben und beinahe übermäßiger Beleuchtung den optischen Anschein einer Soap erweckt, ist sie doch viel mehr.

Es geht ums Leben. Und ums Sterben. Und es ist kein Krimi. Das alles macht Club der roten Bänder so sehenswert, das verschafft der Serie aber gleich ein weiteres Problem. Wer will sich als durchschnittlicher Privatfernsehzuschauer schon mit Krebsdiagnosen befassen, mit glatzköpfigen Protagonisten, die stolz ihre Beinstümpfe in die Kamera halten? So etwas gilt normalerweise als in einer Serie nicht darstellbar. Von Krebs bei Jugendlichen kann man sprechen. Krebs offensiv zeigen? Niemals. Und wenn doch, dann nur in einem jener tristen Mittwochsfernsehspiele der ARD, nach denen man sich dringend eine Schachtel Stimmungsaufheller herbeiwünscht.

Club der roten Bänder

Zarte Bande: Emma (Luise Befort) und Jonas (Damian Hardung) verstehen sich gut.

(Foto: Martin Rottenkolber/Vox)

Der Zuschauer blickt in Abgründe, aber er wird auch sanft abgefedert

Das Schöne an dieser Serie ist die hinter der eher flachen Optik lockende Tiefe. Man kann in Abgründe schauen, aber man wird auch sanft abgefedert. Alles in dieser Klinik atmet trotz der Schwere des Themas eine gewisse Leichtigkeit. Genau diese Leichtigkeit darzustellen, war das Ziel des Autors. Zehn Jahre seines Lebens hat er in Kliniken verbringen müssen. Es seien die glücklichsten seines Lebens gewesen, sagt Albert Espinosa heute.

Es sind die flapsigen Sprüche, die vieles in dieser Geschichte erträglich machen. Es sind aber auch jene Momente, in denen auf die Tränendrüse gedrückt wird. Man kann sehr gut weinen bei dieser Serie, wenn man sich drauf einlässt. Dass das weniger schwer ist als man gemeinhin annimmt, liegt vor allem an der sehr fein gecasteten Schauspielertruppe. Alle Darsteller sind in Wahrheit älter als ihre Figuren, liefern aber trotzdem ein stimmiges Bild. Das mag an einer sehr präzisen Regie liegen, die viel Wert aufs Timing legt. Wenn sich die Klinikbewohner Sprüche um die Ohren hauen, kommen sie keine Sekunde zu früh und keinen Tick zu spät.

Sie haben bei Vox alles getan, was nötig war. Die Diagnose ist richtig: Dem deutschen Fernsehen fehlt so eine Serie. Auch die Umsetzung lässt wenig zu wünschen übrig. Jetzt muss die Therapie beim Zuschauer nur noch anschlagen.

Club der roten Bänder, Vox, 20.15 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: