"Clickbait" bei Netflix:Das war's?

"Clickbait" bei Netflix: Interessante Prämisse, nichts dahinter: Pia (Zoe Kazan, l.) versucht das Rätsel um das Verschwinden ihres Bruders aufzuklären.

Interessante Prämisse, nichts dahinter: Pia (Zoe Kazan, l.) versucht das Rätsel um das Verschwinden ihres Bruders aufzuklären.

(Foto: BEN KING/NETFLIX)

Die Netflix-Serie "Clickbait" lockt mit einer spannenden Prämisse, liefert dann aber nichts Neues.

Von Dennis Müller

Immerhin der Titel passt. Clickbait, auf Deutsch so viel wie "Klick-Köder", kommt aus der Welt der Online-Zeitungen und meint Artikel, die unspektakuläre Inhalte so übertrieben anpreisen, dass man sie einfach anklicken muss. Ähnlich ist es bei der neuen Netflix-Serie, die mit einer passablen Prämisse daherkommt, hinter der sich allerdings so gut wie nichts verbirgt.

Familienvater Nick (Adrian Grenier) verschwindet auf dem Weg zur Arbeit. Seine Schwester Pia (Zoe Kazan, etwas verschenkt) erfährt davon, indem sie im Netz zufällig auf ein rätselhaftes Video stößt, das ihren Bruder zeigt. Nick, blutverschmiert und sichtlich eingeschüchtert, hält ein Plakat hoch, auf dem der Physiotherapeut scheinbar zugibt, Frauen missbraucht zu haben. Auf einem weiteren Stück Pappe steht, dass er getötet wird, sobald das Video fünf Millionen Aufrufe erreicht. Neben Pia und der Polizei nehmen sich auch Möchtegern-Detektive des Falles an, die glauben, Nicks Verschwinden über Internetforen und die eigens programmierte "Geo-Nicking"-App ermitteln zu können.

Was wegen der immer wieder eingeblendeten Klickzahl des Videos wie ein klassisches Wettrennen gegen die Zeit beginnt, missglückt den Serienschöpfern Tony Ayres und Christian White aber unmittelbar nach dem Start. Obwohl sie einigen Figuren sogar eigens nach ihnen benannte Episoden gönnen, scheinen sie nicht daran interessiert zu sein, die Charaktere darin sinnvoll und realistisch weiterzuentwickeln: Die Schwester bleibt verbissen, der Polizist engagiert und Nicks Söhne rebellisch. Stattdessen reiht die Serie Wendung an Wendung, eine vorhersehbarer als die andere. Verschwindet dann auch noch viel zu früh der künstliche Spannungsbogen durch das mutmaßliche Entführer-Video, fühlen sich die acht langen Folgen ziemlich ziellos und leer an.

Das alles wäre erträglicher, würde die Serie mehr über das Internet sagen, als einzelne Phänomene anzureißen

Clickbait hangelt sich also von Figur zu Figur, führt dabei immer mehr dubiose Hintergrundmänner ein, und vergisst dabei, mehr aus den bereits existierenden herauszuholen. Pia etwa klammert sich in ihrer Verzweiflung an den Polizisten Roshan (Phoenix Raei), zufälligerweise ihr Tinder-Match, der in seiner Episode dem Chef der Einheit kurz eine rassistische Haltung vorwerfen darf, ehe er sich wieder der bräsigen Polizeiarbeit widmet. Selbst die Figur von Nicks unruhiger Ehefrau (Betty Gabriel) wird in ihrer Trauer nicht ernst genommen. Beide Charaktere hätten mehr hergegeben, Clickbait stellt das vermeintliche Mysterium aber jederzeit über Einzelschicksale.

Das alles wäre erträglicher, wenn die Serie mehr über ihre Grundthematik - das Internet und seine Mechanismen - zu sagen hätte, als einzelne Phänomene bloß anzureißen. Catfishing und Doxing beispielsweise - beides spannend, beides in TV-Serien noch unterrepräsentiert - bleiben auf diese Art nichts weiter als Schlagworte, die das Autorenteam scheinbar abhaken musste.

Nach dem Abspann von Clickbait stellt man sich also vermutlich dieselbe Frage wie nach dem Lesen eines Clickbait-Artikels: Das war's? Und dafür die Aufregung? Danach wird weitergescrollt.

Clickbait, auf Netflix

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