Süddeutsche Zeitung

Mediensterben in Hongkong:"Citizen News" hört auf

Die erst 2017 gegründete Nachrichtenseite kann die Sicherheit der Mitarbeiter nicht mehr garantieren. Das Sterben unabhängiger Medien geht weiter.

Von Christoph Giesen

Das Mediensterben in Hongkong, einst einer der wenige Orte in Asien mit echter Pressefreiheit, geht weiter: Die unabhängige Hongkonger Nachrichtenseite Citizen News teilte mit, am Dienstag die Arbeit einzustellen. Die Webseite werde dann nicht mehr aktualisiert und die Inhalte "nach einiger Zeit" vom Netz genommen. "Mit dem radikalen Wandel in unserer Gesellschaft hat sich das Umfeld für den Journalismus verschlechtert", heißt es in einem Abschiedsschreiben, das die Redaktion auf Facebook verbreitete. Man könne die selbst gesteckten Ziele nicht mehr ohne Furcht erreichen und auch nicht mehr für die Sicherheit der Mitarbeitenden garantieren. Citizen News war 2017 von einer Reihe erfahrener Hongkonger Reporterinnen und Reportern gegründet worden und hatte sich vollständig durch Crowdfunding finanziert.

Seit die chinesische Regierung im Sommer 2020 der ehemaligen britischen Kronkolonie ein weitreichendes nationales Sicherheitsgesetz verpasst hat, haben sich zahlreiche prodemokratische Gruppen aufgelöst, Aktivisten und Journalisten wurden festgenommen und eine Reihe unabhängiger Medien geschlossen. Das Gesetz sieht Verhaftungen all jener Personen vor, die die chinesische Führung als "Terroristen, Subversive, Separatisten sowie Verschwörer mit ausländischen Mächten" betrachtet.

Auch "Stand News" hatte vergangene Woche seinen Betrieb einstellen müssen

Erst am Mittwoch vergangener Woche hatte das Nachrichtenportal Stand News seinen Betrieb in der chinesischen Sonderverwaltungszone einstellen müssen. Zuvor waren das Büro von Stand News sowie die Wohnungen mehrerer Redakteure durchsucht worden. Insgesamt wurden sieben Stand News-Mitarbeiter verhaftet. Zwei von ihnen, darunter Chefredakteur Patrick Lam, werden offiziell der "Mitverschwörung zur Veröffentlichung einer aufrührerischen Publikation" beschuldigt. Nach Angaben der Polizei soll das Portal auch wegen "Aufruhrs" angeklagt werden. Begründet wird dies ebenfalls mit Verstößen gegen das nationale Sicherheitsgesetz.

Als erste Publikation musste im vergangenen Sommer die Boulevardzeitung Apple Daily ihr Erscheinen einstellen. Das Blatt galt seit Jahren als Hongkongs einflussreichstes pro-demokratische Medium der Stadt. Nach der Verhaftung von Verleger Jimmy Lai und mehreren Apple Daily-Journalisten froren die Hongkonger Behörden aufgrund des nationalen Sicherheitsgesetzes Vermögenswerte in Millionenhöhe ein.

In der vergangenen Woche erhob die Staatsanwaltschaft in Hongkong eine weitere Anklage wegen "aufrührerischer Veröffentlichungen" gegen den inhaftierten Verleger Lai. Im Dezember hatte ihn ein Gericht zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er zur alljährlichen Hongkonger Mahnwache in Gedenken an die Opfer des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens aufgerufen und an der Veranstaltung teilgenommen hatte. Die Behörden hatten die Versammlung jedoch aufgrund von Corona-Beschränkungen für illegal erklärt. 1989 hatten Panzer der chinesischen Volksbefreiungsarmee friedliche Studentenproteste in Peking niedergewalzt.

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